Seit 2001 gibt es zwar seitens der Stadtspitze immer wieder Versuche, diesem inzwischen größten Naziaufmarsch Europas etwas entgegenzusetzen, doch schafft es die Stadtgesellschaft und ihre Elite nicht, sich dem mythischen Verklären und der damit unmittelbar verbundenen verbrecherischen Geschichte Dresdens während der nationalsozialistischen Gemeinwesentlichkeit zu stellen.
Einzelnen Personen, Initiativen und Organisationen ist es zu danken, dass die Wahrheit über die Verstrickung Dresdens als Nazihochburg und die damals stattfindenden Verbrechen Stück für Stück in den Erinnerungsdiskurs Eingang finden. Bis heute sind weder Erinnerungstafeln oder erinnernde Worte in den offiziellen Reden zum 13. Februar und den dort so oft titulierten Schicksalstag Dresdens an die mitten durch die Stadt führenden Todesmärsche ein Thema. Diese Todesmärsche, die am 16. Jänner, am 13. Februar und am 17. Februar mitten durch das Stadtgebiet über die Carolabrücke hinweg, also am „Balkon Europas“, so die Selbstbezeichnung der Dresdner für den alten Stadtwall „Brühlsche Terrasse“, bebaut mit den Silhouetten der Stadt, vorbei gehen. Die Zeitzeuginnen dringen nicht durch. (Quelle)
Die Stadtgesellschaft Dresdens erstarrt nach wie vor eher bei „ihrem“ Gerhart Hauptmann:
„Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens“.
Da heulen die Dresdner gern mit ihrem auch vom Führer im August 1944 in die Gottbegnadeten-Liste aufgenommenen Dichter. Und welche Kameraden meinte Hauptmann mit dem zweiten, nicht so bekannten Teil seines Zitates zum Luftangriff auf Dresden?: „Ich stehe am Ausgangstor meines Lebens und beneide meine toten Geisteskameraden, denen dieses Erlebnis erspart geblieben ist.“
Meinte er die Kameraden, die mit ihm 1905 eines der ersten von 31 Mitgliedern der Berliner Sektion in der Gesellschaft für Rassenhygiene des Alfred Ploetz geworden waren und nun vor der unmittelbar greifbaren Niederlage ihres Rassenkrieges standen? Jürgen Gansel als ebenfalls in Sachsen gewähltes Mitglied des Sächsischen Landtages für die NPD führt mit der Begriffsverbrecherei „ Bombenholocaust“ diesen Diskurs in eine für den Stammtisch griffige Form.
Die mythische Selbstverklärung der Stadtgesellschaft Dresdens findet auf vielen Ebenen statt. Sie findet beim kreativen Verschweigen der NS Täterschaft statt, etwa wenn die bereits im März 1933 erfolgte Bücherverbrennung nicht erwähnt wird, die zudem von der damaligen Dresdner Polizei weiträumig gegen befürchtete Proteste abgesichert wird.
Sie findet statt, wenn ganze städtebauliche Ensemble unkritisch und ohne Verweis auf ihre geistige Urheberschaft im NS Dresden erst restauriert und dann auch noch 2010 prämiert werden, wie es bei der Sanierung des Ensembles Königsufer geschehen ist. Selbst die bürgerliche Boulevardpresse BILD titelte mit Entsetzen: Dresden baut Hitlers Rosengarten wieder auf!
Besonders infam und zäh auch die Lüge vom deutschen Hiroshima. David Irving hatte und hat eine große Anhängerschaft bei seiner These vom bereits kalkulierten Atombombenabwurf auf Dresden. Hier unmittelbar schließen sich die Legenden von den weit übertriebenen Zahlen der Toten an und den bis heute entwickelten und gebräuchlichen Vokabeln vom anglo-amerikanischen Terrorangriff auf Dresden und dem von den amerikanischen Luftgangstern. 2006 ist es noch mehr ein Zufall, dass es den Gegenprotesten gelingt, die Nazis in ihrem Triumphmarsch nicht über die Elbe an der von ihnen gewünschten Stelle passieren zu lassen.
Es wird bis 2010 brauchen, dass dieser Naziaufmarsch nicht im von den NPD und JLO geplanten Umfang stattfinden kann. Seit 2007 gibt es auch Auseinandersetzungen, wann und wie der Tag zu begehen sei. Inzwischen ist erkennbar, dass sich ganz dem ursprünglichen Gedanken der Revisionisten entsprechend die Haltung durchsetzt, den 13. Februar direkt als Veranstaltungstag zu etablieren.
Wie bereits ausgeführt findet ja genau an diesem Tag auch von offizieller Seite der seit Jahrzehnten von der rechten Szene und ihren Sympathisanten geforderte nationale Gedenktag mit allen Protokollehren statt, auch unter einer auch vom Verfasser nicht zu verstehenden Teilnahme der heutigen militärischen und hoheitlichen Vertreter der damals Gott Sei Dank erfolgreichen Antihitlerkoalition.
Hoffen wir auf starke Gegenproteste auch 2011, hoffen wir auf eine zukünftige Erkenntnis, dass kein ungeeigneter Tag wie der 13. Februar eine offizielle Beachtung verdient, außer tiefe Scham und die Hoffnung auf Vergebung.
Danilo Starosta
AG Mythos Dresden, eine Initiative infolge Geh Denkens 2009
Dresden, 10.2. 2011
Weiterführend zu Dresden : mythosundgeschichte.blogsport.de
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