Nach dem Terroranschlag von Anders Behring Breivik im Juli 2011 begann Anuška Delić, die Journalistin bei der Tageszeitung „Delo“ ist, zu recherchieren. Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass Breivik Kontakte zu slowenischen Neonazis hatte, genauer zu der slowenischen Sektion („Division”) von „Blood & Honour“. Breivik hatte unzählige Verbindungen zu Neonazi-Gruppen quer durch Europa. Sein Manifest, das er kurz vor dem Terroranschlag verschickt hatte, gelangte so an etliche Adressaten auch in Österreich (zum Beispiel an [email protected]).
Delić begann also über „Blood & Honour“ in Slowenien zu recherchieren und stellte Erstaunliches fest: Die Neonazi-Gruppe hatte Verbindungen in die rechtskonservative Demokratische Partei von Janez Janša und auch zu Polizei und Militär. Nach ihren Informationen war zum Beispiel Dejan Prosen nicht nur der informelle Chef von „Blood & Honour“ in Slowenien, sondern auch ein Aktivist in der Jugendorganisation der SDS, „Slovenska Demokratska Mladina”.
Ab Ende November publizierte Delić ihre Rechercheergebnisse in mehreren Beiträgen in der Tageszeitung „Delo“. Prosen bestätigte zwar seine Mitgliedschaft in der demokratischen Partei bzw. deren Jugendorganisation, gab auch zu, in der rechtsextremen Organisation „Tukaj je Slovenija” tätig zu sein, bestritt aber jegliche Aktivität bei „Blood & Honour“. Die Enthüllungen von „Delo“, die in der Vorwahlzeit erfolgten, blieben nicht ohne Konsequenzen.
Tukaj je Slovenija
Die Enthüllungen der Journalistin hatten nämlich nicht dazu geführt, dass Jansa und seine Partei SDS bei den Wahlen in die Versenkung geschickt wurden, sondern brachten ziemlich instabile Verhältnisse, die es Jansa noch einmal ermöglichten, eine Regierung zu bilden, bis er dann Anfang 2013 durch einen Misstrauensantrag endgültig abgewählt und in der Folge wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Für die Initiierung von Ermittlungen gegen die missliebige Journalistin reichte die Zeit jedenfalls.
Tageszeitung Delo
Delić wurde beschuldigt, ihre Informationen aus Dossiers des slowenischen Auslandsgeheimdienstes bezogen und daher Geheimnisverrat begangen zu haben. Der damalige Geheimdienstchef Selan hatte zwar eine Überprüfung der Vorwürfe veranlasst, doch weil die ergeben hatte, dass die Zeitungsinformationen zwar den Geheimdienstinformationen ähnelten, aber auch aus anderen Quellen stammen konnten, wurde auch er angeklagt. Ihm wird von der Anklage vorgeworfen, rechtliche Schritte gegen die Journalistin unterlassen zu haben (‚Amtsmissbrauch‘).
Der Vorwurf, sich auf Geheimdienstinformationen gestützt zu haben, entbehrt nicht der Pikanterie. Schließlich darf man doch davon ausgehen, dass der slowenische Geheimdienst nicht grundlos Informationen über die Beziehungen zwischen der Demokratischen Partei, Militärs und der Neonazi-Gruppe „Blood & Honour“ gesammelt hat. Und dass er solche Informationen hatte, ist ja durch die Anklage faktisch bestätigt.
Verhandelt wird aber im Prozess nicht über die neonazistischen Verbindungen, sondern darüber, dass eine Journalistin diese Verbindungen aufgedeckt hat. Anuška Delić bestreitet überdies, sich bei ihren Recherchen auf geheimdienstliche Quellen gestützt zu haben.
Blood & Honour Konzert 2014 in Slowenien
„Blood & Honour“, das in einigen europäischen Ländern verboten ist, ist in Deutschland (Verbot seit 2000) zuletzt wegen sehr enger Beziehungen und Verflechtungen mit den Neonazis vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in die Debatte gekommen. In Slowenien ist „Blood & Honour“ nach wie vor sehr aktiv. Vor allem als Veranstaltungsort für Nazi-Konzerte, die in Ländern wie Österreich oder Deutschland verboten würden. Zuletzt fand Ende Oktober 2014 ein internationales Neonazi-Konzert in Slowenien statt – unter Beteiligung österreichischer Neonazis.