Sippel & Eustacchio: So viel Brutalität!

Lesezeit: 5 Minuten

Die Gra­zer FPÖ hop­pelt der Wie­ner hin­ter­her: Sie wird kurz nach der Gemein­de­rats­wahl, die einen Ver­lust von 5,25%-Punkten und den Raus­flug aus der Stadt­re­gie­rung brach­te, von einer Spe­sen­af­fä­re ein­ge­holt. Aus Par­tei- und Klub­gel­dern sol­len sich u.a. der noch amtie­ren­de Vize­bür­ger­meis­ter Eustac­chio und der Klub­chef Armin Sip­pel bedient haben. Sie haben nun den Hut genom­men. Wegen „so viel Bru­ta­li­tät“, wie Sip­pel lamentierte.

„Es genügt nicht zu wol­len, man muss es auch tun”, ist laut Stadt­web­site das Lebens­mot­to von Mario Eustac­chio. Eine Affi­ni­tät zum Geld scheint er schon rein beruf­lich mit­zu­brin­gen: Er war Bank­an­ge­stell­ter, bis er 2008 in die Gra­zer Stadt­po­li­tik wech­sel­te. Das Geld, das er als Stadt­rat und dann als Vize­bür­ger­meis­ter ver­dien­te, schien ihm nicht zu rei­chen: Er woll­te mehr ein­neh­men und tat es, indem er sich mut­maß­lich Kör­berl­gel­der aus der Par­tei­kas­se, die bekann­ter­ma­ßen aus Steu­er­geld genährt wird, zuflie­ßen hat­te las­sen. Allei­ne 2019 sol­len es sat­te 50.000 Euro gewe­sen sein, die Eustac­chio zusätz­lich zu sei­nen knapp 12.000 Euro-Vize­bür­ger­meis­ter­ge­halt (14x) ein­ge­streift hatte.

Die Lis­te der eigen­ar­ti­gen Zuwen­dun­gen aus der Par­tei- und Klub­för­de­rung liest sich wie ein Pri­vat­spon­so­ring: Armin Sip­pel, ab 2008 Gemein­de­rat und Klub­ob­mann, fühl­te sich offen­bar mit einem Gehalt eben­falls unter­do­tiert. Er habe sich laut „Klei­ne Zei­tung” zwi­schen 2012 und 2020 beim par­tei­na­hen Stei­ri­schen Ver­lags­ver­ein anstel­len las­sen: „ein Zubrot von net­to 1200 Euro im Monat zur Klub­ob­manns­ga­ge von 4244 Euro brut­to. Dafür habe der His­to­ri­ker am Archiv und der FPÖ-Geschich­te und für die Par­tei­zei­tung gear­bei­tet.“ (Klei­ne Zei­tung, 29.10.21 S. 18) Der Ver­ein wur­de nun mit 12.10.21 schlag­ar­tig aufgelöst.

Das scheint aber nicht alles gewe­sen zu sein: Am 10. Febru­ar 2015 ist in der Excel-Datei zu Pro­to­koll gege­ben: ‚Uhr­turm Bera­tung Armin Sip­pel Steir. Ver­lags­ver­ein – BELEG BEI EDER – 15.500 Euro.’ Am 11. Febru­ar 2016: ‚För­de­rung For­schungs­ar­beit, Rechts­stel­lung des Bür­ger­meis­ters (Armin Sip­pel) 3000 Euro’. (Klei­ne Zei­tung, 29.10.21 S. 18) Dem­nach hät­te sich Sip­pel sei­ne Abschluss­ar­beit bei einem Uni-Lehr­gang spon­sern las­sen. Zusätz­lich sei­en zwi­schen 2016 bis 2018 ins­ge­samt 12.500 Euro an eine nicht exis­ten­te Akti­on „Fit for Life“ geflos­sen; davon soll­te angeb­lich auch der RFS pro­fi­tie­ren, der jedoch weder vom Geld noch von „Fit for Life“ etwas weiß. Es wird nun spe­ku­liert, dass hier Sip­pels Lehr­gangs­kos­ten bezahlt wor­den sein könnten.

Doch es gibt wei­te­re auf­klä­rungs­wür­di­ge Buchungs­ver­mer­ke: 2019 sei­en an Sip­pel 16.000 Euro „für poli­ti­sche Bera­tung und Reprä­sen­ta­ti­on“ gegan­gen. 2017 und 2018 habe sich Sip­pel jeweils 4.000 Euro für Dele­ga­ti­ons­rei­sen nach Chi­le zuzah­len las­sen. Tat­säch­lich fin­den sich Spu­ren von Sip­pels Mis­sio­nen in Chi­le. 2017 beglei­te­te er eine bur­schen­schaft­lich zusam­men­ge­setz­te Run­de mit dem Süd­ame­ri­ka-Lieb­ha­ber Mar­tin Graf, dem stei­ri­schen EU-Abge­ord­ne­ten Georg May­er und dem Gra­zer NR-Abg. Axel Kas­seg­ger auf einen Tripp. Mit an Bord war auch Eustac­chi­os Bru­der Sandro.

Heißer Tripp nach Chile: "With the FPÖ Tour in Chili (sic!)" (Bericht Enric Ravello Barber 2017)

Schar­fer Tripp nach Chi­le: „With the FPÖ Tour in Chi­li (sic!)” (Bericht Enric Ravel­lo Bar­ber 2017)

2018 zog es Sip­pel wie­der mit May­er nach Chi­le, um, wie es in einem Bericht heißt,

der Han­dels­ver­trag von 2012 sei zwar immer noch gül­tig, aber man wol­le mehr errei­chen. Zum Bei­spiel könn­te der euro­päi­sche Markt für Agrar-Lebens­mit­tel-Pro­duk­te geöff­net wer­den. Um die­se Fra­ge anzu­ge­hen, traf sich die Dele­ga­ti­on am 27. März mit dem chi­le­ni­schen Abge­ord­ne­ten für den 26. Bezirk, Car­los Igna­cio Kuschel. «Ich den­ke, der Besuch ist posi­tiv, sowohl für den Agrar­markt in der Regi­on als auch den Export unse­rer Agrar- und Lebens­mit­tel­pro­duk­te in den euro­päi­schen Markt», erklär­te Kuschel.

Sippel mit Mayer und Holzfeind in Chile 2018 (Screenshot condor.cl)

Sip­pel mit May­er und Holz­feind in Chi­le 2018 (Screen­shot condor.cl)

Sip­pel gab sich also mit Gra­zer Steu­er­gel­dern aus­ge­rech­net als Lob­by­ist für den Import von chi­le­ni­schen Agrar­pro­duk­ten in die EU? Aber dabei blieb es nicht, mann traf sich auch ein­schlä­gi­ger: „Die Dele­ga­ti­on besuch­te zudem die Bur­schen­schaft Vul­ka­nia, wo sie von den Mit­glie­dern und dem Vor­sit­zen­den des Alter-Her­ren-Ver­ban­des, Her­bert Sie­bert, emp­fan­gen wurde.“

Apro­pos Bur­schen­schaf­ten: An Sip­pels Ver­bin­dung „Mar­ko-Ger­ma­nia” Graz und an Eustac­chi­os „Stiria“ und „Alle­man­nia Mar­burg“ sei­en zwi­schen 2014 und 2019 mehr­fach 5.000 Euro geflos­sen, berich­tet die „Klei­ne Zei­tung“ am 31.10.21..

Aus die­sen Buchungs­ver­mer­ken erschließt sich etwa auch, dass der Gra­zer FPÖ-Chef und Noch-Vize­bür­ger­meis­ter Eustac­chio, Klub­chef Sip­pel und der Finanz­re­fe­rent der Par­tei, Mat­thi­as Eder, in Treue und Ver­bun­den­heit ihren Bur­schen­schaf­ten finan­zi­ell kräf­tig unter die Arme gegrif­fen haben. Mit Steu­er­geld der Gra­zer wohl­ge­merkt. Über deren „Haus­ver­ei­ne“ sind an die Stiria (die Bur­schen­schaft Eustac­chi­os und Eders) und die Mar­ko-Ger­ma­nia (Sip­pels Ver­bin­dung) und Eustac­chi­os Schü­ler­ver­bin­dung Alle­man­nia Mar­burg zu Graz von 2014 bis 2019 mehr­fach 5000 Euro geflos­sen. (Klei­ne Zeitung)

Um das Haus sei­ner sich in der Kri­se befind­li­chen Bun­des­brü­der „auf Vor­der­mann zu brin­gen“, wie Sip­pel in einer von der „Klei­nen Zei­tung“ zitier­ten Chat­nach­richt (ver­mut­lich von 2020) ver­laut­bar­te, wol­le er als Klub­ob­mann 3.500 bis 4.000 Euro von der FPÖ aufstellen.

Sippel im Chat an seine Bundesbrüder (Screenshot Kleine Zeitung)

Sip­pel im Chat an sei­ne Bun­des­brü­der (Screen­shot Klei­ne Zeitung)

Gel­der sol­len aber auch an die Iden­ti­tä­ren gegan­gen sein, was wenig ver­wun­der­lich scheint, da die Gra­zer FPÖ immer beson­ders enge Bezie­hun­gen zu Sell­ners rechts­extre­mer Trup­pe pflegte.

Aber wie schon in der Ver­gan­gen­heit, als der Fal­ter publik gemacht hat­te, dass Sip­pel als 25-Jäh­ri­ger beim neo­na­zis­ti­schen Auf­ruhr-Ver­sand ein­schlä­gi­ge Klei­dung bestellt haben soll, will der ab 17. Novem­ber Ex-Klub­chef nun auch mit den finan­zi­el­len Mal­ver­sa­tio­nen nichts zu tun haben und sieht sich ganz in Tra­di­ti­on sei­ner Par­tei als Opfer. Auf Face­book klingt das so: „Ich möch­te unbe­dingt Scha­den von mei­ner gelieb­ten FPÖ abwen­den, aber auch mich selbst aus dem Schuss­feld neh­men. So viel Bru­ta­li­tät hält auch der stärks­te Cha­rak­ter nicht aus. (…) Wer weiß was die Zukunft bringt? Viel­leicht gibt es ja auch wie­der ein­mal ein poli­ti­sches Come­back?“ Bis es even­tu­ell wie­der so weit ist, wird sich Sip­pel wohl eine ande­re Lie­be und ande­re Spon­so­ren suchen müssen.

Sippel am 31.10.21 auf Facebook zu seinem Rücktritt (Screenshot FB-Seite Sippel)

Sip­pel am 31.10.21 auf Face­book zu sei­nem Rück­tritt (Screen­shot FB-Sei­te Sippel)

➡️ FPÖ Graz (Teil 1): Sip­pel und sein selt­sa­mer Verlagsverein
➡️ FPÖ Graz (Teil 2): Die unbe­kann­ten blau­en Vereine
➡️ FPÖ Graz (Teil 3): Schwamm drüber?
➡️ FPÖ Graz (Teil 4): Tote, Sucht & Forschungen?

➡️ zu Sip­pel und Eustac­chio: FPÖ Graz: Bewäh­rungs­team mit iden­ti­tä­rem Profil
➡️ Der Stan­dard: Die kur­ze Film­kar­rie­re des Armin Sippel