Steyr (OÖ): Reichstrunkenbold Ley geistert als Ehrenbürger herumLesezeit: 2 Minuten

Es ist immer wie­der das Glei­che: Die Auf­ar­bei­tung der Nazi-Ver­­­gan­­gen­heit auf regio­na­ler und loka­ler Ebe­ne ist bes­ten­falls die Ange­le­gen­heit von enga­gier­ten His­to­ri­ke­rIn­nen, in den meis­ten Fäl­len aber etwas, mit dem man nichts zu tun haben will. Steyr hat schon in den ers­ten Tagen der NS-Her­r­­schaft Robert Ley, dem Reichs­trun­ken­bold und Chef der Deut­schen Arbeits­front, die […]

29. Sep 2011

Braunau/Inn hat sei­ne ver­ges­se­ne oder ver­schlamp­te Ehren­bür­ger­schaft für Adolf Hit­ler pro­blem­los über einen Beschluss des Gemein­de­rats annul­liert. Die Brau­nau­er Zeit­ge­schich­te-Tage, die erst kürz­lich wie­der unter dem Titel „Schwie­ri­ges Erbe“ statt­ge­fun­den haben, zei­gen, dass sich Brau­nau nicht nur über einen Beschluss der Hit­ler-Bür­de ent­le­digt, son­dern sich aktiv mit sei­ner Ver­gan­gen­heit auseinandersetzt.

In Steyr reagiert man so, wie man eigent­lich nicht mehr reagie­ren kann. Nach­dem der Steyr-Grü­nen-Chef Kurt Apfel­tha­ler im Rat­haus wegen der Ehren­bür­ger­schaft für Robert Ley Nach­for­schun­gen ange­regt hat­te, wur­de ihm von der Magis­trats­di­rek­ti­on mit­ge­teilt, dass man nir­gend­wo auf eine Ehren­bür­ger­schaft Leys gesto­ßen sei. Das ist nicht über­ra­schend, denn die Archi­ve wur­den in vie­len Gemein­den ent­we­der in den letz­ten Tagen der Nazi-Herr­schaft oder in den ers­ten Tagen nach der Befrei­ung gründ­lich von belas­ten­den Mate­ria­li­en gesäu­bert. Erschwe­rend für eine For­schung kommt noch hin­zu, dass über vie­le Doku­men­te das „Amts­ge­heim­nis“ gebrei­tet wird. In Steyr etwa ver­fügt der Stadt­ar­chi­var über einen Fun­dus, der nur bis zum Jahr 1870 reicht: „Doku­men­te jün­ge­ren Datums bewahrt die Regis­tra­tur auf, die dem Amts­ge­heim­nis unter­liegt“, berich­ten die OÖN (28.9.2011) unter Beru­fung auf einen His­to­ri­ker, der lie­ber unge­nannt blei­ben will.

Dabei ist die Fak­ten­la­ge im Fal­le des Ehren­bür­gers Robert Ley nicht schlecht. Die gleich­ge­schal­te­ten Nazi-Medi­en „Tages­post“, „Lin­zer Volks­blatt“ und „Wie­ner Zei­tung“ berich­ten über­ein­stim­mend am 4. April 1938, dass Ley, der Anfang April 1938 Steyr sei­ne Auf­war­tung gemacht hat­te, die Ehren­bür­ger­schaft ver­lie­hen wur­de bzw. er die Paten­schaft über die Stadt über­nom­men hat.

Der His­to­ri­ker Karl-Heinz Rauscher, Vor­stands­mit­glied bei MAN, schreibt in sei­nem Buch über die NS-Zeit in Steyr, wo er die Paten­schafts­ur­kun­de fak­si­mi­liert wie­der­ge­ge­ben hat: „Fak­tum ist, dass sich die Paten­schafts­ur­kun­de für Ley nicht von selbst in Schön­schrift gepin­selt hat“, schrei­ben die OÖN süf­fi­sant und ergän­zen in einem Kom­men­tar: „Das soll­te jetzt schnell gehen, wor­auf war­tet man im Rat­haus noch?“

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