Rassismus

Was ist Rassismus?

Ras­sis­mus steht laut dem Sozio­lo­gen Stuart Hall (2004) für das Zusam­men­spiel von Zuschrei­bun­gen und sozia­len Prak­ti­ken, bei denen homo­ge­ne Grup­pen kon­stru­iert und von­ein­an­der abge­grenzt wer­den. Die gesell­schaft­li­che Mar­kie­rung von „Ande­ren“ („Othe­ring“), die ver­meint­lich nicht dazu­ge­hö­ren, dient dabei vor allem der Legi­ti­ma­ti­on von Aus­beu­tung und dem Aus­schluss von gesell­schaft­li­chen Res­sour­cen. In den meis­ten Fäl­len beruht das Othe­ring dabei auf bio­lo­gis­ti­schen Zuschrei­bun­gen und wird daher auch als „Ras­si­fi­zie­rung“ bezeich­net. Beim ras­sis­ti­schen bzw. ras­si­fi­zie­ren­den Othe­ring wer­den schein­bar homo­ge­ne Grup­pen mit bestimm­ten Eigen­schaf­ten und einer spe­zi­fi­schen „Men­ta­li­tät“ kon­stru­iert, die in wei­te­rer Fol­ge anhand bio­lo­gis­tisch begrün­de­ter Kri­te­ri­en als minderwertig(er) oder höherwertig(er) ein­ge­stuft wer­den. Das äuße­re Erschei­nungs­bild von Men­schen wird zudem mit bestimm­ten „Gat­tungs­merk­ma­len“ ver­knüpft und im ras­sis­ti­schen Dis­kurs natu­ra­li­siert bezie­hungs­wei­se bio­lo­gi­siert. Das bedeu­tet, dass sozia­le bzw. gesell­schaft­lich gemach­te Unter­schie­de geleug­net und alle Dif­fe­ren­zen zwi­schen Men­schen auf deren ver­meint­li­che „Natur“ zurück­ge­führt wer­den. His­to­risch führ­te die Kop­pe­lung bestimm­ter Wesens­merk­mal an sicht­ba­re zw. Kör­per­li­che Merk­ma­le zur gesell­schaft­li­chen Kon­struk­ti­on von unter­schied­li­chen „Ras­sen“ oder homo­gen vor­ge­stell­ten „eth­ni­schen“ bzw. „kul­tu­rel­len“ Grup­pen. Das Res­sen­ti­ment dient den ein­zel­nen Rassist_innen dabei zur  Selbst­er­hö­hung über die Abwer­tung Ande­rer — gesamt­ge­sell­schaft­lich betrach­tet hat Ras­sis­mus jedoch vor allem eine sys­tem­sta­bi­li­sie­ren­de Funktion.

Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis

Obwohl der „Ras­se“begriff spä­tes­tens seit dem Zivi­li­sa­ti­ons­bruch Ausch­witz dafür kri­ti­siert wird, sozi­al kon­stru­iert oder, kon­kre­ter gesagt,  eine bio­lo­gis­ti­sche Erfin­dung zu sein, hält sich die Vor­stel­lung, dass es so etwas wie eine „ras­si­sche“, „eth­ni­sche“ oder „kul­tu­rel­le“ Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimm­ten Grup­pe gäbe, hart­nä­ckig. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Mar­kie­rung von Ande­ren, die nicht dazu­ge­hö­ren dür­fen, his­to­risch betrach­tet immer auch herr­schafts­sta­bi­li­sie­rend wirkt(e) und daher zur Siche­rung von Pri­vi­le­gi­en der­je­ni­gen dient(e), die zum jewei­li­gen Zeit­punkt davon profitier(t)en. Anders gesagt: jeg­li­che Spiel­art von ras­sis­ti­schem Othe­ring und die dar­an geknüpf­ten Aus­schlüs­se auf indi­vi­du­el­ler und insti­tu­tio­nel­ler Ebe­ne, stüt­zen die Vor­macht­stel­lung der jeweils domi­nan­ten Grup­pen. Daher wird die Kri­tik an ras­sis­ti­schen Aus­schlüs­sen auch nie in einem macht­po­li­ti­schen Vaku­um arti­ku­liert und es ist inso­fern nicht ver­wun­der­lich, dass die Defi­ni­ti­on von Ras­sis­mus nach wie vor umkämpft ist. Ras­sis­mus ist also als gesell­schaft­li­ches Ver­hält­nis zu begrei­fen, bei dem durch Zuschrei­bun­gen und gesell­schaft­li­che Macht­dy­na­mi­ken mar­gi­na­li­sier­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen pro­du­ziert werden.

Das soll aller­dings nicht hei­ßen, dass Ras­sis­men von einer sinis­tren Eli­te oder „bösen Mäch­ten“ in die Welt gesetzt wür­den, um die eige­ne Mach­po­si­ti­on zu stär­ken. Ganz im Gegen­teil: ras­sis­ti­sches Othe­ring ist ein gesell­schafts­struk­tu­rie­ren­des Ele­ment, das zwar leicht poli­tisch instru­men­ta­li­siert wer­den kann, aber struk­tu­rell aus der kapi­ta­lis­ti­schen Ver­ge­sell­schaf­tung erklärt wer­den muss. Daher fin­det es sich auch auf unter­schied­lichs­ten Ebe­nen: neben his­to­ri­schen Bei­spie­len auch im aktu­el­len poli­ti­schen und media­len Dis­kurs sowie auf der All­tags­ebe­ne — und damit in unser aller Köp­fe. Auch wenn nicht immer direkt „rasse“bezogen argu­men­tiert wird, basiert eine ras­sis­ti­sche Argu­men­ta­ti­on prin­zi­pi­ell dar­auf, gesell­schafts­po­li­ti­sche Pro­blem­stel­lun­gen auf eine homo­gen kon­stru­ier­te „Out-Group“ aus­zu­la­gern. Aktu­ell ste­hen Pau­scha­li­sie­run­gen wie „die Türk_innen sind demo­kra­tie- und inte­gra­ti­ons­un­fä­hig“ oder „die Afrikaner_innen sind Drogendealer_innen“ sinn­bild­lich für sol­che eth­ni­sie­ren­den und ras­si­fi­zie­ren­den Auslagerungsprozesse.

Warum nicht „Fremdenfeindlichkeit“?

Daher ist es auch pro­ble­ma­tisch, dass hier­zu­lan­de (anders als etwa in Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en oder den USA) statt von Ras­sis­mus oft von „Aus­län­der­feind­lich­keit“ oder „Frem­den­feind­lich­keit“ gespro­chen wird. Bei­de Begrif­fe zie­len am Kern der Sache vor­bei, denn Rechtsextremist_innen haben zum Bei­spiel nichts gegen blon­de Schwed_innen, wohl aber etwas gegen dun­kel­häu­ti­ge Österreicher_innen – obwohl die einen fremd sind und die ande­ren gar kei­ne Ausländer_innen. Dass es also beim ras­sis­ti­schen Othe­ring um etwas ganz ande­res geht, zeigt ein Blick auf die Geschich­te des euro­päi­schen Ras­sis­mus. Die­se ver­deut­licht, dass sich das vor­mals kul­tur- bzw. reli­gi­ons­be­zo­ge­ne Othe­ring ab der Neu­zeit zu einem bio­lo­gis­ti­schen „Ras­se­den­ken“ trans­for­mier­te. Die­se Ent­wick­lung hing zum einen mit dem euro­päi­schen Kolo­nia­lis­mus und der „Ent­de­ckung“ immer wei­te­rer Tei­le der Welt zusam­men, und zum ande­ren mit der im Zuge der Auf­klä­rung ein­set­zen­den human­wis­sen­schaft­li­chen For­schung, die erst die Idee von „Ras­sen“ her­vor­brach­te. Als „Blau­pau­se“ die­ses Pro­zes­ses kann dabei die Trans­for­ma­ti­on des christ­li­chen Anti­ju­da­is­mus hin zum bio­lo­gis­ti­schen „moder­nen“ Anti­se­mi­tis­mus gel­ten. Obwohl Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus von­ein­an­der unter­schie­den wer­den müs­sen, da sie auf ganz unter­schied­li­chen Zuschrei­bun­gen beru­hen, kann an der Geschich­te des euro­päi­schen Anti­se­mi­tis­mus nach­voll­zo­gen wer­den, wie sich ras­sis­ti­sches Othe­ring suk­zes­si­ve gesell­schaft­lich durchsetzte.

Unterschiedliche Formen von Rassismus

Ras­sis­mus wird meist auf zwei unter­schied­li­chen Ebe­nen erforscht und kri­ti­siert: zum einen anhand der jewei­li­gen Zuschrei­bun­gen an die Ras­si­fi­zier­ten und zwei­tens anhand der unter­schied­li­chen gesell­schaft­li­chen Kon­tex­te, in denen er sich arti­ku­liert. Obwohl der Anti­se­mi­tis­mus als Pro­to­typ des euro­päi­schen Ras­sis­mus gel­ten kann, ist dabei prin­zi­pi­ell zwi­schen Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus zu unter­schei­den. Wäh­rend das anti­se­mi­ti­sche Res­sen­ti­ment auf der Pro­jek­ti­on von (Über)Macht beruht und inso­fern in ein ima­gi­nier­tes „Oben“ pro­ji­ziert, geht es beim Ras­sis­mus immer um die Kon­struk­ti­on von als infe­ri­or ima­gi­nier­ten Grup­pen. Ras­sis­men haben also gemein­sam, dass die Zuschrei­bun­gen auf Defi­zit-Nar­ra­ti­ven (Min­der­wer­tig­keits­vor­stel­lun­gen) beru­hen, die bei den ver­schie­de­nen ras­si­fi­zier­ten Grup­pen unter­schied­lich aus­se­hen. Um die kon­kre­ten Dis­kri­mi­nie­rungs­for­men bes­ser benen­nen zu kön­nen, macht es daher Sinn, zwi­schen den unter­schied­li­chen Erschei­nungs­for­men von Ras­sis­mus zu differenzieren.

  • Der Anti­ro­mais­mus bzw. Anti-Ziga­nis­mus nimmt zwar Anlei­hen beim anti­se­mi­ti­schen Res­sen­ti­ment, wen­det die­ses jedoch in das beschrie­be­ne Infe­rio­ri­täts-Nar­ra­tiv: Roma, Sin­ti und Lova­ra wur­den einer­seits wie Jüdin­nen und Juden auf­grund ihrer Nicht-Sess­haf­tig­keit zu einer Gefahr für die „Volks­ge­mein­schaft“ sti­li­siert, es fehl­te jedoch ande­rer­seits immer die Zuschrei­bung über­mä­ßi­ger Macht. Statt­des­sen ent­wi­ckel­te sich ein Set an kul­tu­ra­lis­ti­schen Pro­jek­tio­nen ent­lang der Moti­ve „Fremd­heit“ und „Wild­heit“ sowie dem Vor­wurf des „Steh­lens“, der sich aktu­ell bei­spiels­wei­se in „Bettelmafia“-Diskursen widerspiegelt.
  • Ras­sis­mus gegen Schwar­ze Per­so­nen (Anti-Black Racism) wie­der­um ist im Prin­zip ein Pro­dukt des euro­päi­schen Kolo­nia­lis­mus und des trans­at­lan­ti­schen Sklav_innenhandels: Schwar­ze Per­so­nen wur­den als Gegen­pol zu Geist und Zivi­li­sa­ti­on (ver­kör­pert durch „Euro­pa“) kon­stru­iert und so kom­plett auf ihre Kör­per­lich­keit zurück­ge­wor­fen. Dabei spiel­te die Zuschrei­bung einer „gefähr­li­chen Sexua­li­tät“ eine gro­ße Rol­le, wobei die­se geschlechts­spe­zi­fisch unter­schied­lich kon­stru­iert wur­de: Wäh­rend Män­nern Hyper­po­tenz, Gewalt­tä­tig­keit, unkon­trol­lier­te Aggres­si­vi­tät und über­mensch­li­che Kräf­te zuge­schrie­ben wur­den, stand bei Frau­en deren bedroh­li­che Hyper-Sexua­li­tät im Mit­tel­punkt. Aktu­el­le For­schun­gen aus den USA (Coll­ins 2004) zei­gen, dass die­se ras­sis­ti­schen Bil­der auch heu­te noch nachwirken.
  • Auch beim anti­mus­li­mi­schen Ras­sis­mus, der auf Per­so­nen pro­ji­ziert wird, die in der Vor­stel­lung der Rassist_innen Muslim_innen sei­en — unab­hän­gig davon, ob das den rea­len Gege­ben­hei­ten ent­spricht oder nicht — spielt die Vor­stel­lung „gefähr­li­cher“ und vor allem „devi­an­ter Sexua­li­tät“ eine gro­ße Rol­le. Dabei wur­de „der ori­en­ta­li­sche Mann“ einer­seits als hyper­po­tent, des­po­tisch und sexu­ell über­grif­fig kon­stru­iert, jedoch gleich­zei­tig auch als femi­nin, ver­weich­licht und/oder homo­se­xu­ell. „Die ori­en­ta­li­sche Frau“ hin­ge­gen wur­de als „Harems­da­me“ im Prin­zip aus­schließ­lich auf Kör­per­lich­keit und Sexua­li­tät zurück­ge­wor­fen. Bei­de Zuschrei­bun­gen fin­den sich auch in aktu­el­len Dis­kur­sen um „mus­li­mi­sche Ver­ge­wal­ti­ger“ und „unter­drück­te Kopf­tuch­trä­ge­rin­nen“ wider. Die Per­spek­ti­ve auf das anti­mus­li­mi­sche Res­sen­ti­ment als ras­sis­ti­sches grenzt sich dabei vom umstrit­te­nen Isla­mo­pho­bie-Begriff ab. Zum einen, da die­ser als psy­cho­lo­gi­sie­rend und indi­vi­dua­li­sie­rend kri­ti­siert wird, und zum ande­ren auf­grund der Tat­sa­che, dass poli­ti­sche Kri­tik an isla­misch begrün­de­ten antieman­zi­pa­to­ri­schen Gesell­schafts­ent­wür­fen mit­un­ter pau­schal als „isla­mo­phob“ abge­wehrt wird.

Konjunkturen des „Rassedenkens“ und unterschiedliche Ebenen, auf denen Rassismus wirkt

Die zwei­te gesell­schaft­li­che Ebe­ne betrifft die Kon­junk­tu­ren ras­sis­ti­scher Dis­kur­se sowie die kon­kre­ten gesell­schaft­li­chen Kon­tex­te, in denen sich Ras­sis­mus arti­ku­liert. Hier kann zwi­schen fol­gen­den Dimen­sio­nen unter­schie­den werden:

  • Pseu­do­wis­sen­schaft­li­che „Rassen“theorien: Ab dem 18. Jahr­hun­dert ent­wi­ckel­ten sich schein­wis­sen­schaft­li­che bio­lo­gis­ti­sche „Rassen“theorien, die die Über­le­gen­heit bestimm­ter „Ras­sen“ über ande­re unter­mau­ern soll­ten und schließ­lich im Natio­nal­so­zia­lis­mus kul­mi­nier­ten. Nach 1945 hät­ten die­se Theo­rien eigent­lich obso­let wer­den sol­len, lei­der wer­den sie jedoch nach wie vor von vie­len Men­schen geglaubt.
  • Dif­fe­ren­tia­lis­ti­scher bzw. kul­tu­ra­lis­ti­scher Ras­sis­mus: Der moder­ne Ras­sis­mus bedient sich oft­mals der Bezug­nah­me auf die Vor­stel­lung ver­schie­de­ner „Kul­tu­ren“, seit­dem der klas­si­sche Ras­sis­mus als unwis­sen­schaft­lich ent­larvt wur­de. Was frü­her als „natur­ge­ge­ben“ bzw. bio­lo­gis­tisch argu­men­tiert wur­de, ist durch die Beru­fung auf ver­meint­lich unver­än­der­ba­re und angeb­lich unüber­wind­ba­re „kul­tu­rel­le Unter­schie­de“ abge­löst wor­den. Eti­en­ne Bali­bar und Imma­nu­el Wal­ler­stein nen­nen die­ses Phä­no­men „Ras­sis­mus ohne Ras­sen“. Im deutsch­spra­chi­gen Raum wur­de eine ähn­li­che Ana­ly­se von Manue­la Boja­dži­jev und Alex Demi­ro­vic (2002) mit Blick auf ras­sis­ti­sche Kon­junk­tu­ren und den Anstieg von anti­mus­li­mi­schem Ras­sis­mus vorgenommen.
  • All­tags­ras­sis­mus: Die­se Bezeich­nung meint die Über­nah­me ras­sis­ti­scher Ste­reo­ty­pe in all­täg­li­chen Situa­tio­nen durch Denk- und Hand­lungs­for­men, wel­che die zugrun­de lie­gen­den Macht­struk­tu­ren sta­bi­li­sie­ren und ver­fes­ti­gen. In die­ser Form wird Ras­sis­mus nicht mehr hin­ter­fragt, son­dern von den domi­nan­ten Grup­pen als „nor­mal“ emp­fun­den und daher, wie Phi­lo­me­na Essed (1991) zeigt, von der nicht-ras­si­fi­zier­ten Grup­pe oft auch gar nicht bemerkt. Im deutsch­spra­chi­gen Raum hat sich Bri­git Rom­mel­s­pa­cher (1995) mit sol­chen Domi­nanz­ver­hält­nis­sen beschäftigt.
  • Insti­tu­tio­nel­ler Ras­sis­mus (struk­tu­rel­le Dis­kri­mi­nie­rung): Dies meint die Ungleich­be­hand­lung und Dis­kri­mi­nie­rung inner­halb gesell­schaft­li­cher Insti­tu­tio­nen, wie z.B. Schu­le, Exe­ku­ti­ve oder Jus­tiz­sys­tem. Die Ana­ly­se­per­spek­ti­ve ent­wi­ckel­te sich im US-ame­ri­ka­ni­schen Kon­text im Zuge der Bürger_innenrechtsbewegung. Geprägt wur­de der Begriff bereits in den 1960ern von den Bür­ger­recht­lern Sto­ke­ly Car­mi­cha­el und Charles V. Hamil­ton. Im deutsch­spra­chi­gen Kon­text über­nah­men Nora Räth­zel (2000) sowie von Mari­on Gomol­la und Frank Olaf Rad­tke (2002) die­se Ana­ly­se­per­spek­ti­ve ab den 1990er Jahren.

Wenn alle genann­ten Dimen­sio­nen von Ras­sis­mus in den Blick genom­men wer­den, wird klar, dass es sich dabei um ein Set an bio­lo­gis­ti­schen und kul­tu­ra­lis­ti­schen Deu­tungs­mus­tern han­delt, die dis­kri­mi­nie­ren­de Hand­lungs­an­ge­bo­te (Abgren­zung, Abwer­tung, etc.) beinhal­ten. Inso­fern ist ras­sis­ti­sches Den­ken und Han­deln auch nicht nur am so genann­ten „rech­ten Rand“ ver­or­tet, son­dern als sozia­les Ver­hält­nis zu ver­ste­hen, das dem­entspre­chend auch gesamt­ge­sell­schaft­lich wirk­sam ist. Inso­fern muss das Phä­no­men auch aus all die­sen unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven ana­ly­siert und kri­ti­siert wer­den, wes­halb sich inner­halb der Ras­sis­mus­for­schung auch kom­ple­men­tä­re Erklä­rungs­an­sät­ze ent­wi­ckel­ten, die neben der struk­tu­rel­len Dimen­si­on einer­seits aus sozi­al­psy­cho­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve fra­gen, was der Ras­sis­mus eigent­lich den Rassist_innen bringt und ande­rer­seits erfor­schen, wie er sich im gesell­schaft­li­chen Dis­kurs artikuliert.

Zur Autorin: Julia Edtho­fer ist Sozio­lo­gin in Wien, arbei­tet schwer­punkt­mä­ßig zu Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus und ist Teil der For­schungs­grup­pe Ideo­lo­gien und Poli­ti­ken der Ungleich­heit (www.fipu.at).

Zum Weiterlesen:

  • Gor­don W. All­port (1971): Die Natur des Vor­ur­teils. Köln.
  • Eti­en­ne Bali­bar & Imma­nu­el  Wal­ler­stein (1990): Ras­se – Klas­se – Nati­on: ambi­va­len­te Iden­ti­tä­ten, Hamburg/Berlin.
  • Manue­la Boja­dži­jev  & Alex Demi­ro­vic (Hg.) (2002): Kon­junk­tu­ren des Ras­sis­mus, Ver­lag West­fä­li­sches Dampf­boot, Münster.
  • Patri­cia H. Coll­ins (2004): Black Sexu­al Poli­tics. Afri­can Ame­ri­cans, Gen­der and the New Racism, New York/London.
  • Phi­lo­me­na Essed (1991): Under­stan­ding Ever­y­day Racism. An Inter­di­sci­pli­na­ry Theo­ry, London.
  • Mari­on Gomol­la & Frank ‑Olaf Rad­tke (2002): Insti­tu­tio­nel­le Dis­kri­mi­nie­rung. Die Her­stel­lung eth­ni­scher Dif­fe­renz in der Schu­le. Opladen.
  • Stuart Hall (2004): Ideo­lo­gie Iden­ti­tät Reprä­sen­ta­ti­on. Aus­ge­wähl­te Schrif­ten IV. Hamburg.
  • Max Hork­hei­mer & Theo­dor W. Ador­no (1969): Dia­lek­tik der Auf­klä­rung. Phi­lo­so­phi­sche Frag­men­te, Frank­furt am Main.
  • Julia Kris­t­e­va (1990): Frem­de sind wir uns selbst, Frank­furt am Main.
  • Paul Mecher­il & Claus Mel­ter (Hg.) (2012): Rasiss­mus­kri­tik. Band 1: Ras­sis­mus­theo­rie und –for­schung, Schwalbach.
  • Robert Miles (1991): Ras­sis­mus. Ein­füh­rung in die Geschich­te und Theo­rie eines Begriffs, Hamburg.
  • Geor­ge L. Mos­se (1990): Die Geschich­te des Ras­sis­mus in Euro­pa. Fischer, Frankfurt.
  • Léon Poli­a­kov (1999): Der ari­sche Mythos – Zu den Quel­len von Ras­sis­mus und Natio­na­lis­mus, Hamburg.
  • Nora Räth­zel (Hg.) (2000): Theo­rien über Ras­sis­mus, Hamburg.
  • Bir­git Rom­mel­s­pa­cher (1995): Domi­nanz­kul­tur. Tex­te zu Fremd­heit und Macht, Berlin.
  • Peter Schmitt-Egner (1975): Kolo­nia­lis­mus und Faschis­mus, Gießen/Lollar.