Bleiburg/Pliberk: Ist das Verbot des Ustaša-Treffens schon sicher?

Lesezeit: 5 Minuten

Der jähr­li­che Auf­marsch in Bleiburg/Pliberk, wo Faschis­ten, Neo­na­zis und Rechts­extre­me, vor­wie­gend aus Kroa­ti­en, die Ustaša abfei­er­ten, war zeit­wei­se die größ­te rechts­extre­me Demo euro­pa­weit. Nach jah­re­lan­gen Pro­tes­ten, Gegen­kund­ge­bun­gen und Ver­bots­for­de­run­gen reagier­te im Juli 2020 end­lich der Natio­nal­rat mit einem Antrag, in dem der Innen­mi­nis­ter auf­ge­for­dert wur­de, ein Ver­bot der faschis­ti­schen Fei­er anzu­pei­len. Der setz­te eine Arbeits­grup­pe ein, die jetzt eine rela­tiv deut­li­che Emp­feh­lung für ein Ver­bot ablie­fer­te. Oder doch nicht?

Die ers­ten Geden­ken an ein Mas­sa­ker, das so nie am Loi­ba­cher Feld bei Blei­burg statt­ge­fun­den hat, fan­den in den 1950er-Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts statt, Das alles und noch viel mehr ist in der aus­ge­zeich­ne­ten Bro­schü­re „Mythos Blei­burg. Zur Geschich­te und Aktua­li­tät des Ustaša-Tref­fens in Kärnten/Koroška“ des Arbeits­krei­ses (AK) Bleiburg/Pliberk nachzulesen.

Broschüre "Mythos Bleiburg", AK Pliberk/Bleiburg

Bro­schü­re „Mythos Blei­burg”, AK Pliberk/Bleiburg

In den 2000er-Jah­ren ent­wi­ckel­te sich das Ustaša-Tref­fen in Blei­burg unter der Patro­nanz der katho­li­schen Kir­che Kroa­ti­ens und rech­ter Politiker*innen (auch aus Öster­reich) zeit­wei­se zu einem der größ­ten rechts­extre­men Auf­mär­sche in Euro­pa – mit bis zu 30.000 TeilnehmerInnen.

Bleiburg/Pliberk 2015: Katholischer Klerus vorne dabei

Bleiburg/Pliberk 2015: Katho­li­scher Kle­rus vor­ne dabei

Dage­gen for­mier­te sich in den letz­ten Jah­ren auf sehr unter­schied­li­chen Ebe­nen Wider­stand, der von Gegen­de­mons­tra­tio­nen vor Ort und Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz über Arbeits­krei­se (neben dem schon erwähn­ten AK Bleiburg/Pliberk hat auch das Maut­hau­sen-Komi­tee eine Arbeits­grup­pe zu die­sem The­ma ein­ge­rich­tet) bis hin zu Akti­vi­tä­ten auf par­la­men­ta­ri­scher Ebe­ne (im öster­rei­chi­schen und im Euro­päi­schen Par­la­ment) reich­te und schließ­lich auch zu dem gemein­sa­men Ent­schlie­ßungs­an­trag von vier Par­tei­en (ÖVP, SPÖ, Grü­ne und Neos) führte.

Innen­mi­nis­ter Neham­mer setz­te dann eine Arbeits­grup­pe ein, die sich mehr­heit­lich aus Vertreter*innen jener Insti­tu­tio­nen zusam­men­setz­te, die sich in der Ver­gan­gen­heit nicht gera­de durch Wach­sam­keit aus­ge­zeich­net haben. Der AK Bleiburg/Pliberk schreibt dazu in einem aktu­el­len Kom­men­tar:

Hier beginnt das Pro­blem mit die­ser Arbeits­grup­pe. Einer­seits waren mit Bezirks­haupt­mann Klösch und Lan­des­po­li­zei­di­rek­to­rin Kohl­weiß zwei Schlüs­sel­fi­gu­ren der bis­her beschwich­ti­gen­den Behör­den­po­li­tik gegen­über dem Tref­fen ver­tre­ten (Arti­kel: Der Unwil­le der Behör­den), ande­rer­seits konn­ten der kärnt­ner Lan­des­amts­di­rek­tor-Stell­ver­tre­ter Mat­schek und der Ordi­nats­kanz­ler der Diö­ze­se Gurk Ibounig erklä­ren, wie­so sie bis­her alles rich­tig gemacht haben. Vor allem das Land Kärn­ten ermög­lich­te in der Ver­gan­gen­heit den Ankauf von immer neu­en Grund­flä­chen am Loi­ba­cher Feld / Libuš­ko pol­je und damit den mas­si­ven Aus­bau der Gedenk­stät­te, und seg­ne­te Ver­käu­fe, Wid­mun­gen und Bau­wer­ke ab. Eine kri­ti­sche Betrach­tung die­ses Aspekts durch exter­ne Expert*innen wäre wün­schens­wert gewesen.

Es ist also durch­aus über­ra­schend (und ver­mut­lich ein Ver­dienst der in der AG ver­tre­te­nen His­to­ri­ker), dass die Arbeits­grup­pe zu dem Ergeb­nis kam, das Ustaša-Tref­fen sei in der bis­he­ri­gen Form zu unter­sa­gen und zwei­tens müs­se auch der Gedenk­stein ver­schwin­den. Der Bericht ent­hält aber auch Emp­feh­lun­gen bzw. Hin­wei­se, wie eine Fei­er gestal­tet wer­den könn­te, damit sie erlaubt wird.

Gedenkstein Bleiburg/Pliberk muss weg (links die Šahovnica)

Gedenk­stein Bleiburg/Pliberk muss weg (links die Šahovnica)

Der AK Bleiburg/Pliberk lis­tet in sei­ner Ein­schät­zung der Arbeits­grup­pe des BMI detail­liert auf, was bei den Emp­feh­lun­gen lücken­haft ist, ver­ab­säumt bzw. durch die Auf­la­gen des BMI aus­ge­schlos­sen wur­de, kommt aber in sei­ner Schluss­fol­ge­rung zu einer vor­sich­tig posi­ti­ven, aber auch kri­ti­schen Bewertung:

Der Expert*innenbericht ist defi­ni­tiv ein Fort­schritt, weil er Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für die Zukunft gibt. Der Bericht ver­mei­det es das Behör­den­ver­sa­gen der Ver­gan­gen­heit auf­zu­ar­bei­ten, kommt aber nicht ganz umhin, die bis­he­ri­gen Ent­schei­dun­gen indi­rekt zu kri­ti­sie­ren. Für die öster­rei­chi­sche Ver­wal­tung ist es ein Armuts­zeug­nis, dass es einen Par­la­ments­be­schluss und in Fol­ge eine Arbeits­grup­pe mit 10+ Beamt*innen auf Minis­te­ri­um­s­ebe­ne samt drei­er Sektionschef*innen braucht, um die haar­sträu­ben­den Ent­schei­dun­gen und das zwei­fel­haf­te Ent­ge­gen­kom­men eines Bezirks­haupt­manns end­lich zu berich­ti­gen. Feh­ler­kul­tur? Fehlanzeige.

Der Bericht lässt sich als kla­res Ver­bot jeder Ver­an­stal­tung, der bei die­sen Ver­an­stal­tun­gen bestim­men­den Sym­bo­len und des für die Ver­an­stal­tung zen­tra­len Gedenk­steins lesen. Ob das jene Behör­de schafft umzu­set­zen, die bis­her schon Schwie­rig­kei­ten hat­te, ent­spre­chen­de Gut­ach­ten anzu­wen­den, wird sich zei­gen. Dafür, dass sich im Juli 2020 vier von fünf Par­la­ments­par­tei­en klar für ein Ver­bot der Fei­er aus­ge­spro­chen haben, ist das Ergeb­nis nicht zufrie­den­stel­lend. Weder gibt es einen admi­nis­tra­tiv-exe­ku­ti­ven noch einen legis­la­ti­ven Akt, der der Ver­an­stal­tung ein Ende berei­tet, wie­der liegt der Ball beim obers­ten Beam­ten eines Bezirks mit 40.000-Einwohner*innen. Bei einer 4/5‑Parlamentsmehrheit und 18 Mona­te Arbeit in der Arbeits­grup­pe wäre mehr drin­nen als die­ses Ver­bot mit Hintertür.

Die poli­ti­schen Reak­tio­nen auf die Emp­feh­lun­gen der Arbeits­grup­pe des BMI fie­len durch die Bank posi­tiv und erfreut, aber auch mit kri­ti­schen Anmer­kun­gen aus. Ein­zig die FPÖ, die schon den gemein­sa­men Ent­schlie­ßungs­an­trag vom Juli 2020 nicht mit­tra­gen woll­te, oppo­nier­te auch dies­mal. Ihr Kärnt­ner Lan­des­ob­mann und Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter Erwin Ange­rer fand es „ bedau­er­lich, dass das Recht auf ein wür­de­vol­les Toten­ge­den­ken in die­sem Fall igno­riert wird, weil eine poli­ti­sche Instru­men­ta­li­sie­rung der Trau­er­fei­ern statt­fin­det“ (zit. nach derstandard.at, 24.11.21).

Vice Vuko­je­vić, der Vor­sit­zen­de des Ver­eins „Blei­bur­ger Ehren­zug“, der den faschis­ti­schen Auf­marsch bis­lang orches­triert hat, ist nicht so pes­si­mis­tisch wie der FPÖ-Lan­des­ob­mann Ange­rer, son­dern äußert in kroa­ti­schen Medi­en sei­ne Über­zeu­gung, dass man sich 2022, wenn die Pan­de­mie vor­bei ist, „sicher wie­der in Blei­burg ver­sam­meln“ wer­de und fügt hin­zu: „Wer könn­te schon eine Mes­se ver­bie­ten, die auf Pri­vat­grund abge­hal­ten wird?

Innen­mi­nis­ter Neham­mer, der die Emp­feh­lun­gen der Arbeits­grup­pe teilt, hat den Bericht und damit den Ball mitt­ler­wei­le an den Natio­nal­rat wei­ter­ge­spielt. Es wer­den also wei­te­re Mona­te ver­ge­hen, bis kla­re Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den. Das Ustaša-Tref­fen fin­det übli­cher­wei­se im Mai statt. Es darf aber nicht mehr statt­fin­den! Wach­sam bleiben!

Gegenkundgebung 2019 (Foto © Günter Krammer)

Gegen­kund­ge­bung 2019 (Foto © Gün­ter Krammer)

➡️ Stel­lung­nah­me KZ-Ver­ban­d/­Ver­band der Anti­fa­schis­tin­nen und Antifaschisten
➡️ Pres­se­aus­sendung SPÖ-Schatz: „Herr Neham­mer, ver­hin­dern Sie das Blei­bur­ger Ustaša-Tref­fen ein für alle Mal!”
➡️ Pres­se­aus­sendung Blimlinger/Voglauer: Auf­nah­me faschis­ti­scher Zei­chen der Usta­scha-Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on „HOS“ in Sym­bo­le-Ver­ord­nung erfreulich