Antiziganismus im Vormarsch

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Am Sonn­tag, 6.10., wur­de noch der “Tag der Wür­de der Roma und Sin­ti“ mit Kund­ge­bun­gen in 15 euro­päi­schen Län­dern began­gen, am Mon­tag, 7.10. dis­ku­tier­te dann der Salz­bur­ger Stadt­se­nat über den Antrag der ÖVP auf eine schar­fe Anhe­bung der Geld­stra­fen für „wil­des Cam­pie­ren“ und auf EU-Ebe­ne wol­len vier Innen­mi­nis­ter Aus­wei­sungs­mög­lich­kei­ten für „Sozi­al­tou­ris­ten“ durch­set­zen.

Der Antrag der ÖVP im Salz­bur­ger Gemein­de­rat hät­te eine dras­ti­sche Erhö­hung der Geld­stra­fen für „wil­des Cam­pie­ren“ von 370 Euro auf bis zu 10.000 Euro, im Fall der „Unein­bring­lich­keit“ Ersatz­frei­heits­stra­fen bis zu 14 Tage, bedeu­tet. Nach Kri­tik der Bür­ger­lis­te (Grü­ne) wur­de die Neu­fas­sung der Cam­pier­ver­ord­nung zunächst ein­mal ver­scho­ben. Die „Salz­bur­ger Nach­rich­ten“ (8.10.2013) wis­sen auch, gegen wen sich der Antrag der ÖVP gerich­tet hätte:

„Das Gesetz wür­de haupt­säch­lich Roma und Sin­ti betref­fen“ (SN, 8.10.13).

Glei­ches gilt für die Initia­ti­ve von vier Innen­mi­nis­tern der Euro­päi­schen Uni­on, die sich Aus­wei­se­mög­lich­kei­ten für „Sozi­al­tou­ris­ten“ wün­schen. Die Res­sort­chefs aus Groß­bri­tan­ni­en, Deutsch­land, Nie­der­lan­de und Öster­reich wol­len beim Minis­ter­rat am 8.10. dar­über dis­ku­tie­ren und von der EU-Kom­mis­si­on Schrit­te ein­for­dern. Die „Pres­se“ schreibt dazu:

„Im Visier ste­hen vor allem Roma und Sin­ti aus Rumä­ni­en und Bul­ga­ri­en, die angeb­lich nach West­eu­ro­pa pil­gern, um dort von der Not­stands­hil­fe zu leben“ (Presse,7.10.13).

Die kon­ser­va­ti­ve „Pres­se“ legt auch die Moti­ve der vier Innen­mi­nis­ter offen: in Groß­bri­tan­ni­en und den Nie­der­lan­den wol­len sich die Regie­run­gen damit gegen­über den Rechts­po­pu­lis­ten von UKIP und Geert Wil­ders‘ Frei­heits­par­tei pro­fi­lie­ren, in Deutsch­land gibt es in meh­re­ren Städ­ten „Pro­blem­zo­nen“, die mit dem Woh­nen ver­knüpft sind, und die öster­rei­chi­sche Innen­mi­nis­te­rin gibt offen zu, dass es zwar kei­ne Pro­ble­me mit dem Miss­brauch von Sozi­al­leis­tun­gen gebe, aber Öster­reich mit den ande­ren drei Län­dern soli­da­risch (!!) sein wol­le. Unab­hän­gig von die­ser Initia­ti­ve haben auch die fran­zö­si­schen Sozi­al­de­mo­kra­ten und hier vor allem deren Innen­mi­nis­ter Valls die anti­zi­ga­nis­ti­sche Rhe­to­rik mas­siv ver­schärft, um so vor allem dem Front Natio­nal zu kon­tern. Eine kata­stro­pha­le Poli­tik, wie Ste­fan Bränd­le in einem „Standard“-Kommentar fest­stellt. Es braut sich was zusam­men in Europa!

Die Atta­cken auf fah­ren­de Roma, die auf einem geneh­mig­ten Lager­platz in Bischofs­ho­fen cam­pie­ren woll­ten, zei­gen , dass mit Hil­fe eini­ger rech­ter Ein­peit­scher auch hier­zu­lan­de offe­ner aggres­si­ver Anti­zi­ga­nis­mus, der sogar wie­der Ver­nich­tungs­phan­ta­sien frei­setzt, mög­lich ist.

In der „Pres­se“ for­dert ein Gast­kom­men­tar von Karo­li­na Wigu­ra („Wie Roma immer wei­ter an den Rand gedrängt wer­den“) eine ande­re euro­päi­sche Stra­te­gie gegen­über den Roma als die „der Igno­ranz und Depor­ta­ti­on“ und schließt mit dem Satz:

„Es wäre an der Zeit, kri­tisch nicht nur über das aggres­si­ve Ver­hal­ten natio­na­lis­ti­scher Grup­pen gegen­über den Roma nach­zu­den­ken, son­dern auch über die ähn­lich aggres­si­ve Rhe­to­rik von Poli­ti­kern des poli­ti­schen Zen­trums“.

Die „Neue Zür­cher Zei­tung“ (8.10.13) setzt sich in einem aus­führ­li­chen Bei­trag („Rom a? Sin­ti? Zigeu­ner?“) mit der media­len und p0olitischen Wahr­neh­mung der Roma:

„Anstatt die real exis­tie­ren­den Pro­ble­me als sol­che zu erken­nen und dar­auf mit sozi­al­po­li­ti­schen Maß­nah­men zu regie­ren, erfolgt sei­tens der Behör­den und Medi­en oft nur die Flucht in ein poli­tisch kor­rek­tes Voka­bu­lar, um zumin­dest so guten Wil­len zu bewei­sen“.