Der blaue Roller des blauen Stadtrats

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So ein Ver­kaufspor­tal ist manch­mal eine prak­ti­sche Sache. Der eine stellt das, was er ver­kau­fen will, vor, am bes­ten mit Foto, preist sei­ne Vor­zü­ge an, schlägt einen Ver­kaufs­preis vor. Der Inter­es­sent mel­det sich, schlägt auch einen Kauf­preis vor oder bestä­tigt den des Ver­käu­fers – und über­legt es sich dann doch anders. Gut, wenn man das dem sicher ent­täusch­ten Ver­käu­fer noch mit­teilt und nicht ein­fach im World­Wi­de­Web ver­schwin­det. Schlecht, sehr schlecht, wenn der ein blau­er Stadt­rat ist.

Den Inter­es­sen­ten nen­nen wir ein­fach „007“. Die­se Zah­len­fol­ge kommt tat­säch­lich in sei­ner Mail­adres­se vor und so weiß der blaue Stadt­rat, dass wir wis­sen, dass der Mail­ver­kehr zwi­schen ihm und „007“ doku­men­tier­bar ist.

Der blaue Stadt­rat wie­der­um ist klar iden­ti­fi­zier­bar. Zum einen, weil er die Han­dy-Num­mer in sei­nem Kauf­an­ge­bot angibt, zum andern, weil der Elek­tro­scoo­ter, den er zum Ver­kauf anbie­tet, auch blau ist. Blitz­blau strahlt er aus dem Foto auf „willhaben.at“ – der Scoo­ter natür­lich, nicht der Stadt­rat! Der wäre selbst dann noch iden­ti­fi­zier­bar, wenn er sei­nen Namen nicht ohne­hin in sei­nen Mails ange­ge­ben hätte.

Schließ­lich gibt es in Linz nur einen Det­lef Wim­mer, des­sen Elek­tro­scoo­ter im Neu­en Rat­haus abzu­ho­len ist. Der blaue Stadt­rat Det­lef Wim­mer hat sei­nen blau­en Elek­tro­scoo­ter vor einem Jahr noch medi­al vor­ge­stellt. Ohne Ver­kaufs­ab­sicht. Damals ver­lang­te Wim­mer zunächst, dass die ande­ren Mit­glie­der der Lin­zer Stadt­re­gie­rung auf Dienst­au­tos ver­zich­ten und auf bil­li­ge­re Ver­kehrs­mit­tel umstei­gen soll­ten. Er zum Bei­spiel benut­ze einen Elek­tro­scoo­ter für den Arbeits­weg zum Rat­haus. „Ich ver­zich­te auf Pri­vi­le­gi­en, nut­ze das Dienst­au­to nicht, hel­fe spa­ren“, erzähl­te er der Gra­tis­zei­tung „heu­te“ (nach­dem die sein anschei­nend falsch gepark­tes E‑Moped abge­lich­tet hat­te). Hoch klingt das Lied vom bra­ven Mann!


Heu­te, vom 27. Febru­ar und 2. März 2015
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Der blaue Stadt­rat Det­lef Wim­mer also bie­tet nur weni­ge Mona­te, nach­dem er sei­nen Elek­tro­scoo­ter im Foy­er des Alten Rat­hau­ses geparkt hat­te, die­sen zum Ver­kauf an. Das Gerät glänzt zwar blitz­blau auf dem Foto, aber neu­wer­tig ist es wirk­lich nicht: Erst­zu­las­sung 08/2008, „Gebrauchs­spu­ren“ und „letz­tes Pickerl gül­tig bis 08/15“ heißt es euphe­mis­tisch im Text des Anbots auf „willhaben.at“.

Das alles mag „007“ viel­leicht sogar gele­sen haben, die Alarm­lam­pen haben aber noch nicht geblinkt bei ihm. Im Gegen­teil, selbst der ange­bo­te­ne Kauf­preis von 390 Euro schreckt ihn nicht ab. Der Name des Ver­käu­fers auch nicht! „007“, der irgend­wo in Sach­sen wohnt, hat ja kei­ne Ahnung, dass der Det­lef Wim­mer mit dem blitz­blau­en Scoo­ter der blaue Lin­zer Stadt­rat ist, der noch vor weni­gen Jah­ren sei­ne Freun­de bei den Brau­nen vom Bund frei­er Jugend (BfJ) hat­te und dann des­we­gen beim Bun­des­heer …ach Schwamm drü­ber, oder? Eher nicht, nach die­ser Geschichte.

Also „007“ mel­det sich bei Det­lef via Mail und bie­tet ihm für das nicht ver­kehrs­taug­li­che Gefährt nicht 390, son­dern 250 Euro – in bar! Übli­cher­wei­se beginnt dann eine Feil­sche­rei. Der Ver­käu­fer gibt sich ent­setzt, aber letzt­end­lich mit einem etwas nied­ri­ge­ren Preis nach .

Det­lef Wim­mer ist da anders gestrickt. Er schnappt sofort zu, nennt den Über­ga­be­ort Neu­es Rat­haus in Urfahr, fragt „Wann kom­men Sie vor­bei?“.

Vier Tage spä­ter drängt Det­lef: “Ihr Ange­bot habe ich ange­nom­men und darf nun noch­mals um Ant­wort ersu­chen“.

Er hat es schon geahnt – dem Inter­es­sen­ten sind mitt­ler­wei­le die Beden­ken gekom­men, die bei die­ser Ange­bots­be­schrei­bung schon frü­her kom­men hät­ten kön­nen. Aber da ist er bei Det­lef sowie­so an den Fal­schen gera­ten. „007“ will noch ein­mal nach­den­ken, schließ­lich ist er in Sach­sen zuhau­se und das nicht ver­kehrs­fä­hi­ge Moped steht in Linz beim Neu­en Rat­haus: “Hal­lo Ich muss noch­mals pla­nen denk ich kom­me mit dem Preis nicht so hin wie ich gedacht habe“.

Hal­lo aber auch! Den­ken? Noch­mals pla­nen? Nicht mit Det­lef, dem FPÖ-Stadt­rat und Ver­tre­ter der „sozia­len Hei­mat­par­tei“! „Sie haben mir ein schrift­li­ches Ange­bot gelegt, das ich ange­nom­men habe. Damit sind wir bereits han­dels­eins“, ant­wor­tet er schnip­pisch dem Mann aus Sach­sen und fügt dro­hend hin­zu: „Bei wei­te­rer Ver­zö­ge­rung kön­nen erheb­li­che Fol­ge­kos­ten ent­ste­hen“.


Moped auf willhaben.at
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Der Inter­es­sent will das nicht recht glau­ben und ant­wor­tet: “…. kom­men Sie mir nicht so…..verkaufen Sie den Rol­ler wem sie wol­len – ich bin raus“. Da ist er aber bei dem blau­en Stadt­rat an den völ­lig Fal­schen gera­ten, denn der führt jetzt noch deut­li­cher sei­ne man­gel­haf­ten Rechts­kennt­nis­se ins Tref­fen und for­dert „007“ zum „letz­ten Mal höf­lich“ auf, sei­ne „feh­len­den Daten“ bekannt­zu­ge­ben, „damit ich die­se nicht kos­ten­pflich­tig (im Ergeb­nis für Sie) über das Mel­de­re­gis­ter abfra­gen oder gar mei­nen Rechts­ver­tre­ter beauf­tra­gen muss“.

Sozi­al, wie eben nur ein FPÖ-Stadt­rat sein kann, bie­tet er auch noch die Opti­on an, durch die Zah­lung von 125 Euro Scha­den­er­satz vom Kauf­ver­trag zurück­zu­tre­ten. Mitt­ler­wei­le ist „007“ auf die Spur gekom­men. Er weiß mitt­ler­wei­le, dass Det­lef Wim­mer ein Poli­ti­ker ist, hat auch Kon­takt mit dem Kri­mi­nal­po­li­zis­ten Uwe Sai­ler auf­ge­nom­men, dem Erz­feind von Det­lef Wim­mer. Er wird daher kecker in sei­ner Ant­wort und kün­digt an, sich bera­ten zu wollen.

Mit Bera­ten hat’s der Stadt­rat aber nicht so. Weni­ge Minu­ten spä­ter kommt sei­ne Ant­wort­mail – der Ton ist schroff und drohend:


„Guten Abend erneut!

Nein, Sie haben sich schon längst für den Kauf ent­schie­den. Mei­ne Anzei­ge bei Will­ha­ben ist eine so genann­te invi­ta­tio ad offe­ren­dum, noch kein Ange­bot. Sie haben mir dann ein schrift­li­ches Ange­bot über 250,- gelegt und durch den Zusatz „bar auf die Hand” noch die Bin­dungs­wir­kung bestärkt.Hätten Sie nur ver­han­deln wol­len, wäre das völ­lig anders for­mu­liert gewesen.

Ich habe Ihr Ange­bot durch schrift­li­che Erklä­rung ange­nom­men, die Ihnen auch zuge­gan­gen ist. Eine Bedin­gung hat nie­mand von uns for­mu­liert. Es liegt also ein gül­ti­ger Kauf­ver­trag vor.

Als Ent­ge­gen­kom­men, da Sie zwar an den Ver­trag und Ihr von mir ange­nom­me­nes Ange­bot gebun­den sind, aber die­sen nun wie­der rück­gän­gig machen möch­ten, bie­te ich Ihnen an, bis mor­gen € 125,- auf mein Kon­to ATXXX8, BIC YYYL zu über­wei­sen, womit die Sache ver­gleichs­wei­se berei­nigt ist.

Auf­grund Ihrer Mails muss ich davon aus­ge­hen, dass Sie den Ver­trag nicht ein­hal­ten und mir auch Ihre Daten ver­heim­li­chen wol­len. Wenn bis mor­gen nicht ent­we­der eine Über­wei­sungs­be­stä­ti­gung über 125,- bei mir ein­ge­langt ist oder sie die nöti­gen Daten zur Abwick­lung des Kaufs bekannt geben, wer­de ich unver­züg­lich kos­ten­pflich­ti­ge recht­li­che Schrit­te beauftragen. 

Die Kos­ten wer­den den eigent­li­chen Kauf­preis auf­grund der Anwalts­kos­ten und Gerichts­ge­büh­ren vor­aus­sicht­lich bei wei­tem über­schrei­ten, wovor ich Sie trotz Ihrer Tat, erst einen Ver­trag zu schlie­ßen und dann wie­der „absa­gen” zu wol­len, bewah­ren möch­te, zumal mir ein finan­zi­el­ler Scha­den auf Ihrer Sei­te auch gar nichts bringt.

Bes­te Grüße,Detlef Wim­mer“.


 
Schar­fe Kral­le, der Herr Stadt­rat! Nun mag ein frei­heit­li­cher Stadt­rat zwar beson­ders frei in der Inter­pre­ta­ti­on von dem sein, was er für einen gül­ti­gen Kauf­ver­trag hält , aber so ein­fach ist die Sache auch wie­der nicht.

“007“ ist ein älte­rer Mann, der irgend­wo in Sach­sen lebt und den Lin­zer Elek­tro­rol­ler für eine Freun­din in Wien orga­ni­sie­ren woll­te. Allein das ist schon kom­pli­ziert genug! Seit er durch eine flot­te Mail auf das unver­bind­li­che Ange­bot des Stadt­rats reagiert hat und die­ser dar­in einen ver­bind­li­chen vir­tu­el­len Hand­schlag sieht, weiß „007“ nicht so recht, wie er auf die for­sche Hal­tung des Stadt­rats reagie­ren soll. Erst als er goo­gelt und in Uwe Sai­ler den poli­ti­schen Geg­ner von Det­lef Wim­mer ent­deckt, die­sen um Rat fragt, fin­det er wie­der in die Spur.

Inmit­ten des regen Mail­ver­kehrs im Jän­ner däm­mert auch dem Stadt­rat, dass die Sache mit dem Ver­kauf und dem Ver­trag dazu doch nicht so ein­fach wer­den wird. Es geht dar­um, wer den Ver­trag unter­zeich­nen soll (ist „007“ der Käu­fer oder die Frau in Wien?) und in wel­chem Zustand sich das Ding befin­det. Egal, die Din­ge wer­den nicht mehr aus­dis­ku­tiert, die Fris­ten ver­ge­hen und die Dro­hun­gen ver­hal­len und irgend­wann ist auch der Stadt­rat ruhig.