Rechtsterrorismus: Das geht auch uns etwas an!

Viel wird der­zeit in Deutsch­land über den Mord­fall Lüb­cke dis­ku­tiert – end­lich, muss man sagen, denn dass Poli­tik und Medi­en sich damit über­haupt inten­si­ver beschäf­ti­gen, hat viel zu lan­ge gedau­ert. Wie sich man­che nun äußern, zeigt, wie wenig Wis­sen und Pro­blem­be­wusst­sein in Hin­blick auf das The­ma Rechts­ter­ro­ris­mus bei den Ver­ant­wort­li­chen da ist. Wir haben inzwischen […]

19. Jun 2019
Gewaltbereite Neonazis in Kassel 2002: Neonazis mit dem Tatverdächtigen Stephan E. mit Stuhl in der Hand (1.v.r.) – Bildrechte: NSU Watch

Der Regie­rungs­prä­si­dent der Stadt Kas­sel, Wal­ter Lüb­cke, wur­de am 2. Juni mit einem Kopf­schuss auf der Ter­ras­se sei­nes Hau­ses hin­ge­rich­tet. Ver­mu­tun­gen, dass die Mord­tat einen rechts­extre­men Hin­ter­grund haben könn­te, wur­den schnell laut, aber das küm­mer­te vor­erst kaum jeman­den. Selbst die CDU, der Lüb­cke ange­hör­te, reagier­te mit erstaun­li­cher Zurückhaltung.

Der Mord­tat vor­aus­ge­gan­gen waren brei­te Hass­kam­pa­gnen aus dem rech­ten und rechts­extre­men Spek­trum, das ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche, rechts­extre­me Por­tal „PI News“ ver­öf­fent­lich­te Lüb­ckes Büro­adres­se, Tele­fon­num­mer und E‑Mail-Adres­se. „Die Zeit“ hat eine unvoll­stän­di­ge Chro­no­lo­gie der Hetz­kam­pa­gne gegen Lüb­cke ver­öf­fent­licht. Ganz vor­ne dabei waren Mit­glie­der aus der AfD und die ehe­ma­li­ge CDU-Poli­ti­ke­rin Eri­ka Steinbach.

Der mut­maß­li­che Täter Ste­phan E. kommt aus dem neo­na­zis­ti­schem Umfeld, er hat auch Ver­bin­dun­gen zu „Com­bat 18“, dem rechts­ter­ro­ris­ti­schen Able­ger von „Blood & Honour“. Inzwi­schen schlie­ßen die ermit­teln­den Behör­den nicht mehr aus, dass es Mit­tä­ter gab: „Die Bun­des­an­walt­schaft geht Hin­wei­sen nach, dass es im Fall des Anfang Juni ermor­de­ten hes­si­schen CDU-Poli­ti­kers Wal­ter Lüb­cke meh­re­re Täter gege­ben haben könn­te.“ (sueddeutsche.de, 18.6.19)

Gewaltbereite Neonazis in Kassel 2002: Neonazis mit dem Tatverdächtigen Stephan E. mit Stuhl in der Hand (1.v.r.) – Bildrechte: NSU Watch
Gewalt­be­rei­te Neo­na­zis in Kas­sel 2002 mit dem Tat­ver­däch­ti­gen Ste­phan E. mit Stuhl in der Hand (1.v. r.) – Bild­rech­te: NSU Watch

Sym­pto­ma­tisch ist, dass bedeu­ten­de Hin­wei­se zum jetzt fest­ge­nom­me­nen Tat­ver­däch­ti­gen Ste­phan E. aus der anti­fa­schis­ti­schen Sze­ne kamen und noch immer kom­men, die die Rol­le des Watch­dog mit gerin­gen oder über­haupt kei­nen finan­zi­el­len Mit­teln bes­ser aus­zu­fül­len schei­nen als Poli­tik und Verfassungsschutz.

Und Öster­reich?

Aus Recher­chen des Stan­dard wis­sen wir, dass es zu in Deutsch­land auf­ge­flo­ge­ne Chat-Grup­pen, die den „Tag X“ u.a. mit der Ermor­dung von „Fein­den“ vor­be­rei­te­ten, Ver­bin­dun­gen nach Öster­reich gibt. „Deut­sche Behör­den ent­deck­ten im Jahr 2017 pri­va­te Chat­grup­pen, deren Mit­glie­der auch ehe­ma­li­ge oder akti­ve Poli­zis­ten, Sol­da­ten oder Beam­te waren. In die­sen Grup­pen wur­den mili­tä­ri­sche, inter­ne Lage­bil­der und Tipps aus­ge­tauscht. Man woll­te sich auf einen Tag X vor­be­rei­ten, also auf ein Hor­ror­sze­na­rio wie eine Ter­ror­wel­le, durch das die staat­li­che Ord­nung zusam­men­bricht. Ein­zel­ne Mit­glie­der der Chat­grup­pen leg­ten auch Lis­ten mit ‚Fein­den’ an, die sie am Tag X in Kaser­nen sam­meln und töten woll­ten. (…) Es gab im Tag-X-Netz­werk eini­ge Chat­grup­pen, die mit­ein­an­der ver­bun­den waren. Die Exis­tenz von Nord, Nord­kreuz, Süd und Basis ist bestä­tigt. Zeu­gen sag­ten zu deut­schen Ermitt­lern, dass es auch eine Öster­reich-Chat­grup­pe gab. Das bestä­tig­ten indi­rekt auch Ver­fas­sungs­schutz-Chef Peter Grid­ling und Bun­des­heer­spre­cher Micha­el Bau­er. Ihre Mit­glie­der und Inhal­te sind jedoch nicht bekannt. Fakt ist, dass Mit­glie­der der Nord-Chat­grup­pe 2015 zum Schie­ßen und Mar­schie­ren in Nie­der­ös­ter­reich waren.“ (derstandard.at, 28.3.19) Ver­bin­dun­gen könn­ten bis in das Bun­des­heer hin­ein rei­chen.

Wie wir inzwi­schen schon oft hin­ge­wie­sen haben, hat „Com­bat 18“ einen Able­ger in Vor­arl­berg. Gesin­nungs­ka­me­ra­den aus dem Umkreis von „Blood & Honour“ haben 2016 Schieß­übun­gen mit inter­na­tio­na­ler Betei­li­gung in Vor­arl­berg durch­ge­führt. Die SPÖ-Abge­ord­ne­te Sabi­ne Schatz hat dazu eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an Ex-Innen­mi­nis­ter Her­bert Kickl gerich­tet, des­sen Ant­wort schier atem­be­rau­bend aus­fiel: Bei den ange­spro­che­nen Schieß­übun­gen in einer Feld­kirch­ner Schieß­hal­le han­delt es sich um pri­va­te Akti­vi­tä­ten. Die­se sind nicht mel­de­pflich­tig, wes­halb in die­sem Zusam­men­hang auch kei­ne anfra­ge­spe­zi­fi­schen Daten und Zah­len vorliegen.“ 

Es ist nur zu hof­fen, dass es hier­zu­lan­de kein böses Erwa­chen gibt. Weg­schau­en funk­tio­niert nicht, daher geht das The­ma Rechts­ter­ro­ris­mus auch uns etwas an!

Lese­tipp: Die fal­schen Vor­stel­lun­gen von rechts­extre­mem Terror

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