Es gibt unzählige Varianten von Erzählungen über Flüchtlinge und ihre Smartphones, die einen gemeinsamen Nenner haben: Sie sind hetzerisch und falsch. Auch in Österreich kursiert die Variante, dass Flüchtlinge sofort nach ihrer Ankunft von ihrem „Begrüßungsgeld“ die teuersten Smartphone-Modelle kaufen würden. Bloß: Es gibt kein „Begrüßungsgeld“ für ankommende Flüchtlinge, weder in Deutschland noch in Österreich.
Ein anderes Gerücht besagt, dass Telekomunternehmen wie A1 vom Staat angewiesen würden, Flüchtlinge mit Smartphones auszustatten. Das ist genauso erfunden wie das Gerücht von der Wertkarte des Innenministeriums, mit der Flüchtlinge jeden Tag vier Stunden mit ihren Angehörigen telefonieren dürften.
„Man wird doch noch Fragen dürfen” — ja, aber nicht hetzen!
Was stimmt?
Richtig ist, dass fast alle Flüchtlinge ein Handy bzw. ein Smartphone besitzen. Das ist kein Luxus, sondern überlebensnotwendig.
- Auf der Flucht kommunizieren Flüchtende so mit ihrer Familie, mit anderen Flüchtlingen, mit den Schleppern, mit Verwandten an den Zieladressen. Das Smartphone ist – im Unterschied zum Handy – auch als Kompass, Landkarte, Übersetzer nutzbar und daher für Fluchtwege, die oft über Tausende Kilometer führen, überlebensnotwendig.
- In den Herkunftsländern sind Mobilfunkgeräte weit verbreitet, während Festnetz für Daten und Telefonie kaum vorhanden ist. Die Süddeutsche Zeitung (11.8.15) gibt dazu ein Beispiel: „Im Jahr 2002 hatten einer Pew-Studie zufolge gerade einmal acht Prozent der Menschen in Ghana ein Mobiltelefon. Im Jahr 2014 waren es 83 Prozent. Über einen Festnetzanschluss verfügte im vergangenen Jahr nur ein Prozent der Ghanaer.“
Smartphones sind in vielen dieser Länder günstig zu erwerben, weil einige große Herstellerfirmen für diese Regionen Modelle entwickelt haben, die optisch wie die Premiummodelle ausschauen, aber mit weniger Funktionen ausgestattet und daher billiger sind. In den Herkunftsländern werden mit Smartphones nicht nur Alltagsgeschäfte wie Geldüberweisungen abgewickelt, sondern auch Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und öffentlich gemacht. - In den Asylunterkünften läuft über Smartphones die Kommunikation mit der Familie. Soferne ein Internetzugang (W‑LAN) vorhanden ist, läuft diese Kommunikation kostenlos (via Skype, Whatsapp, Viber usw.). Daher ist W‑LAN so wichtig bzw. sind die Warteschlangen vor Internet-Cafes so lange. Als Alternative gibt es nur Prepaid-Karten, die vom monatlichen Taschengeld in der Höhe von 40 Euro bezahlt werden müssen.
Smartphone und W‑LAN helfen daher Flüchtlingen Kosten zu sparen, wenn sie mit ihren Verwandten kommunizieren wollen.
⇒ Süddeutsche Zeitung, Handys sind für Flüchtlinge kein Luxus
⇒ Der Standard, Flüchtlinge und teure Smartphones: Hetze ohne Fakten