Ungarn: Antisemitischer Schulterschluss

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Das Rezept ist bekannt aus Öster­reich: Kri­tik aus dem Aus­land wird umge­polt in Mobi­li­sie­rung gegen den inne­ren Feind, die Vater­lands­ver­rä­ter, Nest­be­schmut­zer und „Cham­pag­nis­ie­rer“. So gesche­hen im Jahr 2000, wo Schwarz-Blau ziem­lich erfolg­reich den Schul­ter­schluss, die „Wagen­burg“ praktizierte.

Der Schul­ter­schluss funk­tio­niert auch in Ungarn. Vik­tor Orbán und sei­ne Regie­rungs­par­tei FIDESZ wie­der­ho­len ihn gera­de wie­der, ange­rei­chert durch eine wider­li­che anti­se­mi­ti­sche Kam­pa­gne gegen Kri­ti­ker der jüngs­ten unga­ri­schen poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen (Medi­en­ge­setz). Der Mit­be­grün­der der Regie­rungs­par­tei FIDESZ, der Publi­zist und „Fäkal-Anti­se­mit“ (Karl Pfei­fer in der „Pres­se“) Zsolt Bay­er, ant­wor­te­te in der regie­rungs­na­hen Tages­zei­tung Magyar Hir­lap mit bei­spiel­lo­ser ras­sis­ti­scher Hetze.

Ernst Stras­ser, Dele­ga­ti­ons­lei­ter der ÖVP im EU-Par­la­ment, ist auf sei­nem Weg nach rechts noch ein Stück wei­ter­ge­kom­men. Bei der Debat­te im Euro­päi­schen Par­la­ment fühl­te er sich sofort an den öster­rei­chi­schen Schul­ter­schluss erin­nert: „Ich spre­che mich ganz ent­schie­den gegen Vor­ver­ur­tei­lun­gen gegen­über der unga­ri­schen Prä­si­dent­schaft aus. Eini­ge Wort­mel­dun­gen von den Sozia­lis­ten und den Grü­nen erin­nern mich an die unge­rech­ten Sank­tio­nen gegen Öster­reich im Jahr 2000.” Wäre es nicht so bit­ter, könn­te man sich die­se Wor­te ein­zeln auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen: „Vor­ver­ur­tei­lung“, „unge­recht“! Um in der Dik­ti­on eines ehe­ma­li­gen Gene­ral­se­kre­tärs der ÖVP zu blei­ben: Solan­ge nicht bewie­sen ist, dass der Vik­tor Orbán eigen­hän­dig sechs Juden erwürgt hat, ist er unschuldig!

Schar­fe Kri­tik an den anti­se­mi­ti­schen Pöbe­lei­en kam in Öster­reich von Elfrie­de Jeli­nek, Peter Tur­ri­ni und Micha­el Scharang:

Andras Schiff [er wur­de gemein­sam mit Dani­el Cohn-Ben­dit, Nick Cohen und den „Kohns“ in der Welt nament­lich genannt,Anmk. SdR.], der gro­ße unga­ri­sche Künst­ler, äußer­te sich kri­tisch gegen­über der Regie­rung sei­nes Lan­des und muss­te sich dar­auf­hin von einem engen Mit­ar­bei­ter Vik­tor Orb­ans sagen las­sen, es sei­en von Schiffs Vor­fah­ren offen­bar zu weni­ge umge­bracht wor­den. Die Regie­rung scheint ent­schlos­sen zu sein, das Ver­säum­te nach­zu­ho­len. Es ist unfass­bar, es ist skan­da­lös, es ist ent­setz­lich – es ist Realität.

Von Regie­rungs­sei­te äußer­te nur Medi­en­staats­se­kre­tär Oster­may­er ver­hal­ten Kri­tik an der unga­ri­schen Ent­wick­lung. Ansons­ten: Schwei­gen! Dabei wäre es gera­de jetzt, wäh­rend und nach der EU-Rats­prä­si­dent­schaft Ungarns, wich­tig, wie uns „Pusz­t­ar­an­ger“ aus­rich­tet, die Kri­tik zu ver­stär­ken: Die Sank­tio­nen für Ver­stö­ße gegen das Medi­en­ge­setz wur­den auf die Zeit nach der Rats­prä­si­dent­schaft ver­scho­ben. Die Lob­by­is­ten der unga­ri­schen Regie­rung, von den Diplo­ma­ten bis hin zu den Ungarn-Ver­ei­nen, machen mobil und schlu­cken dabei jede Men­ge Krei­de: Dem „Stan­dard“ (21.1.2011) ver­such­te der unga­ri­sche Bot­schaf­ter in Öster­reich ein­zu­re­den, die EU-Kom­mis­si­on ver­su­che zu ver­hin­dern, dass rechts­extre­me Web­sites (von denen es eini­ge gibt), die von aus­län­di­schen Ser­vern gehos­tet wer­den, dem unga­ri­schen Medi­en­ge­setz unter­lie­gen. Die unga­ri­schen Ver­ei­ne in Öster­reich (Zen­tral­ver­band) haben da kei­nen Genie­rer und appel­lie­ren an Öster­reichs Medi­en, die „unwür­di­ge Kam­pa­gne“ gegen Ungarn nicht zuzu­las­sen. (Quel­le: derstandard.at) In den Pos­tings auf standard.at wird dann nach­ge­legt: „Er (Schiff) soll halt woan­ders Kla­vier spie­len. Wo liegt das Problem?”

„Pusz­t­ar­an­ger“ weist noch auf einen ande­ren Aspekt der aktu­el­len Schul­ter­schluss-Kam­pa­gne hin: Die ver­ei­nig­te Rech­te Ungarns, die jetzt den Schul­ter­schluss ein­for­dert und jede Kri­tik aus In-und Aus­land denun­ziert, hat­te kein Pro­blem, in den Jah­ren der sozia­lis­ti­schen Regie­rung im Aus­land die feh­len­de Demo­kra­tie in Ungarn anzu­pran­gern. In Wien wur­den sogar Pres­se­kon­fe­ren­zen abge­hal­ten, in denen die Rechts­extre­mis­ten von Job­bik als Bür­ger­rechts­kämp­fer prä­sen­tiert wur­den. Die Rechts­an­wäl­tin Eva Maria Bar­ki, die auch die Job­bik-Kund­ge­bung in Ober­wart ange­mel­det hat und sonst mit Heinz-Chris­ti­an Stra­che für die Kapel­le im Ger­ia­trie­zen­trum Baum­gar­ten kämpft, hat etwa im Dezem­ber 2006 eine Pres­se­kon­fe­renz in Wien mit der spä­te­ren Job­bik-EU-Par­la­men­ta­rie­rin Krisz­ti­na Mor­vai gegen die „ungarn­feind­li­che“ (!), „kom­mu­nis­ti­sche neu­li­be­ra­le“ unga­ri­sche Regie­rung veranstaltet .