Rechnungshofbericht: Desaster für HGM und Verteidigungsministerium

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Schon allei­ne die Emp­feh­lun­gen, die der Rech­nungs­hof in sei­nem heu­te erschie­ne­nen Bericht zum Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um gibt, deu­ten dar­auf hin, dass im Muse­um de fac­to nichts in Ord­nung ist. Da ist etwa von einer Eva­lu­ie­rung der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­ons­form die Rede, von der Emp­feh­lung zur Eta­blie­rung einer Anti­kor­rup­ti­ons­kul­tur auf allen Hier­ar­chie­ebe­nen, von Erstat­tung einer Straf­an­zei­ge gegen einen Bediens­te­ten wegen des Ver­dachts der „unbe­fug­ten Inne­ha­bung von Kriegs­ma­te­ri­al“ und von Ein­lei­tung von straf- und dis­zi­pli­nar­recht­li­chen Schritten.

Unse­re Bei­trags­se­rie, die dar­aus resul­tie­ren­den Medi­en­be­rich­te zu den beleg­ten rechts­extre­men Umtrie­ben im Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um (HGM) und die inhalt­li­che Kri­tik an Kon­zept und Auf­stel­lung der Objek­te im zeit­ge­schicht­li­chen Saal hat­te der Direk­tor Chris­ti­an Ort­ner in einem Vor­wort im HGM-Jah­res­be­richt 2019 (1) noch als zu einer „regel­rech­ten Kam­pa­gne gegen das Haus (…) auf­ge­bauscht“, „ein­sei­tig“, „sub­jek­tiv-emo­tio­nal“ „ideo­lo­gisch moti­viert“, mit „par­tei- und per­so­nal­po­li­ti­schen Hin­ter­grün­den“, „frag­wür­dig“ und „absurd“ bezeichnet.

So her­ab­las­send wag­te er sich über die von Inte­rims­ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Tho­mas Star­lin­ger infol­ge unse­rer Berich­te ein­ge­setz­ten Unter­su­chungs­kom­mis­sio­nen, die (u.a.) auf die von uns the­ma­ti­sier­ten inhalt­li­chen Män­gel im Aus­stel­lungs­be­trieb und die rechts­extre­men Umtrie­be fokus­sier­ten, nicht zu äußern. Ort­ner zeig­te sich nach außen in völ­li­ger Igno­ranz bzw. Umdeu­tung des kri­ti­schen Berichts zum zeit­ge­schicht­li­chen Saal, in dem nicht weni­ger als von einer not­wen­di­gen Neu­auf­stel­lung der Samm­lung und die Instal­lie­rung eines wis­sen­schaft­li­chen Bei­rats die Rede ist, sogar erfreut und führ­te jeg­li­che Män­gel auf die Res­sour­cen­knapp­heit zurück.

Die Freu­de dürf­te mit dem nun vor­lie­gen­den Rech­nungs­hof­be­richt ein Ende haben; ob von Ort­ner auch der Rech­nungs­hof (RH) mit jenen abweh­ren­den Attri­bu­ten bedacht wird, die er uns und ande­ren Kritiker*innen gewid­met hat, darf ange­sichts der mas­si­ven Vor­wür­fe, die den RH sogar zu einem unge­wöhn­li­chen Schritt, näm­lich zu einer Anzei­ge bei der Staats­an­walt­schaft bewo­gen haben, bezwei­felt werden.

Was der RH auf über 130 Sei­ten lis­tet und beschreibt, ist schlicht­weg als Desas­ter für eine staat­lich geführ­te Ein­rich­tung zu bezeich­nen – und zwar sowohl für die HGM-Füh­rung als auch für das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um, dem der RH expli­zit ein Ver­sa­gen zuschreibt (2). Es ist bei der Viel­zahl an auf­ge­lis­te­ten Män­geln und teils über­aus gra­vie­ren­den Ver­feh­lun­gen und Ver­säum­nis­sen kaum noch aus­zu­ma­chen, was dabei am schwers­ten wiegt: dass etwa in der Kaser­ne Zwölfa­xing in meh­re­ren Bun­ker­an­la­gen, zu denen ein – von Ort­ner immer wie­der hoch­ge­lob­ter – HGM-Mit­ar­bei­ter sämt­li­che Schlüs­sel hat­te, teils unge­si­cher­tes funk­ti­ons­fä­hi­ges Kriegs­ma­te­ri­al unbe­kann­ter Her­kunft auf­ge­fun­den wur­de? Oder dass Eigen­tums- und Nut­zungs­ver­hält­nis­se an den HGM-Außen­stel­len nicht geklärt sind und Bewil­li­gun­gen für Bau- und Umbau­maß­nah­men nicht ein­ge­holt bzw. sogar bewusst umgan­gen wur­den, der Publi­kums­be­trieb in der sog. „Pan­zer­hal­le“ rechts­wid­rig war, weil weder Geneh­mi­gun­gen vor­la­gen, noch ent­spre­chen­de Sicher­heits­maß­nah­men getä­tigt wurden?

Bestän­de sind ein­fach ver­schwun­den, dar­un­ter drei Brie­fe von Egon Schie­le aus dem Jahr 1918, die an den dama­li­gen Muse­ums­di­rek­tor gerich­tet waren. Angeb­lich sei der Direk­tor dar­über nicht infor­miert wor­den. Angeb­lich! Über­haupt: Dass es nicht ein­mal eine voll­stän­di­ge Inven­ta­ri­sie­rung der Bestän­de des HGM gibt, es also nicht nach­voll­zieh­bar ist, was ein­mal da war und even­tu­ell inzwi­schen wie­der weg ist und man von diver­sen aus den HGM-Bestand ver­lie­he­nen Objek­ten nicht weiß, wo sich die­se befin­den, hin­ter­lässt wohl jede Per­son, die jemals mit Samm­lun­gen zu tun hat­te, mit Kopfschütteln.

Der RH schreibt, dass es weder ein Com­pli­ance Manage­ment Sys­tem noch ein Com­pli­ance-Bewusst­sein“ – also kein Sys­tem zur Ein­hal­tung von ver­bind­li­chen recht­li­chen und ethi­schen Rah­men­be­din­gun­gen – gibt und die „Eta­blie­rung einer Anti­kor­rup­ti­ons­kul­tur (…) auf allen Hier­ar­chie­ebe­nen“ (Bericht S. 21) emp­foh­len wird. Bei­spie­le gefäl­lig? Ein lei­ten­der Ange­stell­ter des HGM hat­te sei­ne eige­ne Hoch­zeits­fei­er in den Muse­ums­räum­lich­kei­ten aus­rich­tet und dafür ent­ge­gen den Richt­li­ni­en nichts bezahlt. Die Begrün­dung sei­tens des HGM, dass das Muse­um dafür Bild­rech­te zu Mar­ke­ting­zwe­cken kos­ten­los erhal­ten habe, liest sich schon fast als hilf­lo­se Reaktion.

RH-Auflistung: Folgen durch Compliance-Mängel im HGM (Rechnungshof)

RH-Auf­lis­tung: Fol­gen durch Com­pli­ance-Män­gel im HGM (Rech­nungs­hof)

Wei­ters führt der RH an, das HGM habe „54 Objek­te aus dem Eigen­tum des Direk­tors und sei­nes Stell­ver­tre­ters [ange­kauft], obwohl kei­ne geson­der­ten Vor­ga­ben für Ankäu­fe von eige­nen Bediens­te­ten vor­la­gen, wie dies inter­na­tio­na­le Richt­li­ni­en auf­grund der Pro­ble­ma­tik der Befan­gen­heit vor­ge­ben“ (Bericht S. 10). Das muss man sich auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen: Direk­tor und Vize­di­rek­tor kau­fen von sich selbst ohne jeg­li­che Richt­li­ni­en Objek­te mit staat­li­chen Gel­dern an! Der Umgang mit den Finan­zen dürf­te gene­rell son­der­bar gewe­sen sein. So stellt der RH fest, dass es für den Prü­fungs­zeit­raum 2014–18 kei­ne nach­voll­zieh­ba­re finan­zi­el­le Geba­rung gibt und „die Geba­rungs­ak­ten (…) ent­ge­gen einer Wei­sung groß­teils nicht elek­tro­nisch, son­dern in Papier­form“ (Bericht S. 8) geführt werden.

Vie­le die­ser Miss­stän­de soll­ten schon ein­zeln rei­chen, um das gesam­te für die­ses Desas­ter ver­ant­wort­li­che Team in die Wüs­te zu schi­cken. Aber was macht das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um? In einer Kom­mis­si­on, die Ort­ners Eig­nung bezüg­lich der Füh­rung des HGM beur­tei­len soll­te, stellt man ihm noch in die­sem Jahr, als vie­le Miss­stän­de schon öffent­lich gewor­den waren, Ex-BM Star­lin­ger Ort­ners Ver­trag nicht mehr ver­län­gern woll­te, der Rech­nungs­hof bereits geprüft hat­te und intern vie­les bekannt war, ein tadel­lo­ses Zeug­nis aus:

Die Wei­ter­be­stel­lungs­kom­mis­si­on hat ihr Gut­ach­ten am 10. Jän­ner 2020 erstat­tet und ist dar­in zur Fest­stel­lung gelangt, dass sich HR Mag. Dr. Ort­ner in Aus­übung sei­ner Funk­ti­on als Direk­tor des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums bewährt hat und im Hin­blick auf sei­ne fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on, sei­ne Fähig­keit zur Men­schen­füh­rung und sei­ne orga­ni­sa­to­ri­schen Fähig­kei­ten für die wei­te­re Aus­übung die­ser Funk­ti­on als geeig­net ange­se­hen wird. (Anfra­ge­be­ant­wor­tung durch BMin Clau­dia Tan­ner, 20.4.20)

Apro­pos Men­schen­füh­rung: Auch da berich­tet der RH nicht nur von über­durch­schnitt­lich vie­len Kran­ken­stän­den, son­dern auch von der Inspek­ti­on durch den Hee­res­psy­cho­lo­gi­schen Dienst, der so gra­vie­ren­de Kon­flik­te unter den Mitarbeiter*innen des HGM und mit der Füh­rungs­ebe­ne kon­sta­tier­te, dass von einer „eine[r] akute[n] Gefähr­dung der Gesund­heit bzw. Sicher­heit der Mit­ar­bei­ter“ (S. 48) die Rede war. Die vom Hee­res­psy­cho­lo­gi­schen Dienst ange­ord­ne­te Ent­wick­lung eines Maß­nah­men­plans lös­te sich nicht zuletzt durch ein Kom­pe­tenz­wirr­warr zwi­schen HGM und zwei Sek­tio­nen im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um im Nichts auf.

Unterm Strich emp­fiehlt der Rech­nungs­hof zwar „nur“ eine Eva­lu­ie­rung der bestehen­den Orga­ni­sa­ti­ons­form, ver­weist jedoch dabei auf die Struk­tur der Bun­des­mu­se­en, was eine Aus­kop­pe­lung des HGM aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um nahe­le­gen wür­de. Trotz der offen­sicht­li­chen Unfä­hig­keit ihres Minis­te­ri­ums, das Muse­um zu füh­ren, lässt Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin Tan­ner in selbst­herr­li­cher Manier gleich aus­rich­ten, dass zwar „enor­mer Hand­lungs­be­darf“ bestehe, aber auch: „Das Muse­um wird Teil mei­nes Res­sorts blei­ben, etwas Gegen­tei­li­ges steht nicht zur Debat­te.” (APA zit. nach wienerzeitung.at, 23.10.20)

Tei­le von dem, was der RH in sei­nem Bericht anführt wie etwa die selt­sa­men Umtrie­be in Zwölfa­xing oder der nicht geneh­mig­te Betrieb der Pan­zer­hal­le als Aus­stel­lungs­flä­che mit Publi­kums­ver­kehr, waren auch uns bereits zumin­dest in gro­ben Zügen bekannt – und zwar seit mehr als 18 Mona­ten, als wir unse­re Recher­chen zum HGM gestar­tet hat­ten. Von Insi­dern wur­de uns berich­tet, dass auch das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um über vie­les im Bil­de gewe­sen sei. Damit das klar ist: Die Miss­stän­de zie­hen sich über vie­le Jah­re, die Ver­ant­wor­tung dafür liegt daher auch bei einer gan­zen Rei­he von Ver­tei­di­gungs­mi­nis­tern und bei der für die Fach­auf­sicht zustän­di­gen Sek­ti­on I im Minis­te­ri­um – ins­be­son­de­re bei deren lang­jäh­ri­gem Lei­ter Chris­ti­an Kem­per­le, der – Zufall oder auch nicht – erst vor weni­gen Wochen das Res­sort gewech­selt hat.

Wir haben aus dem Bericht nur weni­ge Punk­te her­aus­ge­grif­fen, alles, was im HGM an – sagen wir – Unge­reimt­hei­ten gelau­fen ist, hat jedoch auch der Rech­nungs­hof nicht erfasst. Dar­über wer­den wir in einem unse­rer nächs­ten Bei­trä­ge berichten.

Fuß­no­ten

1 Chris­ti­an Ort­ner, Vor­wort, in: Viri­bus Unitis, Jah­res­be­richt 2019 des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums, Wien 2020, 5–7
2 „Neben den zahl­rei­chen und gra­vie­ren­den Män­geln in der Füh­rung des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums kri­ti­sie­ren die Prü­fe­rin­nen und Prü­fer auch die unzu­rei­chen­de Wahr­neh­mung der Dienst- und Fach­auf­sicht durch das Minis­te­ri­um. (https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/Gravierende_Maengel_und_Missstaende_im_Heeresgeschichtlic.html)