How to „Prozessreport”?

Du inter­essiert sich für Gericht­sprozesse und würdest dir gerne öfter welche anse­hen und davon bericht­en? Hier find­est du einige hil­fre­iche Tips, die du bei einem Besuch vor Gericht berück­sichti­gen solltest.

Termine finden

Grund­sät­zlich sind alle Ver­hand­lun­gen, die das Strafrecht betr­e­f­fen, öffentlich, das heißt, du kannst in der Regel im Vor­feld raus­find­en, an welchem Tag bei welchem Gericht welche Delik­te ver­han­delt wer­den. Eine Aus­nahme stellen beispiel­sweise sehr per­sön­liche Vernehmungen zum inti­men Lebens­bere­ich von Opfern, Angeklagten oder Zeug_innen dar, bei denen die Öffentlichkeit teil­weise oder gän­zlich aus­geschlossen wer­den kann. Nicht alle Gerichte in Öster­re­ich veröf­fentlichen jedoch ihre Ver­hand­lung­ster­mine im Inter­net und so gibt es einige, wo eins per­sön­lich hinge­hen und anste­hende Ter­mine erfra­gen bzw. aus ein­er Liste raus­suchen muss.

Wir veröf­fentlichen am Ende jed­er Woche (früh­estens am Fre­itag) auf Twit­ter die uns bekan­nten Prozesster­mine und ‑orte der nach­fol­gen­den Woche. Dort kannst du daher mitver­fol­gen, welche Prozesse bevorste­hen und dich ggfs. für eine Prozess­beobach­tung entscheiden. 

Um rauszufind­en, was für dich span­nend sein kön­nte, bekommst du hier einen Ein­blick in die Liste der Delik­te des öster­re­ichis­chen Strafrechts. „Stoppt die Recht­en” inter­essiert sich vor allem für Strafrecht­sprozesse das Ver­bots­ge­setz sowie Ver­het­zung betr­e­f­fend. Das bedeutet aber nicht, dass Rechte/Rechtsextreme und Neon­azis auss­chließlich wegen solch­er Delik­te angeklagt wer­den. Ein Blick in die bish­erige Bericht­ser­stat­tung von „Stoppt die Recht­en” verdeut­licht, dass es auch immer wieder zu Ankla­gen wegen Nöti­gung, Belei­di­gung, ille­galem Waf­fenbe­sitz oder auch wegen ver­sucht­en Mordes gekom­men ist.

Vor der Anreise zum Gericht

Über­lege dir gut, was du in deinen Rucksack/deine Tasche packst, denn du wirst beim Zutritt zum Gericht durch­sucht. Waf­fen jeglich­er Art (und sei es nur ein But­ter- oder Taschen­mess­er oder Pfef­fer­spray) soll­ten in jedem Fall zu Hause gelassen wer­den, aber auch son­stige gefährliche Gegen­stände oder auch Flüs­sigkeit­en (selb­st Par­fumes u.ä.). Von mit­ge­bracht­en Getränken muss in der Regel ein Schluck genom­men wer­den, um sich­er zu gehen, dass sich keine prob­lema­tis­chen Flüs­sigkeit­en in den Gefäßen befind­en. Nimm am besten nur das Nötig­ste mit, je weniger es zu durch­suchen gibt, desto schneller kommst du durch die Kontrollen.

Plane genü­gend Zeit ein, oft­mals dauern Kon­trollen länger als erwartet und dann kommst du zu spät zum Prozess, und es fehlen dir rel­e­vante Informationen.

Wenn du vorhast, den Prozess mit einem Note­book zu doku­men­tieren, lohnt es sich, sich über fol­gende Aspek­te Gedanken zu machen: Wie lange reicht meine Akku­laufzeit, welche Möglichkeit­en habe ich, meinen Lap­top-Akku wieder aufzu­laden oder die Akkuzeit ver­längern? Wie lange ist der Prozess anber­aumt? Brauche ich eventuell eine Ablöse? Wenn ich meinen Com­put­er hochfahre, welche für andere ein­se­hbare Infor­ma­tio­nen über mich tauchen auf (Benutzer_innenname, Bild­schirmhin­ter­grunds­fo­to…)? Kann jemand neben oder hin­ter dir mitschauen, was du auf deinem Bild­schirm hast?

Erstelle eine Liste mit Abkürzun­gen, damit du schneller mitschreiben und dich danach bess­er ori­en­tieren kannst. (zB: 1.Ri: erste_r Richter_in, Z1: erste_r Zeug_in, StA: Staatsanwält_in …)

Während der Verhandlung

Ins­beson­dere bei Ter­mi­nen, bei denen Recht­sex­treme und Neon­azis vor Gericht ste­hen, kannst du dir nie sich­er sein, wer son­st noch zum Prozess kommt. So kann es ein­er­seits vorkom­men, dass Neon­azis auch im Pub­likum vertreten sind und eventuell auch ein­schüchternd wirken, ander­er­seits kön­nte aber auch jemand vom Ver­fas­sungss­chutz anwe­send sein, um zu beobacht­en, wer teil­nimmt. Über­lege dir gut, worüber du mit wem vor Ort sprichst! Achte zudem darauf, wer rund um dich rum Platz genom­men, wenn du dich beispiel­sweise auf deinem Lap­top, deinem Mail­pro­gramm, deinen Social­me­di­apro­filen etc. einloggst.

In der Straf­prozes­sor­d­nung (§ 228, Absatz 4 StPO) ste­ht fest­geschrieben, dass „Fernseh- und Hör­funkauf­nah­men und ‑über­tra­gun­gen sowie Film- und Fotoauf­nah­men von Ver­hand­lun­gen der Gerichte […] unzuläs­sig“ sind. Das bedeutet, dass du während der Ver­hand­lung keine Auf­nah­men machen darf­st. Einem Gespräch mit der Press­es­telle des Wiener Lan­des­gerichts zufolge gilt diese Unter­sa­gung bis zum „Aufruf der Sache“, d.h. bis zur Ver­hand­lungseröff­nung durch die/den Richter_in, welche auch gän­zlich­es Ver­bot aussprechen kön­nen. Ob Auf­nah­men außer­halb des Gerichtssaals erlaubt sind, obliegt dem Haus­recht des/der jew­eili­gen Präsidenten/Präsidentin des zuständi­gen Gerichts und kann sich auch von Stadt zu Stadt unterscheiden.

Live-Tick­er aus dem Gerichtssaal (z.B. über Twit­ter) sind grund­sät­zlich nicht ver­boten, kön­nen aber jed­erzeit von den anwe­senden Richter_innen unter­sagt werden.

Für das Prozesspro­tokoll ist es hil­fre­ich, mehrere Phasen der Ver­hand­lung zu unterscheiden:
+) Vor Beginn/vor dem Gerichtssaal: In manchen Fällen lohnt es sich Augen und Ohren offen zu hal­ten, da eventuell für den Prozess span­nende Details bere­its kurz vor Beginn der Ver­hand­lung geschehen könnten.
+) Prozess­be­ginn: Eröff­nung durch den/die vor­sitzende Richter_in, Verei­di­gung der Geschwore­nen, Auf­nahme der Dat­en des/der Angeklagten, Ver­lesung der Anklageschrift,
+) Beweisauf­nahme: Aus­sagen von Angeklagten und Zeug_innen sowie andere Beweisunterlagen
+) bei Geschwore­nen­gericht­en: durch die Richter_innen gestellte Fra­gen, die von den Geschwore­nen (mit ja oder nein) beant­wortet wer­den sollen
+) Plä­doy­ers: durch die Staat­san­waltschaft sowie den/die Verteidiger_innen
+) Urteilsverkün­dung (mündlich)
+) Urteils­be­grün­dung (schriftlich)
+) nach dem Prozess: Reak­tio­nen auf das Urteil

Beachte, dass die Urteils­find­ung der Geschwore­nen manch­mal auch recht lange (mehrere Stun­den!) dauern kann!

Worauf muss ich achten? Was könnte für die Analyse relevant sein?

– Mitschreiben der Beginn und Schlusszeit­en der Ver­hand­lung schafft Ori­en­tierung über die Dauer
– Wo wird wann was mit wem (in welch­er Instanz) verhandelt?
– Wieviele Richter_innen (w/m)? Wieviele Geschworene (m/w)? Wieviele schwören und wieviele geloben?
– möglichst genau Fak­ten mitschreiben, Zahlen, Dat­en, Namen, …
– auch non­ver­bale Kom­mu­nika­tion berück­sichti­gen wie Mimik, Gesten, Sprache, Emotionen, ….
– Was wird nicht gesagt bzw. expliz­it aus­ge­sprochen, schwingt aber mit?
– (Inter­pre­ta­tive) Anmerkun­gen zu Bewe­is­führungsstrate­gien? Entlastungsstrategien?
– Sind Vertreter_innen ander­er Medi­en anwesend?

Nach der Verhandlung

Bedenke, dass sich Neon­azis und andere Recht­sex­treme, die bei der Ver­hand­lung anwe­send waren, eben­so auf dem Nach­hauseweg befind­en wie du und eine Begeg­nung außer­halb des Gerichts unan­genehm sein könnte.

Achte darauf, deine Pro­tokolle auf sichere und für andere nicht gefährdende Art und Weise abzuspeichern.

„Stoppt die Recht­en” und „Prozess­re­port” freuen sich, wenn du uns dein Pro­tokoll zukom­men lässt.

Was muss ich bei einem Prozessbericht beachten?

Auf „Stoppt die Recht­en” gibt es die Möglichkeit, (kurze) Berichte zu Ver­hand­lun­gen der oben genan­nten Delik­te zu veröf­fentlichen. Soll­test du Inter­esse an ein­er solchen Veröf­fentlichung haben, schreib bitte zeit­nah ein Email an [email protected]

Für einen Prozess­bericht soll­test du beacht­en, dass der Bericht wirk­lich nur präg­nant die wichtig­sten Fak­ten zusam­men­fasst und keine Nacherzäh­lung des kom­plet­ten Prozessver­laufs beinhaltet.
Beachte, dass in der Anklage for­mulierte Vor­würfe erst bewiesen wer­den müssen und die Angeklagten unschuldig sind, so lange nichts Gegen­teiliges bewiesen wurde. Es ist daher rat­sam, bis­lang nicht durch Beweise belegte The­men der Ver­hand­lung im Kon­junk­tiv zu formulieren.

Ältere Verurteilun­gen, die im Prozess zur Sprache kom­men, dür­fen dem/der Angeklagten nicht vorge­wor­fen werden.

Grund­sät­zlich gel­ten für die Angeklagten Per­sön­lichkeitss­chutzrechte: Das bedeutet, dass Namen abgekürzt (z.B. Andreas B.) und Auskün­fte, die auf die genaue Iden­tität der Per­son schließen lassen (z.B. der 18-jährige Bäck­er aus Steyr), bei ein­er Veröf­fentlichung ver­mieden wer­den soll­ten. Eine Aus­nahme stellen Per­so­n­en dar, die von öffentlichem Inter­esse sind, beispiel­sweise bekan­nte Neon­azis wie Got­tfried Küs­sel, Per­so­n­en mit poli­tis­chen Funk­tio­nen … Eben­so fall­en unter den Per­sön­lichkeitss­chutz des/der Angeklagten und aller erwäh­n­ten Per­so­n­en Infor­ma­tio­nen über den sehr per­sön­lichen Lebens­bere­ich wie Krankheit­en, Schulden, etc.

Eine Bew­er­tung der jew­eili­gen Strafen ist angesichts der durch­wegs unter­schiedlich aus­fal­l­en­den Höhe bei ähn­lichen Delik­ten nicht immer ein­fach und muss nicht notwendi­ger Weise in einem Prozess­bericht vorkommen.

Eine Inter­pre­ta­tion der Beweis- bzw. Ent­las­tungsstrate­gien, der Glaub­würdigkeit der Zeug_innen, der Plä­doy­ers der Staat­san­waltschaft und der Vertei­di­gung sowie Infor­ma­tio­nen, die über den Prozess hin­aus recher­chiert wur­den, soll­ten eben­falls sorgfältig geprüft wer­den, machen jedoch einen guten Bericht aus.

Prozess­berichte soll­ten keine Diskus­sion von Argu­menten für oder gegen das Ver­bots­ge­setz bein­hal­ten, da es dazu bere­its Texte auf „Stoppt die Recht­en” gibt.

Ein Urteil ist nach sein­er (mündlichen) Verkün­dung nicht automa­tisch recht­skräftig und haben Angeklagte und Staat­san­waltschaft noch die Möglichkeit, Ein­spruch einzule­gen. Das bedeutet, dass bei Schuld­sprüchen ange­merkt betont wer­den muss, ob das Urteil recht­skräftig ist oder nicht.

➡️ Beispiele für Prozess­berichte find­est du hier.

Für Rück­fra­gen ste­hen wir gerne zur Ver­fü­gung ➡️ Kon­tak­t­dat­en. Selb­stver­ständlich garantieren wir volle Anonymität!