Verhetzung. Was ist das? Was kann ich dagegen tun?

Der Ver­het­zungspara­graph bestraft zwei unter­schiedliche Ver­hal­tensweisen. Grob gesagt, sollen ein­er­seits Äußerun­gen bestrafen wer­den, die auf die Her­beiführung von Gewalt oder Hass gegen bes­timmte Per­so­n­en und Per­so­n­en­grup­pen abzie­len, ander­er­seits sollen Äußerun­gen bestraft wer­den, die auf die Verächtlich­machung von Per­so­n­en­grup­pen abzielen.

Wen schützt der Verhetzungsparagraph?

Nicht alle Per­so­n­en und Per­so­n­en­grup­pen sind vom Ver­het­zungspara­graphen geschützt. Opfer ein­er Ver­het­zung kön­nen nur Per­so­n­en und Per­so­n­en­grup­pen sein, die anhand fol­gen­der Kri­te­rien definiert wer­den können:

  • Kirche/Religionsgemeinschaft: nicht auf geset­zlich anerkan­nte Kirchen und Reli­gion­s­ge­mein­schaften beschränkt. Eine genaue Abgren­zung gibt es hier nicht.
  • „Rasse“/Hautfarbe/Abstammung: Ange­hörige bes­timmter Grup­pen auf Grund deren äußer­lich erkennbar­er Merk­male. Oder Men­schen, die von solch ein­er Gruppe „abstam­men“.
  • Sprache: Sprachen aber auch Dialekte
  • Religion/Weltanschauung: Grup­pen, die durch ihre religiöse Überzeu­gung oder Weltan­schau­ung definiert werden.
  • Weltan­schau­ung: zB Pazifismus
  • Nationale/ethnische Herkun­ft: Anknüp­fungspunkt ist die Volkszugehörigkeit
  • Staat­sange­hörigkeit: Im Gegen­satz zu „Rasse“/Hautfarbe/Abstammung oder nationaler/ethnischer Herkun­ft wird hier auf die rechtliche Mit­glied­schaft ein­er Per­son zu einem Staat abgestellt.
  • Geschlecht: Frauen, Män­ner, Trans­sex­uelle, Inter­sex­uelle, etc…
  • Behin­derung: „die Auswirkun­gen ein­er nicht nur vorüberge­hen­den kör­per­lichen, geisti­gen oder psy­chis­chen Funk­tions­beein­träch­ti­gung oder Beein­träch­ti­gung der Sin­nes­funk­tio­nen, die geeignet ist, die Teil­nahme am Leben in der Gesellschaft zu erschweren.“
  • Alter: Kinder, Pen­sion­is­ten, etc…
  • Sex­uelle Aus­rich­tung: LGBT etc…

Außer­dem sind auch jene Grup­pen mitum­fasst, die auf­grund ein­er fehlen­den Eigen­schaft Ziel ein­er het­zerischen Äußerung wer­den. Dem­nach kann eine Ver­het­zung etwa auch wegen Äußerun­gen auf­grund ein­er fehlen­der Staat­sange­hörigkeit (Aus­län­der) oder Reli­gion (Ungläu­biger) erfüllt sein.

Welche Äußerungen sind vom Verhetzungsparagraph umfasst?

Äußerun­gen sind nicht auf Het­zre­den beschränkt, auch Texte, Zeich­nun­gen in Inter­net, Flug­blät­ter, Briefe, Plakate, Graf­fi­ti oder Filme im Inter­net kön­nen eine Ver­het­zung bewirken.

 

Fall 1 –Aufrufen zu Gewalt und Aufstacheln zum Hass

  • Eine geschützte Gruppe (siehe oben) oder ein Mit­glied ein­er solchen Gruppe müssen betrof­fen sein.
  • Die Ver­het­zung muss öffentlich erfolgen.

Das heißt, sie muss für zumin­d­est 30 Per­so­n­en („viele Men­schen“) wahrnehm­bar sein. Ist sie für über 150 Per­so­n­en wahrnehm­bar, was ins­beson­dere bei der Bege­hung im Inter­net regelmäßig der Fall sein wird, dro­hen zudem stren­gere Strafen. Wahrnehm­barkeit bedeutet nicht, dass alle Per­so­n­en die Ver­het­zung auch tat­säch­lich wahrgenom­men haben müssen. Beispiel: Der Ver­het­zungspara­graph ist schon anwend­bar, wenn ein Post­ing für 100 Face­book-User sicht­bar ist, aber nur 10 davon es tat­säch­lich lesen.

  • Inhalt der Has­s­botschaft: Die Äußerung muss darauf gerichtet sein, andere zu konkreten Gewalthand­lun­gen zu bewe­gen bzw. bei anderen Has­s­ge­füh­le zu weck­en. Achtung: Für die Straf­barkeit ist es nicht erforder­lich, dass es tat­säch­lich in weit­er­er Folge zum konkreten Erfolg kommt! Kommt es in weit­er­er Folge allerd­ings zu konkreter Gewalt, dro­hen stren­gere Strafen.
    Beispiele: Aufruf zur Brand­s­tiftung von Asylquartieren (Gewalt), Ver­bre­itung falsch­er Gerüchte über sex­uelle Über­griffe durch bes­timmte Grup­pen (Hass), Auch das Leug­nen oder Recht­fer­ti­gen von Völk­er­mord, Ver­brechen gegen die Men­schlichkeit oder Kriegsver­brechen kann in diesem Zusam­men­hang eine Ver­het­zung darstellen, wenn dadurch Gewalthand­lun­gen oder Has­s­ge­füh­le bewirkt wer­den sollen.
  • Für alle Äußerun­gen gilt, dass der Täter einen Vor­satz braucht, tat­säch­lich ver­het­zen zu wollen. Das heißt, der Täter muss es zumin­d­est für möglich hal­ten und sich damit abfind­en, dass seine Äußerun­gen tat­säch­lich zu Gewalt oder Hass führen.
  • Son­der­fall Ver­bre­it­en: Wer fremdes het­zerisches Mate­r­i­al ver­bre­it­et oder ander­weit­ig öffentlich ver­füg­bar macht und kein Vor­satz zur Her­beiführung von Gewalt oder Hass nach­weis­bar ist, etwa weil sich die Per­son der Trag­weite ihrer Hand­lung nicht bewusst ist, macht sie sich möglicher­weise trotz­dem wegen Ver­het­zung straf­bar, wenn die Ver­bre­itung­shand­lung in gutheißen­der oder recht­fer­ti­gen­der Weise passiert ist (zB Teilen ein­er het­zerischen Karikatur auf Face­book inkl. gutheißen­den Kom­men­tierung). Hier gel­ten aber auf­grund des man­gel­nden konkreten Ver­het­zungsvor­satzes eine gerin­gere Strafdrohung.

 

Fall 2 –Beschimpfen und dadurch verächtlich machen:

  • Eine geschützte Gruppe (siehe oben) muss betrof­fen sein.
  • Die Ver­het­zung muss öffentlich erfol­gen, also für zumin­d­est 30 Per­so­n­en wahrnehm­bar sein. Bei über 150 Per­so­n­en dro­hen zudem stren­gere Strafen.
  • Inhalt der Ver­het­zung: Die Äußerun­gen muss geeignet sein, die Men­schen­würde der betrof­fe­nen Gruppe zu ver­let­zen und diese dadurch verächtlich zu machen.
  • Sollte es in weit­er­er Folge zu gewalt­täti­gen Über­grif­f­en kom­men, die auf die Beschimp­fung zurück­zuführen sind, dro­hen zudem härtere Strafen.
  • Die Äußerung muss darauf abzie­len, den Adres­sat­en in der Achtung sein­er Mit­men­schen als unwert oder unwürdig hinzustellen. Es muss dem Täter hier ger­adezu auf die Verächtlich­machung des Opfers ankom­men. Im Strafrecht heißt das Absichtlichkeit, was eine beson­dere – und lei­der auch nur schw­er nach­weis­bare – Form des Vor­satzes darstellt.

Die Men­schen­würde wird ver­let­zt, wenn dadurch den Ange­höri­gen der ange­grif­f­e­nen Gruppe unmit­tel­bar oder mit­tel­bar das Recht auf Men­sch­sein schlechthin abge­sprochen wird, indem ihnen etwa das Leben­srecht als gle­ich­w­er­tige Bürg­erIn­nen bestrit­ten wird. Auch, wenn sie als min­der­w­er­tige oder wert­lose Teile der Gesamt­bevölkerung dargestellt wer­den oder ein­er unmen­schlichen oder erniedri­gen­den Behand­lung unter­wor­fen wer­den sollen. Die Men­schen­würde wird auch durch die Gle­ich­stel­lung ein­er der geschützten Grup­pen mit als min­der­w­er­tig gel­tenden Tieren ver­let­zt („Sau­ju­den“, „Brut“). Auch genügt es, dass Ver­let­zun­gen der Men­schen­würde, die in naher oder fern­er Ver­gan­gen­heit stattge­fun­den haben, gut­ge­heißen werden.

Für die Straf­barkeit ist es nicht Voraus­set­zung, dass die adressierte Gruppe tat­säch­lich verächtlich gemacht wird. Die Tat muss aber ihrer Art und den konkreten Umstän­den nach geeignet sein, die Gruppe verächtlich zu machen.

Nicht umfasst sind Ehrver­let­zun­gen. Beispiel: „Die XXX sind zu faul zum Arbeit­en.“ Die Ehre ist zwar auch ein Per­sön­lichkeit­srecht. Aber nur wenn der Kern­bere­ich der Per­sön­lichkeit ver­let­zt wird, ist juris­tisch von ein­er Ver­let­zung der Men­schen­würde auszuge­hen. Beispiel „Scheiß-XXX, ihr gehört alle weg­geräumt,…“ Hier wird das Recht auf Leben abge­sprochen. Zweifel­sohne liegt das Recht auf Leben im Kern­bere­ich der Per­sön­lichkeit und wäre ein solch­es Has­s­post­ing strafbar.

Was kann ich tun, wenn ich einen Kommentar oder ein Posting lese, das verhetzt?

Wenn jemand eine Straftat ver­wirk­licht und die Behör­den davon erfahren, müssen sie von sich aus aktiv wer­den. Das erre­icht man durch eine form­lose Sachver­halts­darstel­lung („Anzeige“), in der der Sachver­halt wahrheits­gemäß wiedergegeben wird. Für Kom­mentare in Onlineme­di­en emp­fiehlt sich das Anfü­gen eines Screen­shots (Wie mache ich einen Screen­shot). Es genügt also ein ein­fach­es Schreiben, in dem beschrieben wird, was vorge­fall­en ist und die Per­son genan­nt wird, von der die Ver­het­zung aus­ge­ht. Kann diese Per­son nicht benan­nt wer­den, weil man nicht weiß wer es war, kann die Sachver­halts­darstel­lung auch gegen „unbekan­nte Täter“ erfol­gen. Auch, wenn der Anzeiger selb­st anonym bleibt, prüft die Behörde den Sachverhalt.

Die Anzeige kann an die Staat­san­waltschaft (Liste Staat­san­waltschaften) oder an die Polizei geschickt wer­den. Zuständig ist jew­eils die Staat­san­waltschaft in deren Spren­gel die Tat verübt wurde. Wird die Tat bei ein­er unzuständi­gen Staat­san­waltschaft oder Polizei­di­en­st­stelle angezeigt, ist die Behörde grund­sät­zlich dazu verpflichtet, die Anzeige an die zuständi­ge Behörde weiterzuleiten.

Vor­sicht! Eine falsche Verdäch­ti­gung ist eben­falls straf­bar (§ 297 Ver­leum­dung). Der/die AnzeigerIn sollte den Sachver­halt also auch unmit­tel­bar selb­st wahrgenom­men haben oder zuver­läs­sige Quellen haben, die den Vor­wurf bele­gen kön­nen. Es emp­fiehlt sich in diesem Zusam­men­hang auch, die Staat­san­waltschaft in der Anzeige aufzu­fordern, den beschriebe­nen Sachver­halt strafrechtlich zu über­prüfen, anstatt gle­ich selb­st in der Anzeige festzustellen, dass sich die angezeigte Per­son der Ver­het­zung schuldig gemacht hat!

Darüber hin­aus vertrete ich per­sön­lich die Mei­n­ung, dass nur dann Anzeigen erfol­gen soll­ten, wenn es man es für real­is­tisch möglich hält, dass eine Anzeige zu ein­er Verurteilung führen kann. Die Auseinan­der­set­zung mit recht­sex­tremen und islamistis­chen Het­zern soll nicht primär im Gerichtssaal mit dem Geset­zbuch stat­tfind­en, son­dern durch Argu­mente und Aktio­nen gewon­nen wer­den. Bedenke eine vorschnelle Anzeige, die dann von den Behör­den nicht ver­fol­gt wird, wird dann von diesen Pro­voka­teuren manch­mal auch noch als Bestä­ti­gung für ihr Ver­hal­ten gese­hen. Klar ist aber, wenn die Gren­ze des Geset­zes über­schrit­ten wird, macht eine Anzeige Sinn.

Wie lautet der Verhetzungsparagraph im Wortlaut?

283 StGB

(1) Wer öffentlich auf eine Weise, dass es vie­len Men­schen zugänglich wird,

  1. zu Gewalt gegen eine Kirche oder Reli­gion­s­ge­sellschaft oder eine andere nach den vorhan­de­nen oder fehlen­den Kri­te­rien der Rasse, der Haut­farbe, der Sprache, der Reli­gion oder Weltan­schau­ung, der Staat­sange­hörigkeit, der Abstam­mung oder nationalen oder eth­nis­chen Herkun­ft, des Geschlechts, ein­er kör­per­lichen oder geisti­gen Behin­derung, des Alters oder der sex­uellen Aus­rich­tung definierte Gruppe von Per­so­n­en oder gegen ein Mit­glied ein­er solchen Gruppe aus­drück­lich wegen der Zuge­hörigkeit zu dieser Gruppe auf­fordert, oder zu Hass gegen sie auf­s­tachelt, oder
  2. in der Absicht, die Men­schen­würde ander­er zu ver­let­zen, eine der in Z 1 beze­ich­neten Grup­pen in ein­er Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Mei­n­ung verächtlich zu machen oder her­abzuset­zen, oder
  3. Ver­brechen im Sinne der §§ 321 bis 321f, die von einem inländis­chen oder einem inter­na­tionalen Gericht recht­skräftig fest­gestellt wur­den, bil­ligt, leugnet, gröblich ver­harm­lost oder recht­fer­tigt, wobei die Hand­lung gegen eine der in Z 1 beze­ich­neten Grup­pen oder gegen ein Mit­glied ein­er solchen Gruppe aus­drück­lich wegen der Zuge­hörigkeit zu dieser Gruppe gerichtet ist und in ein­er Weise began­gen wird, die geeignet ist, zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mit­glied ein­er solchen Gruppe aufzustacheln,

ist mit Frei­heitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Wer die Tat nach Abs. 1 in einem Druck­w­erk, im Rund­funk oder son­st auf eine Weise bege­ht, wodurch die in Abs. 1 beze­ich­neten Hand­lun­gen ein­er bre­it­en Öffentlichkeit zugänglich wer­den, ist mit Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(3) Wer durch eine Tat nach Abs. 1 oder 2 bewirkt, dass andere Per­so­n­en gegen eine in Abs. 1 Z 1 beze­ich­nete Gruppe oder gegen ein Mit­glied ein­er solchen Gruppe wegen dessen Zuge­hörigkeit zu dieser Gruppe Gewalt ausüben, ist mit Frei­heitsstrafe von sechs Monat­en bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

  1. Wer, wenn er nicht als an ein­er Hand­lung nach den Abs. 1 bis 3 Beteiligter (§ 12) mit stren­ger­er Strafe bedro­ht ist, schriftlich­es Mate­r­i­al, Bilder oder andere Darstel­lun­gen von Ideen oder The­o­rien, die Hass oder Gewalt gegen eine in Abs. 1 Z 1 beze­ich­nete Gruppe oder gegen ein Mit­glied ein­er solchen Gruppe wegen dessen Zuge­hörigkeit zu dieser Gruppe befür­worten, fördern oder dazu auf­s­tacheln, in einem Druck­w­erk, im Rund­funk oder son­st auf eine Weise, wodurch diese ein­er bre­it­en Öffentlichkeit zugänglich wer­den, in gutheißen­der oder recht­fer­ti­gen­der Weise ver­bre­it­et oder ander­weit­ig öffentlich ver­füg­bar macht, ist mit Frei­heitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geld­strafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“

Liste aller Staatsanwaltschaften

Vor­lage für eine Sachverhaltsdarstellung

Die Fra­gen sind dem Blog von Albert Stein­hauser mit fre­undlich­er Genehmi­gung entnommen.