Landbauer, Weinskandal, Wirtschaftskämmerer und ein Prozess

Als der Bürg­er­meis­ter von Ober-Grafendorf (NÖ) am 24. Jän­ner einen Kom­men­tar zur Lieder­buchaf­färe um Udo Land­bauer veröf­fentlicht, in dem er dessen sofor­ti­gen Rück­tritt fordert, fol­gt eine heftige Debat­te, in der sich schließlich auch der ÖVP-Funk­tionär und Wirtschaft­skäm­mer­er Wolf­gang Stix mit einem Post­ing zu Wort meldet. Der Unternehmer Stix ist ein gelun­ge­nes Beispiel dafür, wie Teile der ÖVP scharf nach Rechts wegkippen.

Rain­er Han­dlfin­ger, der SPÖ-Bürg­er­meis­ter von Ober-Grafendorf, veröf­fentlichte auf seinem Face­book-Kon­to am 24. 1.2018 einen sehr klaren Kom­men­tar zu Udo Landbauer:

Wenn jemand 18 Jahre in ein­er Burschen­schaft tätig ist und nichts von recht­sradikalen Inhal­ten ebendieser mit­bekommt sollte er nicht Spitzenkan­di­dat ein­er wahlwer­ben­den Frak­tion sein. Denn entwed­er ist er zu dumm es in den 18 Jahren bemerkt zu haben oder er lügt. Egal was zutrifft. Bei­de Umstände dis­qual­i­fizieren diesen Typen für ein poli­tis­ches Amt. Und ganz neben­bei: Wenn jemand von her­aus­geris­se­nen Seit­en oder geschwärzten Seit­en weiß (Seit unser Spitzenkan­di­dat Mit­glied dieser Burschen­schaft ist, waren die betr­e­f­fend­en Texte entwed­er aus dem Lieder­buch ent­fer­nt oder geschwärzt, er hat­te also keine Ken­nt­nis davon“, so Hafe­neck­er weit­er. Apa Mel­dung FPÖNÖ), dann kann er mir nicht erk­lären, dass er davon nichts gewusst hat. Hmmm da sind geschwärzte Stellen. Da frag ich lieber mal nicht nach was da ste­ht. Sag mal Udo gehts noch? Dieses Lügenkon­strukt wird zusam­men­fall­en! Nimm deinen Hut und lass Niederöster­re­ich in ruh mit deinem recht­en Mus­lim Mama Gedankengut! Rück­tritt sofort!“

Der Kom­men­tar blieb nicht ohne Reak­tio­nen. Ganz im Gegen­teil, es wurde sehr heftig disku­tiert und – wie häu­fig, wenn es um Nation­al­sozial­is­mus und Anti­semitismus geht – auch von eini­gen einge­fordert, die Ver­gan­gen­heit ruhen zu lassen.

Es blieb aber dem ÖVP-Funk­tionär Stix in dieser Debat­te vor­be­hal­ten, sich ein­er­seits gegen das “Anpatzen“ Öster­re­ichs mit der Ver­gan­gen­heit zu ver­wehren und ander­er­seits die SPÖ zur Aufar­beitung der eige­nen Ver­gan­gen­heit aufzufordern.

Im Unter­schied zu den meis­ten Postern küm­mert Stix nicht das Lieder­buch und Land­bauer, son­dern die SPÖ:

Die SPÖ sollte mal die eigene Ver­gan­gen­heit anschauen … so wie alle Parteien, nur Het­zen ist wert­los … und es wird wieder ein­mal Öster­re­ich inter­na­tion­al angepatzt, das ist echt super, nach Wald­heim und dem Wein­skan­dal.

Das muss man erst ein­mal schaf­fen – den Wein­skan­dal in einen Zusam­men­hang mit Wald­heim und einem wider­lichen anti­semi­tis­chen Lied­text zu brin­gen! Für die Krämerseele des Wolf­gang Stix scheint es das Wichtig­ste, dass er nicht von seinen Kun­den „dauernd … auf diese Dinge“ ange­sprochen wird.

Zur Erin­nerung: „Diese Dinge“, das sind im besagten Lieder­buch (unter anderem!) wider­liche anti­semi­tis­che Textzeilen. Da ver­wun­dert es schon weniger, dass Stix selb­st 2017 einen Link zu dem schw­er anti­semi­tis­chen „Schlüs­selkind­blog“ geset­zt hat. Oder im Dezem­ber 2015 zu dem anti­semi­tis­chen Video „Die Macht der Roth­schilds“, das er „sehr inter­es­sant“ find­et. – Ein ÖVP-Funk­tionär, der ein anti­semi­tis­ches Video „sehr inter­es­sant“ findet?

Zu Wei­h­nacht­en 2014 teilt Stix eine reißerische Mel­dung des extrem recht­en und ver­schwörungs­the­o­retis­chen Info-Kopp-Por­tals: „ ‚Scheiß Chris­ten‘: Ran­dalierende Mus­lime stür­men in Mönchenglad­bach eine Kirche

Kom­biniert mit dem Hin­weis von info.kopp (das mit­tler­weile eingestellt wurde), wonach Medi­en und Poli­tik den Vor­fall ver­schwiegen hät­ten, ist das übliche wider­liche Gebräu, das Recht­sex­treme und Neon­azis in Wal­lung ver­set­zt, zu find­en, das aber besten­falls halb­wahr ist. Nicht bloß eine kleine Lokalzeitung berichtete über den Vor­fall, son­dern auch die „Rheinis­che Post‘“, die „West­deutsche Zeitung“ und die über­re­gionale „Welt“. Dort liest sich der Vor­fall ziem­lich anders. Von „ran­dalieren­den Mus­li­men“, bei denen sich die Vorstel­lung von Ver­wüs­tung und Brand­schatzung ein­stellt, keine Rede, son­dern „Kinder stören Krip­pen­spiel“. Die Polizei wollte wed­er den Ruf „Scheiß Chris­ten“ bestäti­gen noch eine Reli­gion­szuge­hörigkeit. Die Mut­ter eines am Vor­fall beteiligten Brüder­paars erk­lärte dem Pfar­rer, „dass sie das Ver­hal­ten ihrer Kinder in kein­er Weise toleriert“. Also kein begin­nen­der Reli­gion­skrieg, keine ran­dalieren­den Mus­lime, keine ver­wüstete Kirche, son­dern dumme Kinder und ein 14-Jähriger, der schon strafmündig ist und eine Mut­ter, die das Ver­hal­ten ihrer Kinder nicht toleriert. Das ken­nen wir doch auch aus vie­len Fam­i­lien in vie­len Variationen.

Der Unternehmer und ÖVP-Funk­tionär Stix macht’s fast wie Pon­tius Pila­tus. Er teilt die Het­zmel­dung und lässt dann seine Fans het­zen: “ein­fach abschieben die tschuschn……“. Weil ein­er sein­er Fans auch die Polizei zur Ver­ant­wor­tung ziehen will, kon­tert eine andere: „der unter­schied das dieses gesin­del zum großteil nur ver­brech­er sind und nie etwas in arbeit­en wer­den

Da schlüpft Stix kurz aus sein­er Pon­tius-Pila­tus-Rolle und drückt auf „Gefällt mir“.

Zurück zur Debat­te über Land­bauer und das Lieder­buch auf dem Face­book-Kon­to des Bürg­er­meis­ters von Ober-Grafendorf. Stix beteiligt sich über die schon erwäh­n­ten Post­ings und wird dabei immer deut­lich­er: Aus dem „linken Lager“ kämen diese Anschuldigun­gen „komis­cher­weise“ immer – mit Mit­teln der „linken Presse“ usw.

Susanne Strass­er, die eben­falls mit­ge­postet und so manche Kom­mentare von Stix auf Face­book im Hin­terkopf hat, platzt bei diesem Post­ing der Kragen:

„… Ich habe Opfer in mein­er Fam­i­lie – die direk­ten Nachkom­men dieser Opfer sind noch am Leben – waren damals Kinder. Und Sie wider­lich­er, bösar­tiger Men­sch besitzen die Frech­heit meinen Eltern der­art ins Gesicht zu spuck­en?

Strass­er nen­nt Stix auch noch einen Rel­a­tivier­er, Clown, Wicht – Stix dro­ht mit Klage, wenn sie diese Bemerkun­gen nicht löscht. Der NÖN hat er 2014 noch eine ganz andere Ein­stel­lung kundgetan:

Mir ist mit­tler­weile egal, was Leute über mich denken, ich ärg­er‘ mich nicht mehr, ich schreib das ein­fach rein … die Sachen, die Leute oft zurückschreiben, sind zwar oft schwachsin­nig. Ich ärg­ere mich nicht über Schwachsin­nigkeit­en … Diese veride­ol­o­gisierten Dep­pen ver­ste­hen das nicht …“ (Nön.at, 25.8.2014 )

Bei Susanne Strass­er sieht Stix das ganz anders. Weil sie ihr Post­ing nicht löscht, klagt er. Am Fre­itag, 8.6., fand die erste Tagsatzung in St. Pöl­ten statt. Strass­er wird vom Bund Sozialdemokratis­ch­er Frei­heit­skämpfer unter­stützt, dessen Lan­desvor­sitzen­der Anton Hein­zl die Post­ings von Stix an das DÖW weit­er­leit­en und begutacht­en lassen will. Eine Eini­gung bei der ersten Tagsatzung gab es nicht – am 12. Dezem­ber wird weit­er verhandelt.