Vor einem Abgleiten ins Peinliche scheut FPÖ-Generalsekretär Kickl wie gewohnt nicht zurück:
Wenn ein hauptversicherter Mann, dessen Vater aus der Türkei eingewandert und Österreicher geworden ist z.B. eine Türkin heiratet, dann haben die Kinder der beiden nach der Erfassungsweise der Regierung keinen Migrationshintergrund. Es spiele also gar keine Rolle, ob z.B. die Umgangssprache türkisch ist, die Mutter Türkin ist oder war etc.” (ots.at, 24.11.11)
Kickl möchte zwischen Arbeitslosen aus Deutschland und „z.B. (…) Menschen mit türkischem Migrationshintergrund (…), wo neben Sprachbarrieren oft auch gesellschaftliche und religiös-kulturell bedingte Integrationsdefizite vorliegen” unterscheiden.
Mit der Forderung, die Feststellung von Migrationshintergrund auf zumindest drei Generationen, Geburtsorte und Religion auszuweiten, greifen Kickl und die FPÖ auf jene Systematik zurück, die zwischen 1933 und 1945 Grundlage des so genannten Ariernachweises war: „Als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil der jüdischen Religion angehört hat“, bestimmte die „erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ im April 1933. Zur Erlangung eines „kleinen“ Ariernachweises mussten tatsächlich sieben beglaubigte Geburtsurkunden (die eigen sowie die der Eltern und der Großeltern) und drei Heiratsurkunden vorgelegt werden.
Ob die Parallelen zwischen der FPÖ-Forderung und dem NS-Ariernachweis Kickl und der FPÖ bewusst sind (immerhin ist Bildungsferne in dieser Partei karrierefördernd), ist irrelevant: Allein der Umstand, dass jemand auf die abstruse Idee verfällt, Menschen nach der Herkunft ihrer Großeltern zu kategorisieren, macht deutlich, dass Kickl und seine Partei tief in jener menschenverachtenden Logik verhaftet sind, die den Holocaust überhaupt erst möglich machte. Dass weder Religion noch Umgangssprache oder Geburtsort für Rückschlüsse über das Ausmaß der „Integration“ eines Menschen taugen, liegt auf der Hand. Und damit ist der ganze Unsinn des Regierungsprojekts „MigrantInnen-Index“ bereits deutlich: Ob ein Mensch tatsächlich Probleme am Arbeitsmarkt hat oder nicht, lässt sich nicht aus den Versicherungsdaten der Eltern oder deren Geburtsort ablesen, sondern nur mittels eines Gesprächs. Dazu – so scheint es zumindest – hält das AMS seine MitarbeiterInnen nicht für fähig, also wird eine absurder Datenabgleich durchgeführt, der skurrile Ergebnisse erzwingt: So würden sich etwa auch Menschen wie Anna Netrebko, Fiona Swarovski oder Attila Dogudan und deren Kinder im MigrantInnenindex wiederfinden.
Der Bundesregierung, die ein grundsätzlich begrüßenswertes Ziel – nämlich zielgerichtete Unterstützung für alle Menschen am Arbeitsmarkt unabhängig von Herkunft, Staatsbürgerschaft oder Sprache – wieder einmal rein bürokratisch zu Tode erledigen sucht, darf sich vorwerfen lassen, der FPÖ die Rutsche zur fortwährenden Hetzpropaganda zu legen. Die macht nämlich keinen Hehl daraus, was sie will: Eine „umfassende Kosten-Nutzen-Analyse der Zuwanderung“. „Eine solche Analyse würde nämlich“, meint Kickl, „die Regierungspropaganda, wonach Zuwanderung auf jeden Fall ein volkswirtschaftlicher Gewinn für die Gastgesellschaft ist, durch Fakten widerlegen“.
Noch deutlicher wird Kickl in einer weiteren Presseaussendung vom 7. November 2011: „Der Vorstoß der Regierung diene jedoch nicht der Kostenwahrheit, sondern biete den Zuwanderungsfanatikern vielmehr weitere Möglichkeiten, spezielle Förderungsprogramme zu basteln, um jene, von denen wir angeblich profitieren, überhaupt erst in den Arbeitsmarkt zu integrieren.” Dass überhaupt nur Arbeitslosengeld und Unterstützung durch das AMS erhält, wer zuvor auch gearbeitet und sich damit auch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und Unterstützung durch das AMS erworben hat, verschweigt die FPÖ.
Kurz: Die FPÖ will Menschen und Menschenleben einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse unterwerfen in der Hoffnung, dass diese dann als für Österreich wertlos oder schädlich diffamiert werden können. Auch dieses Bestreben hat seine Parallelen in der NS-Zeit: Von der Diffamierung von JüdInnen über sozial benachteiligten Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Roma und Sinti als „Parasiten” hin zur Selektion an der Lagerrampe der Konzentrationslager.