Wochenrückblick KW 50, 51, 52/22 und 1/23 (Teil 2)

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Ein star­kes Stück, dass da ein Ex-ÖVP-Poli­ti­ker in der Stei­er­mark gelie­fert hat. Denn für ihn ver­die­ne die Kriegs­ge­nera­ti­on (jene aus dem Zwei­ten Welt­krieg) „Dank, Aner­ken­nung und Respekt“, und auch in Bezug auf die Waf­fen-SS sieht er eine gene­rel­le Ver­ur­tei­lung als „gren­zen­lo­se Feig­heit und unmo­ra­li­sches Vor­ge­hen“. Zwei star­ke Stü­cke hat auch Kärn­ten bei­zu­tra­gen: ein­mal beim Grab­mal für den ehe­ma­li­gen Gau­lei­ter Fried­rich Rai­ner und ein zwei­tes bei einer Grab­ta­fel für den NS-Ver­bre­cher Odi­lo Glo­boc­nik. Zudem im Ange­bot: zwei Tiro­ler Brau­ne, die es irgend­wie dar­auf anleg­ten, erwischt zu werden.

Kapfenberg/Stmk: Ein Alt­bür­ger­meis­ter mit SS-Ver­gan­gen­heit und ein Alt­bür­ger­meis­ter auf geschichts­re­vi­sio­nis­ti­schem Kurs
Kla­gen­furt-Rad­lach/K: Ermitt­lun­gen wegen Rai­ner-Grab und kein Hand­lungs­be­darf bei Globocnik-Grabtafel
Brixlegg/T: Ver­lo­re­nes Han­dy am Tatort
Tirol: Neo­na­zi wie­der verhaftet
Wien: Faschis­ti­scher Aufmarsch

Kapfenberg/Stmk: Ein Altbürgermeister mit SS-Vergangenheit und ein Altbürgermeister auf geschichtsrevisionistischem Kurs

Weit über Kap­fen­berg hin­aus hat ein Arti­kel des Stan­dard-Jour­na­lis­ten Mar­kus Sulz­bach­er zur bis­lang nicht the­ma­ti­sier­ten SS-Ver­gan­gen­heit des Kap­fen­ber­ger Ex-Bür­ger­meis­ters Franz Feke­te (SPÖ) Wel­len geschla­gen. Feke­te, nach dem seit 2001 das Kap­fen­ber­ger Fuß­ball­sta­di­on benannt ist, war laut Unter­la­gen aus dem Bun­des­ar­chiv in Ber­lin Ange­hö­ri­ger einer SS-Ein­heit, die auch zur Bewa­chung Von KZ abge­stellt wurde.

Laut die­sen Doku­men­ten wur­de Feke­te am 1. April 1939 als SS-Mann unter der SS-Num­mer 135982 in die 1. Kom­pa­nie der 3. SS-Toten­kopf­stan­dar­te „Thü­rin­gen” am Stand­ort Wei­mar-Buchen­wald auf­ge­nom­men. „Die­se Ein­heit war eine von drei Stan­dar­ten, die am 1. Juli 1937 aus den bis­he­ri­gen Toten­kopf-Sturm­ban­nen her­vor­ge­gan­gen waren. Deren Mit­glie­der erhiel­ten an den gro­ßen KZ-Stand­or­ten Dach­au, Sach­sen­hau­sen und Buchen­wald eine mili­tä­ri­sche Grund­aus­bil­dung, waren aber auch mit der Bewa­chung der Häft­lin­ge der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger betraut”, erklärt der Wis­sen­schaf­ter Holm Kirs­ten, der die his­to­ri­sche Samm­lung der KZ-Gedenk­stät­te Buchen­wald im deut­schen Thü­rin­gen lei­tet. (derstandard.at, 21.11.22)

Feke­te selbst war in Buchen­wald, Dach­au und ab 1944 in War­schau istationiert.

Historiker*innenkommission prüft

In Reak­ti­on auf Sulz­bachs Ent­hül­lung wur­de eine Umbe­nen­nung des Fuß­ball­sta­di­ons gefor­dert. Selbst der Öster­rei­chi­sche Fuß­ball­bund erklär­te prompt, Feke­tes Namen bei der Nen­nung des Sta­di­ons nicht mehr ver­wen­den zu wol­len. Die Kap­fen­ber­ger Stadt­re­gie­rung setz­te eine Historiker*innenkommission ein, die nicht nur die Ver­gan­gen­heit von Feke­te auf­ar­bei­ten, son­dern gleich auch alle Ver­kehrs­flä­chen­be­nen­nun­gen unter­su­chen und etwa­ige Umbe­nen­nun­gen emp­feh­len soll.

Und dann kam Heinz Glössl

An die Zeit rund um Kurt Wald­heims Wahl zum Bun­des­prä­si­den­ten erin­ner­te ein Leser­brief des ehe­ma­li­gen ÖVP-Bür­ger­meis­ters des Orts­teils Röthel­stein der Stadt­ge­mein­de Frohn­lei­ten, Heinz Glössl. Selbst die Bezirks­zei­tung (19.12.22), an die der Brief ging, iden­ti­fi­zier­te „teils frag­wür­di­gen Inhalt“. Glössl stößt sich dar­an, dass dem aus sei­ner War­te ver­dienst­vol­len Kap­fen­ber­ger Ex-Bür­ger­meis­ters Feke­te „die ihm zuer­kann­te Ehrung“ aberkannt wer­den soll, „nur weil er bei der Waf­fen-SS gedient hat“. Zudem ver­sucht sich Glössl nicht nur in einer his­to­ri­schen Rein­wa­schung der Kriegs­ge­nera­ti­on im All­ge­mei­nen, der aus sei­ner Sicht „Dank, Aner­ken­nung und Respekt“ gebüh­re, son­dern auch in einer hart an Geschichts­re­vi­sio­nis­mus gren­zen­den Exkul­pa­ti­on der Waf­fen-SS. Reak­tio­nen dazu sind uns nicht bekannt.

Wenn heu­te den dama­li­gen Sol­da­ten der Waf­fen-SS glo­bal der Vor­wurf gemacht wird, beson­ders grau­en­haft gehan­delt zu haben und des­halb ver­sucht wird, deren Namen aus der Geschich­te zu löschen, fin­de ich es als gren­zen­lo­se Feig­heit und unmo­ra­li­sches Vor­ge­hen gegen­über die­ser Generation.

Klagenfurt-Radlach/K: Ermittlungen wegen Rainer-Grab und kein Handlungsbedarf bei Globocnik-Grabtafel

Die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt hat nun auf­grund der Sach­ver­halts­dar­stel­lung der Grü­nen Natio­nal­rats­bge­ord­ne­ten Olga Vog­lau­er Ermitt­lun­gen wegen des Grabs des ehe­ma­li­gen Gau­lei­ters von Kärn­ten und Salz­burg, Fried­rich Rai­ner, am Fried­hof Anna­bichl in Kla­gen­furt ein­ge­lei­tet, wie der „Stan­dard“ (28.12.22) berich­tet: Wie dem STANDARD nun bestä­tigt wur­de, erteil­te die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt dem Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (LVT) einen Ermitt­lungs­auf­trag. Es lau­fen Erhe­bun­gen nach dem Ver­bots­ge­setz, in wei­te­rer Fol­ge könn­te auch ein Ver­stoß gegen das Abzei­chen­ge­setz geprüft werden.

Ange­zeigt wur­den die ver­bo­te­ne Lebens­ru­ne und ein Zitat von Adolf Hit­ler, die sich bei­de auf dem Grab­stein befin­den. Bis­lang noch nicht im Visier war jedoch die an ein Haken­kreuz erin­nern­de Orna­men­tik auf der Later­ne des Grabs. Es fällt – ange­sichts des Umfelds – dabei schwer, an einen Zufall zu glauben.

Grabstein von Friedrich Rainer mit Hitler-Zitat und Lebens- und Todesrunen (Foto: Presseservice)

Grab­stein von Fried­rich Rai­ner mit Hit­ler-Zitat, Lebens- und Todes­ru­nen und Later­ne (Foto: Presseservice)

Laterne am Rainer-Grab mit hakenkreuzähnlicher Ornamentik (Twitter @wienerjugo)

Later­ne am Rai­ner-Grab mit haken­kreuz­ähn­li­cher Orna­men­tik (Twit­ter @wienerjugo)

Grab­ta­fel für Odi­lo Globocnik

Völ­lig über­rascht gibt sich auch der Bür­ger­meis­ter der klei­nen Kärnt­ner Gemein­de Rad­lach, als der Stan­dard-Redak­teur Tho­mas Hoisl ihn damit kon­fron­tier­te, dass am Rad­la­cher Fried­hof eine Grab­ta­fel ohne jeg­li­che Kon­tex­tua­li­sie­rung an den NS-Mas­sen­mör­der Odi­lo Glo­boc­nik erinnert.

Dabei war das omi­nö­se Grab vor eini­gen Jah­ren schon ein­mal dem slo­we­ni­schen Ger­ma­nis­ten Miha­el Toš auf­ge­fal­len. Er forsch­te anläss­lich eines päd­ago­gi­schen Pro­jekts zum The­ma Holo­caust und stieß über Gerüch­te auf den Fried­hof in Rad­lach: „Ich wür­de ger­ne sagen, dass ich das Grab ent­deckt habe, aber zumin­dest eini­ge Leu­te im Ort ken­nen die Inschrift und die Bedeu­tung”, sagt Toš, der damals mit Ein­hei­mi­schen ins Gespräch gekom­men sei.

Der lang­jäh­ri­ge SPÖ-Bür­ger­meis­ter der Gemein­de, Ewald Tsch­ab­it­scher, will die Inschrift hin­ge­gen nicht ken­nen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD: „Bis heu­te hat­te ich kei­ne Kennt­nis von einem Grab­stein mit dem Namen Odi­lo Glo­boc­nik.” Für ihn bestehe aktu­ell kein Hand­lungs­be­darf: „Mich hat noch nie jemand dar­auf ange­spro­chen oder sich dazu geäu­ßert.“ (derstandard.at, 20.12.22)

Kein Hand­lungs­be­darf also! Wird nun wie beim Rai­ner-Grab, auf des­sen NS-Sym­bo­lik die Stadt Kla­gen­furt schon vor Jah­ren auf­merk­sam gemacht wur­de, der alt­be­kann­te Kärnt­ner Weg des Umgangs mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und sei­ner Ver­bre­chen beschrit­ten? Zumin­dest solan­ge, bis es nicht mehr anders geht?

Brixlegg/T: Verlorenes Handy am Tatort

Die­se Mel­dung mit erhei­tern­den Ele­men­ten aus der Tiro­ler Tages­zei­tung (24.12.22, S. 4) wol­len wir unse­ren Leser*innen nicht vorenthalten

Brix­legg — Weil er sein Han­dy bei einem Haken­kreuz ver­lor, erhielt ein Unter­län­der am Mitt­woch Besuch von der Poli­zei. Dabei wur­den Dro­gen ent­deckt. Auf den Fall auf­merk­sam wur­de ein Poli­zist, der am Mitt­woch zu Fuß auf dem Weg zur Inspek­ti­on in Kramsach war. Noch in Brix­legg ent­deck­te der Beam­te einen beschä­dig­ten Zaun, dane­ben ein Han­dy und ein in den Schnee gedrück­tes Haken­kreuz. Das Tele­fon führ­te zu einem 46-Jäh­ri­gen, der offen­bar unter Dro­gen­ein­fluss stand. Bei der anschlie­ßen­den Haus­durch­su­chung spür­te ein Poli­zei­hund etwas Koka­in, Can­na­bis und meh­re­re Hanf­setz­lin­ge auf. Wei­ters fan­den die Beam­ten eine gestoh­le­ne Ban­ko­mat­kar­te und Haken­kreu­ze auf einer Tabak-Tasche.

Tirol: Neonazi wieder verhaftet

Schon im Zuge sei­ner ers­ten Ver­haf­tung im Dezem­ber 2021 erklär­ten die Behör­den, über ein hal­bes Jahr hin­weg „inten­si­ve Ermitt­lun­gen“ (tirol.orf.at, 9.12.21) durch­ge­führt zu haben, die schließ­lich zu einer Haus­durch­su­chung und der Ver­haf­tung des heu­te 55-jäh­ri­gen Tiro­lers geführt hat­ten. Vor­ge­wor­fen wur­de damals dem Kuf­stei­ner, zwei Neo­na­zi-Web­sites betrie­ben zu haben.

Im Pro­zess wur­de erör­tert, dass Pro­pa­gan­da­fly­er und Visi­ten­kar­ten inklu­si­ve Woh­nungs­adres­se, die der Kuf­stei­ner zur Bewer­bung sei­ner Web­sites ver­teilt hat­te, die Poli­zei auf die Spur brach­ten. Aber viel­leicht dach­te die Exe­ku­ti­ve, dass nie­mand so dumm sein kann und Visi­ten­kar­ten bei Bege­hung eines Delikts ver­teilt und ermit­tel­te des­halb so inten­siv? Die dama­li­ge Ver­hand­lung ende­te mit einem Schuld­spruch, sechs Mona­ten unbe­dingt, die der Neo­na­zi bereits mit der Unter­su­chungs­haft abge­ses­sen hat­te, sowie wei­te­ren 18 Mona­ten auf Bewäh­rung. Und die wird der Kuf­stei­ner nun wohl absit­zen müs­sen, nach­dem er offen­bar wie­der eine brau­ne Web­site an den Start und dafür wie­der Fly­er zur Ver­tei­lung brach­te. Dies­mal wur­den die Flug­blät­ter auf der spa­ni­schen Insel La Gome­ra auf­ge­fun­den, was jedoch auch nicht über­rascht, da der Tiro­ler regel­mä­ßig zwi­schen Spa­ni­en und Öster­reich pen­delt. Ein Fly­er wur­de an die NS-Mel­de­stel­le geschickt, wor­auf­hin dies­mal „umfas­sen­de Ermitt­lungs­maß­nah­men“ folg­ten. Die Erfolgs­mel­dung über die neu­er­li­che Ver­haf­tung ließ das Innen­mi­nis­te­ri­um mit­tels Pres­se­aus­sendung und Arti­kel auf der BMI-Web­site ver­brei­ten. Und so wis­sen wir nun, dass der wie­der ver­haf­te­te Tiro­ler Richard K. über­ra­schen­der­wei­se noch immer braun ist und der Innen­mi­nis­ter „den Ermitt­le­rin­nen und Ermitt­lern der Direk­ti­on Staats­schutz und Nach­rich­ten­dienst für ihre pro­fes­sio­nel­le und inten­si­ve Arbeit“ dankt. Das Tiro­ler LVT erhält vom Innen­mi­nis­ter jedoch kei­ne ver­ba­le Anerkennung.

Wien: faschistischer Aufmarsch

Kaum zur Kennt­nis genom­men wur­de, dass in Wien am 1.Jänner eine Trup­pe von ukrai­ni­schen Fans des NS-Kol­la­bo­ra­teurs und Kriegs­ver­bre­chers Ste­pan Ban­de­ra anläss­lich des­sen Geburts­tags durch die Stadt mar­schiert ist.

Mit eini­gen rot-schwar­zen Fah­nen, einer ein­zi­gen Fackel, jedoch ohne Por­trät von Ste­pan Ban­de­ra, das ukrai­ni­sche Rechts­ra­di­ka­le bei ihren tra­di­tio­nel­len Mär­schen am 1. Jän­ner stets mit­füh­ren, mar­schier­ten die Demons­tran­ten in Fol­ge über den Ring zur rus­si­schen Bot­schaft in der Reis­ner­stra­ße. Eine Sän­ge­rin inter­pre­tier­te zwei tra­di­tio­nel­le Kampf­lie­der der Ban­de­ra-Bewe­gung, deren Tex­te den meis­ten Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern sicht­lich unbe­kannt waren. Gemein­sam into­niert wur­de frei­lich „Unser Vater ist Ban­de­ra, die Ukrai­ne unse­re Mut­ter und für die Ukrai­ne wer­den wir kämp­fen”, ein bekann­ter Rock­song aus dem Jahr 2019, der zuletzt als pro­vo­kan­te Kampf­an­sa­ge gegen Russ­land ver­wen­det wur­de. In Wurf­wei­te der rus­si­schen Bot­schaft fand schließ­lich eine Abschluss­kund­ge­bung statt, bei der bekann­te Slo­gans skan­diert wur­den. (vienna.at, 1.1.23)