[ARCHIV] rassismus [ARCHIV]

Ras­sis­mus behan­delt Men­schen nicht als Indi­viduen, son­dern als Ange­hörige ein­er Gruppe – und unter­stellt, dass sich aus dieser Grup­pen­zuge­hörigkeit unverän­der­liche Eigen­schaften, Fähigkeit­en oder Charak­terzüge ableit­en. Dabei wird die eigene Gruppe meist als höher­w­er­tig begrif­f­en. Klas­sis­ch­er Ras­sis­mus basiert auf ein­er wis­senschaftlich längst über­holten Ein­teilung der Men­schheit in „Rassen”.

Ras­sis­mus find­et sich über­all, im All­t­ag, in der Geschichte, in der Poli­tik – und sicher­lich auch in unser­er aller Köpfe. Denn Ras­sis­mus kann bequem sein. Man kann sich damit ganz ein­fach die Welt erk­lären oder sich selb­st über andere Men­schen stellen. Ras­sis­mus zeigt sich zum Beispiel in pri­vat­en Vorurteilen, in staatlich­er Diskri­m­inierung, in Gewalt­tat­en oder – im extrem­sten Fall – in Völk­er­mord. Poli­tisch kann Ras­sis­mus sehr nüt­zlich sein, um Herrschaftsver­hält­nisse zu begrün­den und Men­schen für ganz andere Zwecke zu mobil­isieren. Sätze wie „Alle Türk_innen stinken” oder „Alle Österreicher_innen sind fleißig” sind rassistisch. 

Hierzu­lande wird (anders als etwa in Frankre­ich oder Großbri­tan­nien) statt von „Ras­sis­mus” oft von „Aus­län­der­feindlichkeit” oder „Frem­den­feindlichkeit” gesprochen. Diese bei­den Begriffe aber sind unpräzise: Rechtsextremist_innen haben zum Beispiel nichts gegen blonde Schwe­den, wohl aber etwas gegen dunkel­häutige Österreicher_innen – obwohl der eine fremd ist und der andere über­haupt kein Ausländer. 

Frühe For­men von Ras­sis­mus zeigten sich bere­its im antiken Griechen­land, im Römis­chen Reich (Def­i­n­i­tion von Frem­den als „Bar­baren”) oder auch im indis­chen Kas­ten­we­sen. Im europäis­chen Mit­te­lal­ter gab es juden­feindliche Pogrome, nach der Ent­deck­ung Amerikas wur­den den dor­ti­gen Ure­in­wohn­ern und später afrikanis­chen Sklaven mit ras­sis­tis­chen Begrün­dun­gen die Men­schen­rechte abge­sprochen. „Seit dem Aufkom­men der Ide­ale der bürg­er­lichen Aufk­lärung (Frei­heit, Gle­ich­heit und Brüder­lichkeit)”, heißt es in Mey­ers Lexikon, bedurfte der­ar­tige Unter­drück­ung „ein­er Recht­fer­ti­gungside­olo­gie, die die ‚ras­sis­che’ Über­legen­heit der Europäer über die übrige Welt­bevölkerung beweisen sollte. Ver­bre­itung erre­ichte der Ras­sis­mus vor allem im 19. Jahrhun­dert, als die The­o­rien C. R. Dar­wins von der natür­lichen Auslese in sozial­dar­win­is­tis­ch­er Inter­pre­ta­tion in die Rassen­the­o­rien über­nom­men wur­den. J. A. Graf von Gob­ineau entwick­elte die Lehre von der Ungle­ich­heit inner­halb der weißen Rasse, deren rein­er Kern die ‚arische’ Rasse sei.” Die ras­sis­tis­che Aus­gren­zung von Juden (eine Form von Anti­semitismus) war eine ide­ol­o­gis­che Grund­lage des Nation­al­sozial­is­mus und führte schließlich zum Holocaust. 

Schein­bar wis­senschaftliche Begrün­dun­gen für Ras­sis­mus sind heute längst wider­legt. „Es gibt keinen wis­senschaftlichen Grund, den Begriff ‚Rasse’ weit­er­hin zu ver­wen­den”, stell­ten 18 inter­na­tionale Anthro­polo­gen 1995 in ein­er gemein­samen Erk­lärung fest. „Neue, auf den Meth­o­d­en der moleku­laren Genetik und math­e­ma­tis­chen Mod­ellen der Pop­u­la­tion­s­genetik beruhende Fortschritte der mod­er­nen Biolo­gie zeigen, (…) dass die genetis­che Diver­sität beim Men­schen glei­t­end ist und keine größere Diskon­ti­nu­ität zwis­chen den Pop­u­la­tio­nen anzeigt.” Anhänger_innen der Rassen­lehre stützen sich deshalb nicht auf wis­senschaftliche Konzepte, son­dern bedi­enen (eigene oder fremde) sozialpsy­chol­o­gis­che Bedürfnisse. Dass ras­sis­tis­ches Denken allen Men­schen von Natur aus eigen sei oder gar eine unver­mei­dliche Folge der Evo­lu­tion, ist eben­falls von Wis­senschaftlern wider­legt worden.

Mod­erne Rechtsextremist_innen ver­suchen, ihren Ras­sis­mus nicht mehr biol­o­gis­tisch, son­dern kul­tur­al­is­tisch zu begrün­den. Statt von „Rasse”, sprechen sie lieber von „Volk”, „Eth­nie” oder „Nation”. Sie behaupten, ver­schiedene Völk­er hät­ten unter­schiedliche Kul­turen entwick­elt, die strikt getren­nt voneinan­der und im Innern sauber von frem­den Ein­flüssen gehal­ten wer­den müssten (tat­säch­lich aber haben sich in der gesamten Men­schheits­geschichte unter­schiedliche „Kul­turen” stets ver­mis­cht und gegen­seit­ig bee­in­flusst). Vorder­gründig wird keine Ungle­ich­w­er­tigkeit der „Völk­er” vertreten, son­dern lediglich eine „natür­liche Ver­schieden­heit”. Dieser Neo-Ras­sis­mus wird „Ethno­plu­ral­is­mus” genannt. 

1.rassistische Vorurteile: Vorge­fer­tigte Mei­n­un­gen über Per­so­n­en auf­grund ihrer Zuord­nung zu ein­er „Rasse”. Beispiel: Per­son A denkt, dass Per­son B die Eigen­schaft X hat, weil sie zur „Rasse” Y gehört.

2.rassistische Diskri­m­inierung: Die unter­schiedliche Behand­lung von Men­schen auf­grund äußer­lich­er Merk­male, wie z.B. der Haut­farbe. Beispiel: Per­son A weigert sich, Per­son B einzustellen, weil Per­son B zur „Rasse” Y gehört. 

3.institutioneller Ras­sis­mus (struk­turelle Diskri­m­inierung): Ungle­ich­be­hand­lung durch öffentliche Stellen und große Organ­i­sa­tio­nen auf­grund der „Rassen­zuge­hörigkeit”.

4.pseudowissenschaftliche Rassen­the­o­rien: Im Inter­esse poli­tis­ch­er Kräfte entwick­elte schein­wis­senschaftliche The­o­rien, die die Über­legen­heit bes­timmter Rassen über andere unter­mauern sollen, z.B. die Hami­ten­the­o­rie des Afrikanis­ten Carl Mein­hof oder die Rassen­lehre des Nationalsozialismus. 

5.kultureller Ras­sis­mus: Der mod­erne Ras­sis­mus bedi­ent sich oft­mals des Begriffs ver­schieden­er „Kul­turen”, nach­dem der klas­sis­che Ras­sis­mus als unwis­senschaftlich ent­larvt wurde. Beispiele: „Die Polen stehlen”, „Die Araber sind frauen­feindlich”, „Afrikan­er sind beson­ders aggres­siv”. Der franzö­sis­che Philosoph Éti­enne Bal­ibar nen­nt dieses Phänomen „Ras­sis­mus ohne Rassen”. 

6.Alltagsrassismus: Ist die Über­nahme von Ras­sis­mus in alltägliche Sit­u­a­tio­nen durch Denk- und Hand­lungs­for­men, die die dahin­ter liegen­den Macht­struk­turen sta­bil­isieren und ver­fes­ti­gen. In dieser Form wird Ras­sis­mus nicht mehr hin­ter­fragt, son­dern von herrschen­den Grup­pen als „nor­mal” hingenommen. 

Antiziganismus – eine Sonderform von Rassismus

Antizigan­is­mus ist, in Analo­gie zu Anti­semitismus gebilde­ter Fach­be­griff, für „Zigeuner“-feindlichkeit. Er beschreibt Stereo­typen, Feind­schaft und Ablehnung von allem als „Zige­uner“ wahrgenomme Men­schen und Grup­pen und die damit inherge­hende Diskri­m­inierung, Vertrei­bung, Aus­gren­zung bis hin zu Pogromen und Mord. Über keine andere Per­so­n­en­gruppe wis­sen die Ange­höri­gen der Mehrheits­ge­sellschaft so wenig und meinen zugle­ich so viel Neg­a­tives sagen zu kön­nen wie über Roma.
Das EU-Par­la­ment weist in der Entschließung zur Lage der Roma in Europa „auf die weite Ver­bre­itung der Zige­uner­feindlichkeit und ihre diskri­m­inieren­den Auswirkun­gen auf die Chan­cen im Bere­ich Beschäf­ti­gung, Bil­dung und soziale Dien­ste für die am meis­ten benachteiligte eth­nis­che Min­der­heit­en­gruppe in der Europäis­chen Union“ hin.
Eines der bekan­ntesten Beispiele der jün­geren Öster­re­ichis­chen Geschichte war der Bombe­nan­schlag in Ober­wart Mitte der 90er Jahre. In den let­zten Jahren ist ein Anstieg von antizigan­is­tisch-motiviert­er Gewalt in ganz Europa zu erken­nen. Vorallem in den neuen EU- Staat­en , aber auch in Ital­ien kam es die let­zten Jahre ver­mehrt zu Über­grif­f­en und Pogrome gegen Roma und Sinti.

Ger­ade bei Diskus­sio­nen zu EU-Oster­weiterung und Bet­telver­bot kom­men immer wieder antizigan­is­tis­che Ressen­ti­ments zum Vorschein, mit der der ver­meintlichen „frem­den Gefahr“ durch eine restrik­ti­vere Geset­zge­bung ent­ge­gengewirkt wer­den soll. Die Ver­schär­fung des Bet­telver­bots in Wien muss in Zusam­men­hang mit dem zunehmenden Antizigan­is­mus in vie­len europäis­chen Län­dern gese­hen wer­den und die Sün­den­bock-Rolle in die osteu­ropäis­chen Armuts-«Pendler_innen» gedrängt wer­den, aufgezeigt werden.