Der lange Atem politischer Bildung

Der kür­zlich erschienene Sam­mel­band „Kri­tik, Aufk­lärung und poli­tis­che Inter­ven­tion“ trägt Auf­sätze, Essays und Forschungs­berichte des deutschen Erziehungswis­senschafters Klaus Ahlheim zusam­men und macht sie in gesam­melter Form einem bre­it­eren Pub­likum zugänglich. In den ver­gan­genen drei Jahrzehn­ten lieferte Ahlheim, der heute, wie es auch im Vor­wort von Ulrich Klemm heißt, „zu den renom­miertesten Vertretern der poli­tis­chen Erwach­se­nen­bil­dung“ gehört, immer wieder wichtige Argu­mente zur Bew­er­tung der Ten­den­zen und Entwick­lun­gen poli­tis­ch­er Bil­dungsar­beit. Als oft­mals „unbe­que­mer Wis­senschafter“ bohrte er nicht sel­ten nach, wo es weh tat und set­zte dadurch wichtige Impulse für die The­o­riediskus­sion sein­er Diszi­plin. Aus­ge­hend von Prämis­sen der kri­tis­chen The­o­rie und somit der Aufk­lärung und Erziehung zur Mündigkeit unter­zog er sowohl die poli­tis­che Bil­dung als auch die Erwach­se­nen­bil­dung im Beson­deren ein­er kri­tis­chen Reflex­ion und schrieb damit auch gegen die Aufk­lärungsskep­sis und Kri­tik­müdigkeit sein­er Diszi­plin an.

Ahlheim set­zte zudem wichtige Inter­ven­tio­nen in Weit­er­bil­dungs­de­bat­ten, indem er beispiel­sweise Zusam­men­hänge zwis­chen Qual­i­fizierungsansprüchen des Arbeits­mark­tes und Bil­dungs­be­mühun­gen sowie Funk­tion­al­isierun­gen, Ver­w­er­tung­s­ten­den­zen und Instru­men­tal­isierun­gen durch die poli­tis­chen Entscheidungsträger_innen mas­siv in Frage stellte. Dem ent­ge­gen machte er sich dafür stark, dass die poli­tis­che Erwach­se­nen­bil­dung kein mark­tkon­formes Dien­stleis­tungs­geschäft sein dürfe, son­dern vielmehr ein „Selb­ster­hal­tung­sun­ter­fan­gen demokratis­ch­er Gesellschaften“ sein müsse.

In seinem frühen Werk bis heute set­zte sich Ahlheim neben Anti­semitismus, Schlussstrich­men­tal­itäten und Diskursen über deutschen Nation­al­stolz auch mit Recht­sex­trem­is­mus als Her­aus­forderung der poli­tis­chen Bil­dung auseinan­der. Bere­its in den 1990er zeigte er auf, dass „poli­tisch aufk­lärende und ratio­nale Bil­dung“ „[g]egen Vorurteilsstruk­turen und Sün­den­bock­mech­a­nis­men, […] gegen Recht­sex­trem­is­mus in sein­er organ­isierten Form, […] zunächst vergebens“ argu­men­tiere. Poli­tis­che Bil­dung brauche „deshalb einen lan­gen Atem“ und müsse ihre weni­gen Chan­cen bess­er nutzen. Wie viele andere hob auch er her­vor, dass poli­tis­che Bil­dungsar­beit bere­its im Vor­feld „Kon­flik­t­fähigkeit, demokratis­ches Bewusst­sein und Han­deln stärken“ sollte.

Der fast 500 Seit­en umfassende Ein­blick in und Rück­blick auf das Lebenswerk Ahlheims ver­sam­melt fol­glich nicht nur kri­tis­che Beiträge zur Bil­dungswis­senschaft, son­dern zeigt vor allem auch auf, dass viele von Ahlheim ange­sproch­ene Her­aus­forderun­gen der Erziehungswis­senschaften bis heute nicht an Aktu­al­ität einge­büßt haben. Vorzuw­er­fen ist ihm lediglich, dass er seinen Blick zwar auf die Begren­zung von Bil­dungschan­cen durch die soziale Herkun­ft richtete, geschlechtsspez­i­fis­che Analy­sen in seinem Werk jedoch weit­erge­hend aus­bleiben und Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund eher als Objekt statt als Sub­jek­te poli­tis­ch­er Bil­dungs­be­stre­bun­gen berück­sichtigt werden.

Ahlheim, Klaus (2016): Kri­tik, Aufk­lärung, Inter­ven­tion. Gesam­melte Auf­sätze zur Erwach­se­nen­bil­dung. Ulm: Klemm & Oelschläger. Link zum Verlag.

Buch­cov­er „Kri­tik, Aufk­lärung, poli­tis­che Inter­ven­tion” — Bildquelle: Ver­lag