BRD: Braune Piraten?

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Die Pira­ten­par­tei ist seit ihrem Erfolg bei den Ber­lin-Wah­len (9 Pro­zent) in aller Mun­de. Doch die Pira­ten haben auch Pro­ble­me – mit ihrem rech­ten Rand. Die offe­ne und wenig struk­tu­rier­te Par­tei, die in den letz­ten Wochen auch mit­glie­der­mä­ßig ordent­li­chen Zulauf hat­te, schleppt das Pro­blem schon seit ihrer Grün­dung mit sich.

Vor dem Anfang und Auf­stieg der Pira­ten­par­tei war The Pira­te Bay (TPB), eine, ver­ein­facht beschrie­ben, Tausch­bör­se, die 2004 in Schwe­den gegrün­det wur­de. TPB rich­te­te sich bewusst gegen den Copy­right-Schutz und war des­halb rasch von recht­li­cher Ver­fol­gung betrof­fen. Einer der angeb­li­chen Grün­der bzw. Finan­ziers von TPB, der Unter­neh­mer Carl Lund­ström, der 2009 in ers­ter Instanz wegen finan­zi­el­ler und tech­ni­scher Unter­stüt­zung von TPB zu einer Haft- und Gel­stra­fe ver­ur­teilt wor­den war, ist in Schwe­den schon vor­her durch sei­ne Unter­stüt­zung für rechts­extre­me Par­tei­en bekannt geworden.

Wegen der recht­li­chen Ver­fol­gung von TPB grün­de­te sich 2006 in Schwe­den die Pira­ten­par­tei, die sich in ers­ter Linie für die Bür­ger­rech­te, für Infor­ma­ti­ons­frei­heit und Daten­schutz ein­setz­te. Der ers­te Vor­sit­zen­de der Par­tei war Rickard Falk­vings, ein IT-Unter­neh­mer, der sich frü­her in der kon­ser­va­ti­ven Par­tei der „Mode­ra­ten“ enga­giert hat­te. Die Pira­ten­par­tei blieb in Schwe­den zunächst mäßig erfolg­reich. Bei den Wah­len zum Reichs­tag im Herbst 2006 erreich­te sie 0,63 % der Stim­men. Der Durch­bruch gelang über­ra­schend bei den Wah­len zum Euro­päi­schen Par­la­ment (EP) 2009. Unter­stützt von dem bekann­ten und popu­lä­ren Schrift­stel­ler Lars Gustafs­son, erreich­te die Pira­ten­par­tei 7,1 Pro­zent der Stim­men und ein Man­dat im EP. Der Ver­tre­ter der schwe­di­schen Pira­ten­par­tei hat sich dort der Frak­ti­on der Grünen/Europäische Freie Alli­anz angeschlossen.

Bei den Wah­len zum schwe­di­schen Reichs­tag konn­te die Pira­ten­par­tei ihren Erfolg von 2009 nicht wie­der­ho­len und erhielt nur 0,65% der Stim­men. Auch der Auf­schwung bei den Mit­glie­der­zah­len, ein Ergeb­nis staat­li­cher Repres­si­on gegen TPB und der ver­schärf­ten Urhe­ber­rechts­ge­setz­ge­bung, ist mitt­ler­wei­le vor­bei. Die Par­tei, die am Höhe­punkt 50.000 Mit­glie­der hat­te, ist laut Wiki­pe­dia im Okto­ber 2011 auf 8.000 Mit­glie­der zurückgefallen.

In Deutsch­land wur­de die Pira­ten­par­tei im Sep­tem­ber 2006 gegrün­det. Die Par­tei trat in ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern bei Land­tags­wah­len an, konn­te sich aller­dings zunächst nicht durch­set­zen. 2009 geriet die Pira­ten­par­tei im Vor­feld der Bun­des­tag­wah­len im Sep­tem­ber bun­des­weit in die Schlag­zei­len durch den Über­tritt des SPD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Jörg Tauss. Zuvor war schon die Immu­ni­tät des SPD-Exper­ten für Neue Medi­en vom Bun­des­tag wegen des Ver­dach­tes des Besit­zes von kin­der­por­no­gra­fi­schem Mate­ri­al auf­ge­ho­ben wor­den. Tauss, der die­sen Vor­wurf immer bestritt, ist 2010 rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wor­den, war aber vor­her schon aus der Pira­ten­par­tei aus­ge­tre­ten, um ihr nicht zu schaden.

Bei der Bun­des­tag­wahl 2009 erreich­te die Pira­ten­par­tei immer­hin zwei Pro­zent der Stim­men. Ihren Durch­bruch erziel­te sie bei den Ber­lin-Wah­len, wo sie erst­mals in ein Lan­des­par­la­ment (mit 15 Man­da­ten) ein­zog. Seit­her ist die Par­tei, der auch in bun­des­wei­ten Umfra­gen bis zu neun Pro­zent der Stim­men pro­gnos­ti­ziert wer­den, auch unter stär­ke­rer öffent­li­cher Beob­ach­tung. Die star­ke Män­ner­do­mi­nanz und wider­sprüch­li­che pro­gram­ma­ti­sche Ansa­gen, die einen brei­ten ideo­lo­gi­schen Bogen zei­gen, irri­tie­ren. Bis­her hat die Par­tei ihre Wider­sprü­che mit flot­ten Ansa­gen, Trans­pa­renz und unter Beru­fung auf die Mei­nungs­frei­heit eini­ger­ma­ßen bewäl­ti­gen können.

Bei den Land­tag­wah­len in Meck­len­burg- Vor­pom­mern Anfang Sep­tem­ber 2011 trat die Par­tei mit dem Spruch „Nazis raus, Pira­ten rein!“ auf. Nun stellt sich her­aus, dass aus­ge­rech­net der Spit­zen­kan­di­dat für die Land­tags­wahl 2011, Mat­thi­as Bah­ner, mitt­ler­wei­le gewähl­tes Mit­glied in einem Kreis­tag, vor weni­gen Jah­ren noch bei die der NPD war. In einem offe­nen Brief vom 8.10.2011 räum­te er sei­ne Mit­glied­schaft in den Jah­ren 2003 bis 2004 ein, bezeich­ne­te sie als Jugend­sün­de und distan­zier­te sich von der NPD-Ideologie.

Die Lan­des­par­tei bedau­er­te, dass Bah­ner sei­ne NPD-Mit­glied­schaft nicht schon viel frü­her ein­ge­stan­den habe und sprach davon, dass eine Gesell­schaft ange­strebt wer­den müs­se, die auch Feh­ler ver­zei­he und offe­ner mit die­sen umge­hen müs­se. Die­ser offe­ne Umgang ist auch drin­gend not­wen­dig, denn die NPD kon­ter­te umge­hend damit, dass Bah­ner nicht die gan­ze Wahr­heit erzählt habe: Bah­ner sei erst im Okto­ber 2006 aus der NPD-Mit­glie­der­lis­te gestri­chen wor­den, weil er ab Juni 2005 sei­nen Mit­glieds­bei­trag nicht bezahlt habe. Aus­ser­dem, so das neo­na­zis­ti­sche MUP-Info, habe Bah­ner ent­ge­gen sei­ner Dar­stel­lung nicht nur an Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten der NPD teil­ge­nom­men, son­dern auch an Kreis­ver­bands­sit­zun­gen und an Pro­tes­ten gegen die Anti-Wehr­machts­aus­stel­lung in Peenemünde.

Wie dem auch sei, Bah­ner ist nicht der ein­zi­ge frü­he­re Rechts­extre­me, um den sich die Pira­ten jetzt küm­mern müs­sen. Valen­tin Seipt war bis zur Vor­wo­che Kreis­vor­sit­zen­der der Pira­ten in Frei­sing bei Mün­chen. Die NPD mach­te sei­ne frü­he­re Tätig­keit bei der Neo­na­zi-Trup­pe als stell­ver­tre­ten­der Kreis­vor­sit­zen­der öffent­lich, wor­auf Seipt sei­ne Funk­ti­on bei den Pira­ten nie­der­leg­te. Die Pira­ten reagier­ten auch in die­sem Fall locker. Wenn man zu sei­nen Feh­lern ste­he, sei das kein grö­ße­res Pro­blem, erklär­te Sebas­ti­an Nerz, Bun­des­vor­sit­zen­der. Er ver­gisst dabei, dass Seipt erst durch ein Outing der NPD sei­ne brau­ne Ver­gan­gen­heit ein­ge­stan­den hat.

In einem ande­ren Fall schleppt der Lan­des­ver­band Rhein­land-Pfalz seit zwei Jah­ren ein Aus­schluss­ver­fah­ren gegen Bodo Thie­sen (mehr über ihn hier) mit sich her­um. Wolf­gang Dud­da, der Grün­der der „Pira­ten gegen Rechts­extre­mis­mus“ und Betrei­ber des gleich­na­mi­gen Blogs will die Pira­ten in der Fra­ge des Umgangs mit Rechts­extre­men sen­si­bi­li­sie­ren und kämpft für eine kla­re Abgren­zung: „Es gibt bei den Pira­ten Mei­nungs­frei­heits­fa­na­ti­ker, die glau­ben, dass auch ein Nazi sei­ne Mei­nung frei sagen kön­nen muss, auch wenn die­ser Nazi sich auf die Fah­nen geschrie­ben hat unse­ren Staat abzuschaffen.“

Dud­da hat aus Pro­test gegen die Ver­schlep­pung des Ver­fah­rens sei­ne Funk­ti­on im Bun­des­vor­stand der Pira­ten­par­tei ruhend gestellt. Wie aus diver­sen Foren und den Dis­kus­sio­nen dort her­vor­geht, beschäf­ti­gen die Pira­ten auch noch ande­re Fäl­le von Rechts­extre­mis­mus [1,2]. Die Pira­ten wer­den sich neben ihrem Mar­ken­zei­chen der Offen­heit hof­fent­lich bald auch zu einer kla­ren Hal­tung im Umgang mit Rechts­extre­mis­mus durchringen.