Der wissenschaftliche Beirat von SdR: Manfred Walter

Wann begin­nt man sich als Antifaschist zu fühlen? Wann begin­nt antifaschis­tis­ches Engage­ment? Gibt es da ein Schlüs­sel­er­leb­nis? Die Fra­gen sind für manche leicht zu beant­worten, für andere wiederum nicht. Ich zäh­le mich zu den Anderen.

Das „Wer­den“ des Man­fred W. zum aktiv­en Antifaschis­ten war ein dynamis­ch­er Prozess. Ich habe mich in den let­zten Tagen sehr inten­siv damit auseinan­derge­set­zt, um diesen Zeilen eine gewisse Quin­tes­senz zu geben. Das erste Mosaik­steinchen war sich­er das Erler­nen der Kul­turtech­nik „Lesen“. Das klingt jet­zt sehr banal. Eines der ersten Büch­er, die mich als Kind faszinierten, war ein dick­er, fet­ter Schmök­er über den Zweit­en Weltkrieg mit ein­er Unmenge Fotos. Es war die Fasz­i­na­tion des Destruk­tiv­en, des Zer­stören­den, das mich als Volkss­chüler in den Bann zog.

Ein Satz meines Onkels brachte mich dann dazu, mich mit der Vor- und auch der Nachgeschichte des Zweit­en Weltkriegs näher zu befassen. „In einem Krieg ist nie­mand Sieger“, antwortete er auf meine Frage, wer denn gewon­nen hätte. Dieser Moment war vielle­icht die Ini­tialzün­dung, der Beginn ein­er lan­gen Entwick­lung zu dem überzeugten Antifaschis­ten, der ich heute bin. Die Bilder von Zer­störung, die Berichte über das größte Men­schheitsver­brechen, die ver­het­zende Pro­pa­gan­da haben eine nach­haltige Wirkung auf mich gehabt. Schon als Kind, als Teenag­er wusste ich, dass ich diese Hölle nicht auch erleben wollte.

Als 1986 Jörg Haider die Macht in der FPÖ erlangte, war ich bere­its poli­tisch sozial­isiert. Seine Pro­gram­matik, seine Reden, seine Rhetorik erin­nerten mich zu sehr an das Dritte Reich, um diesen Mann mit einem Schul­terzuck­en hinzunehmen, und der junge Man­fred begann sich ganz offen, öffentlich und aktiv gegen den neuen Faschis­mus zu stellen. Und das mach ich aus tief­ster Überzeu­gung bis heute.

Jedoch hat sich in der Ver­bre­itung neo­faschis­tis­ch­er Pro­pa­gan­da vieles geän­dert. Waren es in mein­er Jugend noch haupt­säch­lich Hin­terz­im­mer in Wirtshäusern und Woh­nun­gen von Nazi­ak­tivis­ten, hat das Inter­net die Ver­bre­itung extrem erle­ichtert. Elek­tro­n­is­che Medi­en und hier vor allem die sozialen Plat­tfor­men tra­gen die Inhalte der Neo­faschis­ten in jedes Wohnz­im­mer, auf jedes mobile Gerät. Hier ent­ge­gen­zuhal­ten, da bedarf es eines lan­gen Atems und ein­er noch dick­eren Haut.

Als ein paar Fre­undIn­nen und ich vor eini­gen Jahren die Ini­tia­tive Heimat ohne Hassins Leben gerufen haben, wur­den Dinge, die heute ganz selb­stver­ständlich öffentlich gesagt wer­den, noch in ver­steck­ten, geheimen Zirkeln gepostet und kom­men­tiert. Und ein Ende dieser human­is­tis­chen Abwärtsspi­rale ist noch nicht abzuse­hen. Daher wird es auch weit­er­hin wichtig sein, dage­gen­zuhal­ten, aufzuk­lären und die TäterIn­nen zu benen­nen. Karl Öllinger und stopptdierechten.at haben diesen lan­gen Atem und diese dicke Haut. Deshalb bin ich sehr gerne und sehr geehrt der Bitte nachgekom­men, mich im Rah­men der Reor­gan­i­sa­tion von „SdR“ im Beirat der Plat­tform einzubringen.

Manfred Walter, Sprecher "Heimat ohne Hass"

Man­fred Wal­ter, Sprech­er „Heimat ohne Hass”

Man­fred Wal­ter (Jg. 1968) ist im Ursprungs­beruf Elek­trik­er und derzeit stel­lvertre­tender Betrieb­sratsvor­sitzen­der für das all­ge­meine Per­son­al an der Johannes Kepler Uni­ver­sität, Bun­desvor­sitzen­der der Unab­hängi­gen Gew­erkschaf­terIn­nen im öffentlichen Dienst (UGÖD) und Sprech­er der Ini­tia­tive gegen Recht­sex­trem­is­mus und Frem­den­feindlichkeit in den Sozialen Medi­en „Heimat ohne Hass“