Die Argumentationsmuster sind ganz einfach: A leugnet den Holocaust, B weiß nichts von Vernichtungslagern im „Deutschen Reich“, C will überprüfen, ob im KZ Mauthausen jemals eine Gaskammer existiert hat, D bezweifelt, ob die Massenvernichtung mittels Zyklon B funktioniert haben kann, E will das alles noch einmal wissenschaftlich überprüfen lassen. All das ist in Österreich aus guten Gründen verboten. Es handelt sich nicht um Meinungen, sondern schlicht um Versuche, gesicherte wissenschaftliche und historische Erkenntnisse „aufzumachen“, zumindest ein Stück zurückzuholen.
Aber ist nicht die Meinungsfreiheit in Gefahr durch das Verbotsgesetz? Das Strafgesetz kennt in allen Ländern das Verbot der üblen Nachrede und der Beleidigung. Strafrechtliche Bestimmungen gegen Verhetzung und Rassismus gibt es in vielen Varianten. Absolut sinnvolle Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Und in Österreich gibt es auch das Verbot, NS-„Meinungen“ öffentlich zu machen.
Strache war 2007 nicht der Erste in der FPÖ, der das Verbotsgesetz als nicht mehr „zweckdienlich“ sah. Damals hat er jedenfalls ein Wording formuliert, das bis in die einzelnen Textbausteine von den anderen Freiheitlichen nachgesprochen wurde. Wenn er jetzt 2010 das Verbotsgesetz nicht mehr in Frage stellt, wäre das ein bescheidener Fortschritt. Mal abwarten, ob alle auch diesmal nachsprechen werden.
Martin Graf im Jahr 2000
„Es muss in einer demokratischen Welt zulässig sein, ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit und die politische Tätigkeit einschränkt, zu kritisieren.“ (Format 21/00, S. 50)
Strache will Verbotsgesetz abschaffen (2007)
Im VN-Interview spricht Strache sich insbesondere gegen das Verbotsgesetz aus. Außerdem will er, dass Südtirol wieder zu Österreich kommt.
VN: Wie stehen Sie zum Verbotsgesetz?
Die Meinungsfreiheit ist ein entscheidendes Gut. Gerade wir als freiheitliche Partei erleben heute, dass diese Freiheit in vielen Bereichen insofern in Gefahr ist, als Menschen, die ihre Meinung äußern, mit Diffamierungen und Kampagnen kriminalisiert und in eine Ecke gedrängt werden, in die sie nicht gehören. Das ist etwas, was uns sehr nachdenklich macht. Eine demokratische Gesellschaft muss auch verrückte und dumme Meinungen aushalten. Man sollte daher darüber nachdenken, ob dieses Verbotsgesetz seinem Anspruch überhaupt noch gerecht wird.
VN: Das Verbotsgesetz soll abschafft werden?
Ich bin für eine offene Diskussion darüber, ob dieses Gesetz überhaupt noch zweckdienlich ist. Auch Experten und Universitätsprofessoren bezweifeln dies.
Vorarlberger Nachrichten.23.2.2007
RFJ Deutschlandsberg: NS-Verbotsgesetz abschaffen (2007)
Der Ring Freiheitlicher Jugend Deutschlandsberg sorgt für einen Eklat: In einer Presseaussendung wird die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes gefordert. Der RFJ fordert auch die Freilassung von drei Anführern eines Rechtsextremen-Treffens. „RFJ für die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes und die Freilassung der drei volkstreuen Aktivisten aus Oberösterreich”, so der Titel der Aussendung, verfasst vom 18-jährigen Stefan Juritz, Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend Deutschlandsberg.
„Diskurs vor einseitigen Verboten”
Der RFJ Deutschlandsberg habe sich stets „für Meinungsfreiheit und gegen Denkverbote und Zensur starkt gemacht”, heißt es, „deshalb ist es nur logisch, dass wir uns auch aktiv für die Abschaffung eines Gesetzes stark machen, das politische Meinungsäußerungen mit exorbitant hohen Haftstrafen bedroht. Eine freiheitliche Gesellschaft muss dem offenen, rationalen Diskurs Vorzug vor einseitigen Verboten geben”, so der Wortlaut der Aussendung. Und „wozu sollte man Irrmeinungen unter Strafe stellen, wenn sie doch jeder Zeit durch die Wahrheit widerlegt werden können?”
Außerdem fordert der Ring Freiheitlicher Jugend Deutschlandsberg, dass die drei Anführer eines Rechtextremen-Treffens am Wochenende in Salzburg freigelassen werden — in der Aussendung werden die drei wörtlich als „politische Gefangene” bezeichnet. Der freiheitliche Jungpolitiker Juritz hatte Radio Steiermark zunächst ein Interview dazu gegeben, dieses jedoch wieder zurückgezogen.
FPÖ Kurzmann: Diskutieren, ob abschaffen (2007)
Keine Kopfwäsche sondern teilweise Unterstützung erhalten die Jungpolitiker vom steirischen FPÖ-Chef Gerhard Kurzmann. Junge Menschen seien halt idealistisch gesinnt und sehen das Verbotsgesetz als Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung:
„Die Meinungsfreiheit ist ein entscheidendes Gut und gerade wir als Freiheitliche sind gegen Denkverbote. Wir sind davon überzeugt, dass Inquisition, dass also irgendwelche Dogmen heute keine Gültigkeit mehr haben, und es ist ja nicht nur die FPÖ, die darüber nachdenkt, ob das Verbotsgesetz überhaupt noch zeitgemäß ist. Ich bin dafür, dass man darüber diskutiert, ob dieses Gesetz nicht abgeschafft werden sollte”, so der steirische FPÖ-Obmann. Nicht nur die FPÖ, auch Juristen hätten sich in der Vergangenheit zum Verbotsgesetz und der Frage, ob dieses noch modernen Anforderungen genüge zu Wort gemeldet.
Barbara Rosenkranz: Verbotsgesetz ist verfassungswidrig (2007)
„Ich bin der Meinung, dass das Verbotsgesetz so wie es ist, also wie auch Juristen darlegen, ausufernd, schwammig, dem Missbrauch Tür und Tor öffnend, nicht im Einklang mit unserer Verfassung, die ja Meinungsfreiheit gewährt, steht.”
(Zeit im Bild 2, 30.10.2007 Beitrag: „Wochenzeitschrift ‚Zur Zeit’ feiert 10-jähriges Bestehen)
Norbert Hofer: Volksabstimmung über Verbotsgesetz (2008)
Norbert Hofer, Familiensprecher und Vizeparteiobmann der FPÖ: „Ich bin für freie Meinungsäußerung” – Es dürfe nicht verboten sein, über eine Volksabstimmung zu diskutieren.
Die FPÖ ist nicht nur für eine Volksabstimmung bei Verfassungsänderungen des EU-Vertrags, sie führt auch eine Diskussion über eine Volksabstimmung über die Aufhebung des Verbotsgesetzes. Familiensprecher Norbert Hofer sagte bei einer Diskussion mit Jugendlichen am Mittwoch, dass die „Bevölkerung gefragt werden soll, ob das Verbotsgesetz abgeschafft werden soll”. Zwar gestand er — bezugnehmend auf die NS-Zeit — ein, dass „das nicht irgendwas war, was damals passiert ist”, aber: „Ich bin für freie Meinungsäußerung. Es darf nicht verboten sein, darüber zu diskutieren.” Wenn jemand zu den Verbrechen aus der Nazi-Zeit was zu sagen habe, „soll er es sagen dürfen”.
RFJ Landbauer will NS-Verbotsgesetz „hinterfragen” (2008)
Ö1 Mittagsjournal
Udo Landbauer (22), seit acht Jahren im Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) aktiv, stellt das NS-Verbotsgesetz in Frage. Es widerspreche der freien Meinungsäußerung, so Landbauer als Gast im Ö1-Mittagsjournal. Grundsätzlich sei alles zu hinterfragen.
Landbauer zum Vorwurf des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstand, dass es im RFJ immer mehr inhaltliche und personelle Überschneidungen mit Neonazis gebe: „Die Herrschaften sollen sich um Linksanarchisten kümmern.”
ORF-Ö1, 30.8.2008
Strache will über Verbotsgesetz diskutieren (2008)
Anonym:
Ihre Jugendorganisation, der RFJ, steht dem Verbotsgesetz kritisch gegenüber. Laut DÖW (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes) kommt es immer wieder zu Überschneidungen von RFJ-Mitgliedern mit der Neonazi-Szene. Wie stehen Sie zum Verbotsgesetz?
Strache:
Faktum ist, dass mehrere Rechtswissenschaftler und Uniprofessoren, aber auch in einer Rechtsschrift die Diözese Wien, aber auch die Akademie der ÖVP sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben und hier Experten zum Ergebnis gekommen sind, dass man in einer gefestigten Demokratie verrückten und dummen Meinungen nicht mit einer unbedingten Gefängnisstrafe begegnen kann und soll, sondern sich mit diesen dummen und wirren Gedanken mittels Diskurs auseinanderzusetzen hat und damit auch die Demokratie stärkt und sichert.
ORF, 17.9.08
Hofer: Menschenhatz auf Barbara Rosenkranz beenden! (2010)
„Hat niemals Abschaffung des Verbotsgesetzes gefordert”
FPÖ-Vizebundesparteiobmann NAbg. Ing. Norbert Hofer fordert die vereinigte Linke und ihre Helferlein im ÖVP-Generalsekretariat auf, die Menschenhatz auf Barabara Rosenkranz umgehend zu beenden. Erschüttert zeigt sich Hofer darüber, dass auch der Bundespräsident in das Geheul der Vernaderer einstimmt. Hofer: „Seine Vergangenheit als Präsident der österreichisch-nordkoreanischen Gesellschaft hat ihn hier wohl ideologisch eingeholt. Fischer hat sich einmal mehr als Linksausleger der SPÖ versucht und das Tarnmäntelchen des Staatsmannes damit wieder einmal abgeworfen.” Hofer unterstreicht, dass Barbara Rosenkranz niemals die Abschaffung des Verbotsgesetzes verlangt habe. Sie habe jedoch, genau so wie renommierte Journalisten und Rechtswissenschafter des Landes, vorurteilsfrei festgestellt, dass einzelne Passagen des Gesetzestextes der freien Meinungsäußerungen widersprechen. Norbert Hofer: „Wer daraus ein Recht auf eine beispiellose Menschenhatz ableitetet, die auch vor der Familie und vor allem den Kindern von Barbara Rosenkranz nicht Halt macht, sollte in sich gehen und sich fragen, ob der Zweck wirklich die Mittel heiligt.” Hofer bezweifelt, dass das Verbotsgesetz und die rechtstheoretische Diskussion darüber den Menschen in Österreich wirklich unter den Nägeln brennen: „Hohe Arbeitslosigkeit, steigende Armut und stagnierende Realeinkommen sind genau so wie der Ausverkauf an die Eurokratie wohl eher die Themen, die Österreich bewegen.”
FPÖ-Pressedienst 7.3.2010
Barbara Rosenkranz: Verbotsgesetz niemals in Frage gestellt (2010)
„So habe ich auch das Verbotsgesetz als Symbol für die Abgrenzung vom Nationalsozialismus niemals in Frage gestellt habe und werde es auch nicht in Frage stellen.”
(Eidesstättige Erklärung von Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz, 8. März 2010 APA-OTS0115)
Strache für das NS-Verbotsgesetz (2010)
Nach der Aufregung um die Aussagen von Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz versucht der FP-Chef, den Schaden zu begrenzen.
Soll nationalsozialistische Wiederbetätigung in Österreich verboten bleiben? Nein, sagte Barbara Rosenkranz, nachdem sie vor vier Tagen als FPÖ-Kandidatin für das höchste Amt im Staat präsentiert worden war. Das Verbot widerspreche dem Recht auf freie Meinungsäußerung.
Ihr Bekenntnis hat einen Sturm der Entrüstung entfacht. Vom Bundespräsidenten abwärts über die Parteigrenzen hinweg wurde die Frau mit den guten Verbindungen in die rechtsextreme Szene heftig kritisiert.
Am Freitag wurde es FPÖ-Chef HC Strache zu viel: In einer Pressekonferenz bemühte er sich, den Schaden zu begrenzen: „Niemand in der FPÖ fordert eine Abschaffung des Verbotsgesetzes. Ich und die gesamte FPÖ verurteilen den Nationalsozialismus (…) zutiefst. Es darf nicht irgendeine Relativierung geben”, sagte Strache. Das Verbotsgesetz sei auch ein „wichtiges politisch-rechtliches Symbol für die klare Distanzierung und die messerscharfe Trennlinie zu den Verbrechen des Nationalsozialismus”. Rosenkranz werde falsch interpretiert, hätte ihre Meinung aber „vielleicht besser formulieren sollen.”
Kurier