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Burschenschafter als V‑Mann des Verfassungsschutzes

Die Indi­zi­en­ket­te ist ziem­lich dicht, dass Nor­bert Weid­ner, bis 2012 Chef­re­dak­teur der Bur­schen­schaft­li­chen Blät­ter der Deut­schen Bur­schen­schaft (DB) , ein V‑Mann des Ver­fas­sungs­schut­zes war. Weid­ner, der 2011 die Ermor­dung des Wider­stands­kämp­fers Diet­rich Bon­hoef­fer durch die Nazis für „juris­tisch gerecht­fer­tigt“ hielt und mit die­sem Eklat einen wich­ti­gen Anstoß für den Zer­fall der DB lie­fer­te, will sich […]

12. Jan 2014

Nor­bert Weid­ner, Bur­schen­schaf­ter der rechts­extre­men Rac­zeks zu Bonn, war in den 90er Jah­ren zunächst Mit­glied der neo­na­zis­ti­schen Wiking-Jugend, dann der Frei­heit­li­chen Deut­schen Arbei­ter­par­tei (FAP).

Das „Anti­fa­schis­ti­sche Info-Blatt“ (AIB) hat in sei­ner jüngs­ten Aus­ga­be die Indi­zi­en für Weid­ners V‑Mann-Tätig­keit zusam­men­ge­tra­gen, auf haskala.de ist eine Zusam­men­fas­sung zu lesen. Zeit Online hat Weid­ner zu den Vor­wür­fen befragt, doch der will sich dazu nicht kon­kret äußern, son­dern spricht von einer weit­aus kom­ple­xe­ren Sachlage.

Per­plex ist man jeden­falls nach der Lek­tü­re des Bei­trags im AIB über den Bun­des-NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss, in dem die Schluss­fol­ge­rung gezo­gen wird, dass ohne das V‑Leu­te-Sys­tem der bun­des­deut­schen Nach­rich­ten­diens­te den neo­na­zis­ti­schen Grup­pie­run­gen der 90er Jah­re der qua­li­ta­ti­ve Sprung bzw. die Ver­brei­te­rung und Aus­dif­fe­ren­zie­rung in den 2000er Jah­ren wohl nicht mög­lich gewe­sen wäre:

„Tat­säch­lich geben die Abschluss­be­rich­te des baye­ri­schen NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses und des Bun­des­tags­un­ter­su­chungs­aus­schus­ses, das Schei­tern des NPD-Ver­bots­an­trag im Jahr 2002 sowie zahl­rei­che Recher­chen von Medi­en und anti­fa­schis­ti­schen Pro­jek­ten eine ein­deu­ti­ge Ant­wort auf die Fra­ge, wie viel Staat in der Neo­na­zi­sze­ne der 1990er Jah­re steckt: Mitt­ler­wei­le muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass es kaum eine über­re­gio­nal akti­ve bzw. rele­van­te Neo­na­zi­struk­tur ohne V‑Leute von Inlands­nach­rich­ten­diens­ten gege­ben hat. Und ohne das V‑Leu­te-Sys­tem wäre den sowohl im Hin­blick auf die Anzahl der Akti­vis­tIn­nen als auch Orga­ni­sa­tio­nen über­schau­ba­ren und hier­ar­chi­schen Neo­na­zi­struk­tu­ren der 1990er Jah­re der Sprung zur Neo­na­zi­be­we­gung in den 2000er Jah­ren nicht gelun­gen. Die Bewe­gung von heu­te zeich­net sich dadurch aus, dass sie vie­ler­orts sozi­al ver­an­kert ist, teil­wei­se aus der Mit­te der klein­städ­ti­schen und dörf­li­chen Gemein­schaf­ten kommt bzw. dort fes­ten Anschluss hat, in ihrer sozia­len Her­kunft eben­so breit gefä­chert ist wie in ihrer Alters­struk­tur und in ihren poli­ti­schen und sozia­len Model­len und Orga­ni­sa­ti­ons­for­men: In der Neo­na­zi-Bewe­gung von heu­te gibt es für jeden ein Zuge­hö­rigs­keits­an­ge­bot: von den mili­tan­ten »Auto­no­men Kame­rad­schaf­ten« über NPD-Orts­ver­ei­ne, über sze­ne­e­ige­ne mit­tel­stän­di­sche Bau­un­ter­neh­men, sub­kul­tu­rel­le Musik­sze­nen bis hin zu Hoch­schul­grup­pen und par­la­men­ta­ri­scher Arbeit in den Land­tags­frak­tio­nen der NPD in Sach­sen und Meck­len­burg-Vor­pom­mern. In den frü­hen 1990er Jah­ren dage­gen waren Neo­na­zis in einer klar abge­grenz­ten Sze­ne orga­ni­siert, deren ver­meint­lich »rebel­li­sches Image« und sozio-poli­ti­sches Ange­bot sich vor allem an Jugend­li­che und jun­ge Erwach­se­ne rich­te­te“ (AIB Nr 101) .

Schon 1997 wur­de das Sys­tem der V‑Leute (und damit die bun­des­deut­schen Inlands­ge­heim­diens­te) in einem The­sen­pa­pier des Bun­des­kri­mi­nal­am­tes hef­tig kri­ti­siert. Der „Spie­gel“ berich­te­te im Novem­ber 2012 über die­ses Papier, in dem auch über Bei­spie­le illus­triert wur­de, wie die poli­zei­li­che Ermitt­lungs­ar­beit durch Ver­fas­sungs­schüt­zer, die ihre V‑Leu­te-Quel­len warn­ten und schütz­ten, behin­dert wurde.

Eines der Bei­spie­le betrifft einen füh­ren­den Funk­tio­när der FAP (Weid­ner war Lan­des­ge­schäfts­füh­rer der FAP in Nordrhein-Westfalen):

„So habe ein V‑Mann aus dem Füh­rungs­zir­kel der rechts­extre­men „Frei­heit­li­chen Deut­schen Arbei­ter­par­tei” (FAP) kon­spi­ra­ti­ve Par­tei­ta­ge orga­ni­siert, die die Poli­zei ver­ge­bens zu ver­hin­dern such­te. Vor dem Ver­bot der FAP im Febru­ar 1995 sei der V‑Mann gewarnt wor­den und habe zwei Abfall­sä­cke voll belas­ten­den Mate­ri­als per Reiß­wolf ver­nich­ten kön­nen. Er habe sich schon lan­ge gewun­dert, „wie gut sein Sohn über poli­zei­li­che und jus­ti­zi­el­le Maß­nah­men infor­miert gewe­sen sei”, gab der Vater des V‑Mannes bei einer Ver­neh­mung zu Pro­to­koll” (Der Spie­gel Nr. 45/2012) .

Die Deut­sche Bur­schen­schaft hat bis­lang zu den Vor­wür­fen gegen ihren ehe­ma­li­gen Spit­zen­funk­tio­när Weid­ner eben­so wenig Stel­lung genom­men wie sei­ne Ver­bin­dung „Alte Bres­lau­er Bur­schen­schaft der Rac­zeks zu Bonn“. Weid­ner selbst gibt — abge­se­hen von den dür­ren State­ments gegen­über „Zeit“ und „Spie­gel“ — auf sei­nem Twit­ter-Account nur Mel­dun­gen zum FPÖ-Bur­schen­schaf­ter­ball in der Hof­burg zum Bes­ten. Wird er viel­leicht einer der inter­na­tio­na­len Gäs­te sein? Er wür­de jeden­falls wun­der­bar zum Flair die­ses Balls passen!