FPÖ Haimbuchner: Attersee, Aufrüstung und Ausgleichszulage

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Seit Tagen hat Man­fred Haim­buch­ner, der Spit­zen­kan­di­dat der FPÖ in Ober­ös­ter­reich, ein Pro­blem: eine Publi­ka­ti­on, die von ihm her­aus­ge­ge­ben wur­de und den auf­rüt­teln­den Titel „Mut zur Wahr­heit“ trägt. Mitt­ler­wei­le will Haim­buch­ner näm­lich mit dem „Mut zur Wahr­heit“ nicht mehr viel zu tun haben und spricht von einer „Schmutz­kü­bel­kam­pa­gne“ der SPÖ. Dabei könn­te Haim­buch­ners Bro­schü­re FPÖ-Fans tat­säch­lich die Augen öffnen.

Eigent­lich sind es zwei Her­aus­ge­ber, die im Rah­men des „Atter­see-Krei­ses“ die Publi­ka­ti­on „Mut zur Wahr­heit“ her­aus­ge­ge­ben haben: der schon erwähn­te Man­fred Haim­buch­ner und Alo­is Gra­dau­er. Gra­dau­er war bis 2013 Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter und Bud­get­spre­cher der FPÖ. Jetzt darf der Alte Herr der fach­stu­den­ti­schen Ver­bin­dung Baju­va­ria Linz dem wie­der­be­leb­ten Atter­see-Kreis als Prä­si­dent vorstehen.

Haim­buch­ner hat den Atter­see-Kreis, der vor vie­len Jah­ren ein klei­nes Refu­gi­um für die in der FPÖ ver­blie­be­nen (Wirt­schafts-) Libe­ra­len war, 2013 wie­der­be­lebt. 1986, als Hai­der die FPÖ über­nahm, hat­te sich der Atter­see-Kreis auf­ge­löst. Die Neu­grün­dung war als bewuss­tes Signal an rechts­li­be­ra­le Wäh­ler gedacht, aber die OÖN mut­maß­ten schon damals, dass das auch ins Auge gehen könn­te: „Ein Signal an rechts­li­be­ra­le Wäh­ler mag wahl­stra­te­gisch auch Sinn erge­ben – wenn­gleich sich beim FP-Natio­nal­rats­wahl­kampf wohl erneut die Fra­ge stel­len wird, inwie­weit sich bür­ger­li­cher Libe­ra­lis­mus mit so man­chem Pla­kat­slo­gan ver­ein­ba­ren lässt.“

Zum Pro­blem wur­de jetzt nicht ein Pla­kat­slo­gan, son­dern die Publi­ka­ti­on, in deren Vor­wort sich Gra­dau­er und Haim­buch­ner noch klar dazu bekannt haben, sich den „drän­gen­den Her­aus­for­de­run­gen“ zu stellen.

Katalog der blauen Grausamkeiten

Drän­gend, so die bei­den Her­aus­ge­ber, ist etwa „ein Pen­si­ons­sys­tem, wel­ches durch die Ein­nah­men aus den Bei­trä­gen schon lan­ge nicht mehr finan­ziert wer­den kann“, drän­gend auch die angeb­li­che Gefähr­dung unse­rer indus­tri­el­len Grund­la­ge, unse­res Wohl­stan­des „mit­tels hoher Steu­ern, hoher Umwelt­auf­la­gen und auf­grund absur­der Kli­ma­schutz­vor­schrif­ten“, drän­gend, aber schwie­rig auch, „in Zei­ten von Spar­bud­gets und schwä­cheln­der Kon­junk­tur, den Wäh­lern die Not­wen­dig­keit der Wider­auf­rüs­tung klar­zu­ma­chen“.

Da bleibt kein Auge tro­cken! Schließ­lich sind das nicht Zita­te von irgend­wem, son­dern von den bei­den Her­aus­ge­bern Gra­dau­er und Haim­buch­ner. Auf Face­book ver­sucht Haim­buch­ner jetzt die Kehrt­wen­de: „Die hyper-ner­vö­se SPÖ (betreibt) eine fei­ge Schmutz­kü­bel-Kam­pa­gne gegen unse­re Par­tei, wel­che auf rei­nen Unwahr­hei­ten beruht!“


Eine der Forderungen

Die SPÖ bzw. die sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Gewerk­schaf­te­rIn­nen (FSG OÖ) haben einen Fly­er in Umlauf gebracht, der die wich­tigs­ten Punk­te aus dem sozi­al­po­li­ti­schen For­de­rungs­pro­gramm der Haim­buch­ner-Publi­ka­ti­on beschreibt:

  • Erhö­hung des Pensionsantrittsalters
  • Nied­ri­ge­re Pensionen
  • Ein­füh­rung der Wehr­pflicht für Frau­en usw.

Nicht alles, was die SPÖ-Gewerk­schaf­te­rIn­nen da beschrei­ben, steht exakt so in der Publi­ka­ti­on, im Unter­ka­pi­tel „Kata­log der unver­meid­li­chen Maß­nah­men“. So wird dort nicht die „Abschaf­fung sämt­li­cher Kam­mern“ gefor­dert, son­dern die Abschaf­fung der Pflicht­mit­glied­schaft und der Pflicht­bei­trä­ge (Punkt 9). Klar ist aber auch, dass das jeden­falls ziem­lich sicher das Ende der Arbei­ter­kam­mern bedeu­ten wür­de. Wer will das? In der Ver­gan­gen­heit immer wie­der die FPÖ.

Man­ches aus dem blau­en Kata­log der Grau­sam­kei­ten ist sogar viel ärger, als das die knap­pe Punk­ta­ti­on der FSG zeigt.

Absenkung der Mindestpension (Ausgleichszulage) von 870 auf 560 Euro

„Aus­gleichs­zu­la­gen und Min­dest­ein­kom­men (die in Öster­reich der­zeit weit über dem euro­päi­schen Schnitt lie­gen) dür­fen höchs­tens 65 Pro­zent des nied­rigs­ten Kol­lek­tiv­ver­trags-Voll­zeit­lohns betra­gen“, heißt es beim „Mut zur Wahr­heit“ von Haimbuchner/Gradauer (Punkt 7). Ein Ham­mer! Der nied­rigs­te Kol­lek­tiv­ver­trags­lohn liegt bei skan­da­lö­sen 200 Euro pro Woche, also monat­lich weit unter 900 Euro, das wür­de eine Absen­kung der Aus­gleichs­zu­la­ge bei der Pen­si­on von rund 870 auf 560 Euro brut­to bedeuten.

Bei der eben­falls gefor­der­ten Absen­kung der Min­dest­ein­kom­men neh­men wir zuguns­ten der Autoren an, dass sie nicht wis­sen, wovon sie schrei­ben. Eine Absen­kung der Min­dest­ein­kom­men wür­de ja wohl eine dra­ma­ti­sche Beschleu­ni­gung der Ein­kom­mens­spi­ra­le nach unten bedeu­ten. Wir neh­men an, dass eigent­lich die Min­dest­si­che­rung gemeint ist – was die For­de­rung nicht bes­ser macht.

Ausgleichzulage erst ab 70, Aufrüstung sofort?

Etwas ver­steckt, aber nicht weni­ger bru­tal: Eine Aus­gleichs­zu­la­ge soll man erst ab 70 (Punkt 4) erhal­ten. Mit die­sen For­de­run­gen (ins­ge­samt sind es 22 Punk­te) will Haim­buch­ner nichts mehr zu tun haben und putzt sich am Autor des Kapi­tels „Mut zu Sozi­al­re­for­men“, dem reak­tio­när-neo­li­be­ra­len Andre­as Unter­ber­ger, ab. „Inhalt­lich ist dies weder Par­tei­pro­gramm der FPÖ noch mei­ne per­sön­li­che Mei­nung“, schreibt Haim­buch­ner auf Face­book. Ach so? In sei­nem Vor­wort liest sich das aber anders. Die Distan­zie­rung gilt anschei­nend nur für die im Unter­ber­ger-Kapi­tel ange­spro­che­nen Punk­te, nicht aber für die For­de­run­gen nach Auf­rüs­tung und Abbau von „absur­den Klimaschutzvorschriften“.

Einfrieren der Familienbeihilfe

Aber selbst in sei­ner Distan­zie­rung wird sicht­bar, dass er eigent­lich schon hin­ter so man­chem steht, was Unter­ber­ger wie­der­gibt. So schreibt Haim­buch­ner in einer sei­ner zahl­rei­chen Distan­zie­rungs­er­klä­run­gen auf Face­book: „Ich set­ze mich unein­ge­schränkt für die Fami­li­en ein! Nur die Fami­lie sichert Öster­reichs Zukunft. Daher for­dern wir auch die Fami­li­en ver­stärkt zu för­dern und Steu­er­erleich­te­run­gen für Fami­li­en zu schaffen!“

Im „Mut zur Wahr­heit“ heißt es dazu sehr ähn­lich, nur etwas deut­li­cher (Punkt 8): „Die Fami­li­en­bei­hil­fen als Kopf­geld pro Kind wer­den zehn Jah­re lang ein­ge­fro­ren. Dafür wer­den für jedes Kind die Steu­er­las­ten der Eltern spür­bar reduziert.“

Das Ein­frie­ren der Fami­li­en­bei­hil­fen ver­schweigt Haim­buch­ner, aber auch, dass eine steu­er­li­che Ent­las­tung die Bes­ser­ver­die­nen­den begüns­ti­gen würde.

In einem ande­ren Punkt sei­ner Distan­zie­rung sagt Haim­buch­ner schlicht die Unwahr­heit. So behaup­tet er: „Die erwähn­ten Pen­si­ons­kür­zun­gen hat die SPÖ-geführ­te Regie­rung selbst vor­ge­nom­men!” Mas­si­ve Pen­si­ons­kür­zun­gen hat es nur durch die schwarz­blaue Regie­rung in den Jah­ren 2001, 2003 und 2004 gegeben.


Jetzt hät­ten wir nur noch ger­ne von Haim­buch­ner gewusst, wie vie­le Euro dem Andre­as Unter­ber­ger und den ande­ren Autoren für ihre Kampf­schrif­ten bezahlt wur­den: „Mut zur Wahr­heit“! Schließ­lich hat das Land Ober­ös­ter­reich dem blau­en „Atter­see-Kreis“ 2013 und 2014 mit Sub­ven­tio­nen hilf­reich unter die Arme gegrif­fen und für des­sen neo­li­be­ra­le Ergüs­se 5.000 Euro (2013) bzw. 55.000 Euro (2014) locker gemacht.