Mythos Dresden (II): Etablierung eines Nationalen GedenktagesLesezeit: 4 Minuten

2005 lässt es sich der seit 2004 in den Säch­si­schen Land­tag gewähl­te Frak­ti­ons­chef der Natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutsch­land (NPD) Hol­ger Apfel nicht neh­men, den „run­den“ natio­na­len Gedenk­tag anzu­mel­den. Seit 2001 gibt es zwar sei­tens der Stadt­spit­ze immer wie­der Ver­su­che, die­sem inzwi­schen größ­ten Nazi­auf­marsch Euro­pas etwas ent­ge­gen­zu­set­zen, doch schafft es die Stadt­ge­sell­schaft und ihre Eli­te nicht, sich […]

12. Feb 2011

Seit 2001 gibt es zwar sei­tens der Stadt­spit­ze immer wie­der Ver­su­che, die­sem inzwi­schen größ­ten Nazi­auf­marsch Euro­pas etwas ent­ge­gen­zu­set­zen, doch schafft es die Stadt­ge­sell­schaft und ihre Eli­te nicht, sich dem mythi­schen Ver­klä­ren und der damit unmit­tel­bar ver­bun­de­nen ver­bre­che­ri­schen Geschich­te Dres­dens wäh­rend der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gemein­we­sent­lich­keit zu stellen.

Ein­zel­nen Per­so­nen, Initia­ti­ven und Orga­ni­sa­tio­nen ist es zu dan­ken, dass die Wahr­heit über die Ver­stri­ckung Dres­dens als Nazi­hoch­burg und die damals statt­fin­den­den Ver­bre­chen Stück für Stück in den Erin­ne­rungs­dis­kurs Ein­gang fin­den. Bis heu­te sind weder Erin­ne­rungs­ta­feln oder erin­nern­de Wor­te in den offi­zi­el­len Reden zum 13. Febru­ar und den dort so oft titu­lier­ten Schick­sals­tag Dres­dens an die mit­ten durch die Stadt füh­ren­den Todes­mär­sche ein The­ma. Die­se Todes­mär­sche, die am 16. Jän­ner, am 13. Febru­ar und am 17. Febru­ar mit­ten durch das Stadt­ge­biet über die Caro­l­ab­rü­cke hin­weg, also am „Bal­kon Euro­pas“, so die Selbst­be­zeich­nung der Dresd­ner für den alten Stadt­wall „Brühl­sche Ter­ras­se“, bebaut mit den Sil­hou­et­ten der Stadt, vor­bei gehen. Die Zeit­zeu­gin­nen drin­gen nicht durch. (Quel­le)

Die Stadt­ge­sell­schaft Dres­dens erstarrt nach wie vor eher bei „ihrem“ Ger­hart Hauptmann:
„Wer das Wei­nen ver­lernt hat, der lernt es wie­der beim Unter­gang Dresdens“.
Da heu­len die Dresd­ner gern mit ihrem auch vom Füh­rer im August 1944 in die Gott­be­gna­de­ten-Lis­te auf­ge­nom­me­nen Dich­ter. Und wel­che Kame­ra­den mein­te Haupt­mann mit dem zwei­ten, nicht so bekann­ten Teil sei­nes Zita­tes zum Luft­an­griff auf Dres­den?: „Ich ste­he am Aus­gangs­tor mei­nes Lebens und benei­de mei­ne toten Geis­tes­ka­me­ra­den, denen die­ses Erleb­nis erspart geblie­ben ist.“

Mein­te er die Kame­ra­den, die mit ihm 1905 eines der ers­ten von 31 Mit­glie­dern der Ber­li­ner Sek­ti­on in der Gesell­schaft für Ras­sen­hy­gie­ne des Alfred Ploetz gewor­den waren und nun vor der unmit­tel­bar greif­ba­ren Nie­der­la­ge ihres Ras­sen­krie­ges stan­den? Jür­gen Gan­sel als eben­falls in Sach­sen gewähl­tes Mit­glied des Säch­si­schen Land­ta­ges für die NPD führt mit der Begriffs­ver­bre­che­rei „ Bom­ben­ho­lo­caust“ die­sen Dis­kurs in eine für den Stamm­tisch grif­fi­ge Form.

Die mythi­sche Selbst­ver­klä­rung der Stadt­ge­sell­schaft Dres­dens fin­det auf vie­len Ebe­nen statt. Sie fin­det beim krea­ti­ven Ver­schwei­gen der NS Täter­schaft statt, etwa wenn die bereits im März 1933 erfolg­te Bücher­ver­bren­nung nicht erwähnt wird, die zudem von der dama­li­gen Dresd­ner Poli­zei weit­räu­mig gegen befürch­te­te Pro­tes­te abge­si­chert wird.

Sie fin­det statt, wenn gan­ze städ­te­bau­li­che Ensem­ble unkri­tisch und ohne Ver­weis auf ihre geis­ti­ge Urhe­ber­schaft im NS Dres­den erst restau­riert und dann auch noch 2010 prä­miert wer­den, wie es bei der Sanie­rung des Ensem­bles König­s­ufer gesche­hen ist. Selbst die bür­ger­li­che Bou­le­vard­pres­se BILD titel­te mit Ent­set­zen: Dres­den baut Hit­lers Rosen­gar­ten wie­der auf!

Beson­ders infam und zäh auch die Lüge vom deut­schen Hiro­shi­ma. David Irving hat­te und hat eine gro­ße Anhän­ger­schaft bei sei­ner The­se vom bereits kal­ku­lier­ten Atom­bom­ben­ab­wurf auf Dres­den. Hier unmit­tel­bar schlie­ßen sich die Legen­den von den weit über­trie­be­nen Zah­len der Toten an und den bis heu­te ent­wi­ckel­ten und gebräuch­li­chen Voka­beln vom ang­lo-ame­ri­ka­ni­schen Ter­ror­an­griff auf Dres­den und dem von den ame­ri­ka­ni­schen Luft­gangs­tern. 2006 ist es noch mehr ein Zufall, dass es den Gegen­pro­tes­ten gelingt, die Nazis in ihrem Tri­umph­marsch nicht über die Elbe an der von ihnen gewünsch­ten Stel­le pas­sie­ren zu lassen.

Es wird bis 2010 brau­chen, dass die­ser Nazi­auf­marsch nicht im von den NPD und JLO geplan­ten Umfang statt­fin­den kann. Seit 2007 gibt es auch Aus­ein­an­der­set­zun­gen, wann und wie der Tag zu bege­hen sei. Inzwi­schen ist erkenn­bar, dass sich ganz dem ursprüng­li­chen Gedan­ken der Revi­sio­nis­ten ent­spre­chend die Hal­tung durch­setzt, den 13. Febru­ar direkt als Ver­an­stal­tungs­tag zu etablieren.
Wie bereits aus­ge­führt fin­det ja genau an die­sem Tag auch von offi­zi­el­ler Sei­te der seit Jahr­zehn­ten von der rech­ten Sze­ne und ihren Sym­pa­thi­san­ten gefor­der­te natio­na­le Gedenk­tag mit allen Pro­to­kol­leh­ren statt, auch unter einer auch vom Ver­fas­ser nicht zu ver­ste­hen­den Teil­nah­me der heu­ti­gen mili­tä­ri­schen und hoheit­li­chen Ver­tre­ter der damals Gott Sei Dank erfolg­rei­chen Antihitlerkoalition.
Hof­fen wir auf star­ke Gegen­pro­tes­te auch 2011, hof­fen wir auf eine zukünf­ti­ge Erkennt­nis, dass kein unge­eig­ne­ter Tag wie der 13. Febru­ar eine offi­zi­el­le Beach­tung ver­dient, außer tie­fe Scham und die Hoff­nung auf Vergebung.

Dani­lo Starosta
AG Mythos Dres­den, eine Initia­ti­ve infol­ge Geh Den­kens 2009
Dres­den, 10.2. 2011

➡️ Mythos Dres­den I

Wei­ter­füh­rend zu Dres­den : mythosundgeschichte.blogsport.de
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