Im Sommerinterview 2014 mit dem „Standard“ fragte Mieze Medusa Strache, was er denn gerade lese, worauf der zu einer sehr breiten Antwort ausholte:
Ich bin einer, der sich sehr für alles interessiert, was mit Philosophie zu tun hat, mit Quantenphysik. Das letzte Buch, das ich gelesen habe, war der Paulo Coelho, wo ich mich sehr angesprochen gefühlt habe, weil es mich an meine Jugendzeit erinnert hat. Nämlich dieses wunderschöne Gefühl, das er beschreibt beim Alchemisten, dass ein jeder junge Mensch intuitiv weiß, welchem Weg er folgen soll. Und dass wir oft diese Wege verlassen und dann wiederfinden.
Interessante Antwort! Mit Straches Jugendzeit verbinden wir beispielsweise nicht die Quantenphysik, sondern eher Assoziationen mit Wehrsportübungen und nationalen Kameraden. Deshalb ist „das wunderschöne Gefühl“ aus seiner Jugendzeit, an das ihn Coelho erinnert, auch ziemlich irritierend!
Aber die Erinnerung kann einem ordentliche Streiche spielen. Das musste Strache schon mehrmals erleben. Aufmerksamen LeserInnen des „Standard“ fiel jedenfalls auf, dass für Strache schon im Sommerinterview 2013, damals mit Interviewpartner Thomas Glavinic, das „letzte Buch“, das ihn fasziniert, ja sogar „geprägt“ hat, Coelhos „Alchimist“ war. „Damals hatte ich eine interessante Lebensphase, wo ich auf der Suche war“, kam Strache regelrecht ins Schwärmen, was Glavinic zu dem kecken Einwurf veranlasste: „So vor zwanzig Jahren …“
Aus der Sicht des Sommerinterviews 2014 wissen wir natürlich, dass Strache vor zwanzig Jahren auf der Suche nach der Quantenphysik oder den passenden Wäldern für Waffenübungen war, aber 2013 musste Strache noch klarstellen, dass er vor einem Jahr Coelhos Alchimisten gelesen hat: „Nein, vor einem Jahr. Wir sind ja immer Suchende! Das Buch hat mich geprägt, weil das Gute, das man sucht oft so nahe ist.“ Demnach müsste es also 2012 gewesen sein, wo Strache jedenfalls die Quantenphysik hinter sich und Paulo Coelho und das Gute vor sich hatte.
Das Archiv macht aber uns und Strache klüger. Schon 2010 hatte Strache in einem Interview mit „News“ Erinnerungen an Coelhos Alchimisten und seine eigene Jugendzeit: „In der Schule hatte ich zum ersten Mal den Traum, Politiker zu werden. Als ich später „Der Alchimist” von Paulo Coelho las, erinnerte mich der Jugendtraum des Protagonisten stark an die damalige Zeit. Ich wollte vieles verbessern.“ (News Nr. 39 vom 30.9.2010)
Jetzt sind wir etwas irritiert. Nicht nur, dass sich seine Lektüre des schmalen Büchleins (176 Seiten) nach drei Interviews bereits über etliche Jahre erstreckt und irgendwo zwischen Schulzeit und weit vor 2010 begonnen wurde, also vermutlich vor der deutschen Erstauflage1991, kommen wir bzw. eigentlich Strache auch mit seinen Lebensphasen ordentlich ins Schleudern: Zahntechnik, Quantenphysik, Wehrsportphase und Jugendtraum Politiker vermengen sich über Coelho zu einer brisanten Mischung: Ist Strache gar selbst ein Alchimist?