Slowenien: Prozess wegen Neonazi-Enthüllungen

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Wegen der angeb­li­chen Ver­öf­fent­li­chung ver­trau­li­cher Infor­ma­tio­nen über neo­na­zis­ti­sche Ver­bin­dun­gen zur Demo­kra­ti­schen Par­tei (SDS) wur­de die slo­we­ni­sche Jour­na­lis­tin Anuš­ka Delić im April 2013 ange­klagt. Jetzt, Anfang 2015, steht sie tat­säch­lich vor Gericht. Im Fal­le der Ver­ur­tei­lung dro­hen ihr bis zu drei Jah­re Haft. Ein poli­ti­scher Pro­zess gegen eine Jour­na­lis­tin, die eigent­lich einen Orden erhal­ten sollte.

Nach dem Ter­ror­an­schlag von Anders Beh­ring Brei­vik im Juli 2011 begann Anuš­ka Delić, die Jour­na­lis­tin bei der Tages­zei­tung „Delo“ ist, zu recher­chie­ren. Sie hat­te in Erfah­rung gebracht, dass Brei­vik Kon­tak­te zu slo­we­ni­schen Neo­na­zis hat­te, genau­er zu der slo­we­ni­schen Sek­ti­on („Divi­si­on”) von „Blood & Honour“. Brei­vik hat­te unzäh­li­ge Ver­bin­dun­gen zu Neo­na­zi-Grup­pen quer durch Euro­pa. Sein Mani­fest, das er kurz vor dem Ter­ror­an­schlag ver­schickt hat­te, gelang­te so an etli­che Adres­sa­ten auch in Öster­reich (zum Bei­spiel an [email protected]).

Delić begann also über „Blood & Honour“ in Slo­we­ni­en zu recher­chie­ren und stell­te Erstaun­li­ches fest: Die Neo­na­zi-Grup­pe hat­te Ver­bin­dun­gen in die rechts­kon­ser­va­ti­ve Demo­kra­ti­sche Par­tei von Janez Janša und auch zu Poli­zei und Mili­tär. Nach ihren Infor­ma­tio­nen war zum Bei­spiel Dejan Pro­sen nicht nur der infor­mel­le Chef von „Blood & Honour“ in Slo­we­ni­en, son­dern auch ein Akti­vist in der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der SDS, „Slovens­ka Demo­k­rats­ka Mladina”.

Ab Ende Novem­ber publi­zier­te Delić ihre Recher­che­er­geb­nis­se in meh­re­ren Bei­trä­gen in der Tages­zei­tung „Delo“. Pro­sen bestä­tig­te zwar sei­ne Mit­glied­schaft in der demo­kra­ti­schen Par­tei bzw. deren Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on, gab auch zu, in der rechts­extre­men Orga­ni­sa­ti­on „Tukaj je Slove­ni­ja” tätig zu sein, bestritt aber jeg­li­che Akti­vi­tät bei „Blood & Honour“. Die Ent­hül­lun­gen von „Delo“, die in der Vor­wahl­zeit erfolg­ten, blie­ben nicht ohne Konsequenzen.


Tukaj je Slovenija

Die Ent­hül­lun­gen der Jour­na­lis­tin hat­ten näm­lich nicht dazu geführt, dass Jan­sa und sei­ne Par­tei SDS bei den Wah­len in die Ver­sen­kung geschickt wur­den, son­dern brach­ten ziem­lich insta­bi­le Ver­hält­nis­se, die es Jan­sa noch ein­mal ermög­lich­ten, eine Regie­rung zu bil­den, bis er dann Anfang 2013 durch einen Miss­trau­ens­an­trag end­gül­tig abge­wählt und in der Fol­ge wegen Kor­rup­ti­on zu einer Gefäng­nis­stra­fe ver­ur­teilt wur­de. Für die Initi­ie­rung von Ermitt­lun­gen gegen die miss­lie­bi­ge Jour­na­lis­tin reich­te die Zeit jedenfalls.


Tages­zei­tung Delo

Delić wur­de beschul­digt, ihre Infor­ma­tio­nen aus Dos­siers des slo­we­ni­schen Aus­lands­ge­heim­diens­tes bezo­gen und daher Geheim­nis­ver­rat began­gen zu haben. Der dama­li­ge Geheim­dienst­chef Selan hat­te zwar eine Über­prü­fung der Vor­wür­fe ver­an­lasst, doch weil die erge­ben hat­te, dass die Zei­tungs­in­for­ma­tio­nen zwar den Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen ähnel­ten, aber auch aus ande­ren Quel­len stam­men konn­ten, wur­de auch er ange­klagt. Ihm wird von der Ankla­ge vor­ge­wor­fen, recht­li­che Schrit­te gegen die Jour­na­lis­tin unter­las­sen zu haben (‚Amts­miss­brauch‘).

Der Vor­wurf, sich auf Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen gestützt zu haben, ent­behrt nicht der Pikan­te­rie. Schließ­lich darf man doch davon aus­ge­hen, dass der slo­we­ni­sche Geheim­dienst nicht grund­los Infor­ma­tio­nen über die Bezie­hun­gen zwi­schen der Demo­kra­ti­schen Par­tei, Mili­tärs und der Neo­na­zi-Grup­pe „Blood & Honour“ gesam­melt hat. Und dass er sol­che Infor­ma­tio­nen hat­te, ist ja durch die Ankla­ge fak­tisch bestätigt.

Ver­han­delt wird aber im Pro­zess nicht über die neo­na­zis­ti­schen Ver­bin­dun­gen, son­dern dar­über, dass eine Jour­na­lis­tin die­se Ver­bin­dun­gen auf­ge­deckt hat. Anuš­ka Delić bestrei­tet über­dies, sich bei ihren Recher­chen auf geheim­dienst­li­che Quel­len gestützt zu haben.


Blood & Honour Kon­zert 2014 in Slowenien

„Blood & Honour“, das in eini­gen euro­päi­schen Län­dern ver­bo­ten ist, ist in Deutsch­land (Ver­bot seit 2000) zuletzt wegen sehr enger Bezie­hun­gen und Ver­flech­tun­gen mit den Neo­na­zis vom Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grund (NSU) in die Debat­te gekom­men. In Slo­we­ni­en ist „Blood & Honour“ nach wie vor sehr aktiv. Vor allem als Ver­an­stal­tungs­ort für Nazi-Kon­zer­te, die in Län­dern wie Öster­reich oder Deutsch­land ver­bo­ten wür­den. Zuletzt fand Ende Okto­ber 2014 ein inter­na­tio­na­les Neo­na­zi-Kon­zert in Slo­we­ni­en statt – unter Betei­li­gung öster­rei­chi­scher Neonazis.