Steyr (OÖ): Reichstrunkenbold Ley geistert als Ehrenbürger herum

Es ist immer wieder das Gle­iche: Die Aufar­beitung der Nazi-Ver­gan­gen­heit auf regionaler und lokaler Ebene ist besten­falls die Angele­gen­heit von engagierten His­torik­erIn­nen, in den meis­ten Fällen aber etwas, mit dem man nichts zu tun haben will. Steyr hat schon in den ersten Tagen der NS-Herrschaft Robert Ley, dem Reich­strunk­en­bold und Chef der Deutschen Arbeits­front, die Ehren­bürg­er­schaft ver­liehen. Doch heute will nie­mand etwas davon wis­sen oder gewusst haben.

Braunau/Inn hat seine vergessene oder ver­schlampte Ehren­bürg­er­schaft für Adolf Hitler prob­lem­los über einen Beschluss des Gemein­der­ats annul­liert. Die Brau­nauer Zeit­geschichte-Tage, die erst kür­zlich wieder unter dem Titel „Schwieriges Erbe“ stattge­fun­den haben, zeigen, dass sich Brau­nau nicht nur über einen Beschluss der Hitler-Bürde entledigt, son­dern sich aktiv mit sein­er Ver­gan­gen­heit auseinandersetzt.

In Steyr reagiert man so, wie man eigentlich nicht mehr reagieren kann. Nach­dem der Steyr-Grü­nen-Chef Kurt Apfelthaler im Rathaus wegen der Ehren­bürg­er­schaft für Robert Ley Nach­forschun­gen angeregt hat­te, wurde ihm von der Mag­is­trats­di­rek­tion mit­geteilt, dass man nir­gend­wo auf eine Ehren­bürg­er­schaft Leys gestoßen sei. Das ist nicht über­raschend, denn die Archive wur­den in vie­len Gemein­den entwed­er in den let­zten Tagen der Nazi-Herrschaft oder in den ersten Tagen nach der Befreiung gründlich von belas­ten­den Mate­ri­alien gesäu­bert. Erschw­erend für eine Forschung kommt noch hinzu, dass über viele Doku­mente das „Amts­ge­heim­nis“ gebre­it­et wird. In Steyr etwa ver­fügt der Stadtarchivar über einen Fun­dus, der nur bis zum Jahr 1870 reicht: „Doku­mente jün­geren Datums bewahrt die Reg­i­s­tratur auf, die dem Amts­ge­heim­nis unter­liegt“, bericht­en die OÖN (28.9.2011) unter Beru­fung auf einen His­torik­er, der lieber unge­nan­nt bleiben will.

Dabei ist die Fak­ten­lage im Falle des Ehren­bürg­ers Robert Ley nicht schlecht. Die gle­ichgeschal­teten Nazi-Medi­en „Tage­s­post“, „Linz­er Volks­blatt“ und „Wiener Zeitung“ bericht­en übere­in­stim­mend am 4. April 1938, dass Ley, der Anfang April 1938 Steyr seine Aufwartung gemacht hat­te, die Ehren­bürg­er­schaft ver­liehen wurde bzw. er die Paten­schaft über die Stadt über­nom­men hat.

Der His­torik­er Karl-Heinz Rausch­er, Vor­standsmit­glied bei MAN, schreibt in seinem Buch über die NS-Zeit in Steyr, wo er die Paten­schaft­surkunde fak­sim­i­liert wiedergegeben hat: „Fak­tum ist, dass sich die Paten­schaft­surkunde für Ley nicht von selb­st in Schön­schrift gepin­selt hat“, schreiben die OÖN süff­isant und ergänzen in einem Kom­men­tar: „Das sollte jet­zt schnell gehen, worauf wartet man im Rathaus noch?“