Freiheitliche wollen Arbeitslose nach Art des Ariernachweises erfassen

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Die FPÖ mach­te sich wie­der ein­mal uf die Suche nach dem Unös­ter­rei­chi­schen im Lan­de. Sie kri­ti­siert den mit 1. Jän­ner 2012 geschaf­fe­nen „Migran­tIn­nen-Index“ des AMS. Die­ser sach­lich unsin­ni­ge Index ist auch durch­aus kri­ti­sie­rens­wert. Der FPÖ bean­stan­det jedoch, dass er nicht unsach­lich genug ist: Die von der Regie­rung gewähl­te Sys­te­ma­tik sei „nicht ziel­füh­rend“, weil sie angeb­lich „die Arbeits­markt­pro­ble­me z.B. tür­ki­scher Zuwan­de­rer, die in den Fol­ge­ge­nera­tio­nen oft stär­ker sei­en als in der Erst­ge­ne­ra­ti­on, völ­lig aus(…)blendet“ (ots.at, 24.11.11).

Vor einem Abglei­ten ins Pein­li­che scheut FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär Kickl wie gewohnt nicht zurück:

Wenn ein haupt­ver­si­cher­ter Mann, des­sen Vater aus der Tür­kei ein­ge­wan­dert und Öster­rei­cher gewor­den ist z.B. eine Tür­kin hei­ra­tet, dann haben die Kin­der der bei­den nach der Erfas­sungs­wei­se der Regie­rung kei­nen Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Es spie­le also gar kei­ne Rol­le, ob z.B. die Umgangs­spra­che tür­kisch ist, die Mut­ter Tür­kin ist oder war etc.” (ots.at, 24.11.11)

Kickl möch­te zwi­schen Arbeits­lo­sen aus Deutsch­land und „z.B. (…) Men­schen mit tür­ki­schem Migra­ti­ons­hin­ter­grund (…), wo neben Sprach­bar­rie­ren oft auch gesell­schaft­li­che und reli­gi­ös-kul­tu­rell beding­te Inte­gra­ti­ons­de­fi­zi­te vor­lie­gen” unterscheiden.

Mit der For­de­rung, die Fest­stel­lung von Migra­ti­ons­hin­ter­grund auf zumin­dest drei Gene­ra­tio­nen, Geburts­or­te und Reli­gi­on aus­zu­wei­ten, grei­fen Kickl und die FPÖ auf jene Sys­te­ma­tik zurück, die zwi­schen 1933 und 1945 Grund­la­ge des so genann­ten Arier­nach­wei­ses war: „Als nicht arisch gilt, wer von nicht ari­schen, ins­be­son­de­re jüdi­schen Eltern oder Groß­el­tern abstammt. Es genügt, wenn ein Eltern­teil oder ein Groß­el­tern­teil nicht arisch ist. Dies ist ins­be­son­de­re dann anzu­neh­men, wenn ein Eltern­teil oder ein Groß­el­tern­teil der jüdi­schen Reli­gi­on ange­hört hat“, bestimm­te die ers­te Ver­ord­nung zur Durch­füh­rung des Geset­zes zur Wie­der­her­stel­lung des Berufs­be­am­ten­tums“ im April 1933. Zur Erlan­gung eines „klei­nen“ Arier­nach­wei­ses muss­ten tat­säch­lich sie­ben beglau­big­te Geburts­ur­kun­den (die eigen sowie die der Eltern und der Groß­el­tern) und drei Hei­rats­ur­kun­den vor­ge­legt werden.

Ob die Par­al­le­len zwi­schen der FPÖ-For­de­rung und dem NS-Arier­nach­weis Kickl und der FPÖ bewusst sind (immer­hin ist Bil­dungs­fer­ne in die­ser Par­tei kar­rie­re­för­dernd), ist irrele­vant: Allein der Umstand, dass jemand auf die abstru­se Idee ver­fällt, Men­schen nach der Her­kunft ihrer Groß­el­tern zu kate­go­ri­sie­ren, macht deut­lich, dass Kickl und sei­ne Par­tei tief in jener men­schen­ver­ach­ten­den Logik ver­haf­tet sind, die den Holo­caust über­haupt erst mög­lich mach­te. Dass weder Reli­gi­on noch Umgangs­spra­che oder Geburts­ort für Rück­schlüs­se über das Aus­maß der „Inte­gra­ti­on“ eines Men­schen tau­gen, liegt auf der Hand. Und damit ist der gan­ze Unsinn des Regie­rungs­pro­jekts „Migran­tIn­nen-Index“ bereits deut­lich: Ob ein Mensch tat­säch­lich Pro­ble­me am Arbeits­markt hat oder nicht, lässt sich nicht aus den Ver­si­che­rungs­da­ten der Eltern oder deren Geburts­ort able­sen, son­dern nur mit­tels eines Gesprächs. Dazu – so scheint es zumin­dest – hält das AMS sei­ne Mit­ar­bei­te­rIn­nen nicht für fähig, also wird eine absur­der Daten­ab­gleich durch­ge­führt, der skur­ri­le Ergeb­nis­se erzwingt: So wür­den sich etwa auch Men­schen wie Anna Netreb­ko, Fio­na Swa­rov­ski oder Atti­la Dogu­dan und deren Kin­der im Migran­tIn­nen­in­dex wiederfinden.

Der Bun­des­re­gie­rung, die ein grund­sätz­lich begrü­ßens­wer­tes Ziel – näm­lich ziel­ge­rich­te­te Unter­stüt­zung für alle Men­schen am Arbeits­markt unab­hän­gig von Her­kunft, Staats­bür­ger­schaft oder Spra­che – wie­der ein­mal rein büro­kra­tisch zu Tode erle­di­gen sucht, darf sich vor­wer­fen las­sen, der FPÖ die Rut­sche zur fort­wäh­ren­den Hetz­pro­pa­gan­da zu legen. Die macht näm­lich kei­nen Hehl dar­aus, was sie will: Eine „umfas­sen­de Kos­ten-Nut­zen-Ana­ly­se der Zuwan­de­rung“. „Eine sol­che Ana­ly­se wür­de näm­lich“, meint Kickl, „die Regie­rungs­pro­pa­gan­da, wonach Zuwan­de­rung auf jeden Fall ein volks­wirt­schaft­li­cher Gewinn für die Gast­ge­sell­schaft ist, durch Fak­ten wider­le­gen“.

Noch deut­li­cher wird Kickl in einer wei­te­ren Pres­se­aus­sendung vom 7. Novem­ber 2011: „Der Vor­stoß der Regie­rung die­ne jedoch nicht der Kos­ten­wahr­heit, son­dern bie­te den Zuwan­de­rungs­fa­na­ti­kern viel­mehr wei­te­re Mög­lich­kei­ten, spe­zi­el­le För­de­rungs­pro­gram­me zu bas­teln, um jene, von denen wir angeb­lich pro­fi­tie­ren, über­haupt erst in den Arbeits­markt zu inte­grie­ren.” Dass über­haupt nur Arbeits­lo­sen­geld und Unter­stüt­zung durch das AMS erhält, wer zuvor auch gear­bei­tet und sich damit auch einen Anspruch auf Arbeits­lo­sen­geld und Unter­stüt­zung durch das AMS erwor­ben hat, ver­schweigt die FPÖ.

Kurz: Die FPÖ will Men­schen und Men­schen­le­ben einer öko­no­mi­schen Kos­ten-Nut­zen-Ana­ly­se unter­wer­fen in der Hoff­nung, dass die­se dann als für Öster­reich wert­los oder schäd­lich dif­fa­miert wer­den kön­nen. Auch die­ses Bestre­ben hat sei­ne Par­al­le­len in der NS-Zeit: Von der Dif­fa­mie­rung von JüdIn­nen über sozi­al benach­tei­lig­ten Men­schen, Men­schen mit Behin­de­run­gen oder Roma und Sin­ti als „Para­si­ten” hin zur Selek­ti­on an der Lager­ram­pe der Konzentrationslager.