Wie rechts ist unsere Polizei?

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Wenn der Hund eines Poli­zis­ten Adolf geru­fen wird, darf man wohl eine bestimm­te Ein­stel­lung des Hun­de­hal­ters ver­mu­ten. Wenn sich die Lei­te­rin des Extre­mis­mus­re­fe­rats des Ver­fas­sungs­schut­zes beim Anblick von haus­durch­su­chen­den Poli­zis­ten denkt, jetzt sei wohl der Tag der Abrech­nung  – ein Putsch der Rechts­extre­men – gekom­men, dann muss man wohl davon aus­ge­hen, dass die Exper­tin nicht zufäl­lig zu die­ser Ein­schät­zung kommt. Hat die Poli­zei in Öster­reich ein Rechts­extre­mis­mus­pro­blem? Besteht es aus blo­ßen Ein­zel­fäl­len, oder ist es ein struk­tu­rel­les Problem?

Im Juni 2019 rich­te­te die SPÖ-Abge­ord­ne­te Sabi­ne Schatz eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an den Innen­mi­nis­ter, in deren Beant­wor­tung zu lesen war, dass zum dama­li­gen Zeit­punkt fünf Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren gegen Poli­zei­be­am­te im Zusam­men­hang mit Anzei­gen wegen des Ver­dachts der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung lie­fen. Fünf mög­li­che Wie­der­be­tä­ti­ger unter 25.000 Poli­zei­be­am­ten – das ist doch nicht viel, oder? Doch, es sind nicht nur um die­se fünf Wie­der­be­tä­ti­ger zu viel, son­dern auch um jene, die hin­ter die­ser Hell­zif­fer die Dun­kel­zif­fer bilden.

Es gibt noch eine inter­es­san­te par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge aus dem Jahr 2019 zu unse­rem The­ma. Mit ihr woll­te Peter Pilz von der Lis­te Jetzt etwas mehr über „die rechts­extre­men Poli­zei­schü­ler des Her­bert K.“ wis­sen: „Ange­sichts der ver­mehr­ten Wer­be- und Rekru­tie­rungs­maß­nah­men des BM.I in rechts­extre­men und anti­se­mi­ti­schen Medien stellt sich erneut die Fra­ge, wel­che Per­so­nen sich Ex-FPÖ-Innen­mi­nis­ter Her­bert Kickl als Poli­zis­ten und Poli­zis­tin­nen auf unse­ren Stra­ßen wünsch­te.“

Wel­che Per­so­nen sich Kickl als Poli­zis­tin­nen und Poli­zis­ten wünsch­te, konn­te die­ser nicht mehr als Innen­mi­nis­ter beant­wor­ten. Die Ant­wort des dama­li­gen Innen­mi­nis­ters Peschorn ver­schweigt sich zwar zu der Fra­ge, ob ein wegen Ver­het­zung ver­ur­teil­ter frü­he­rer RFJ-Funk­tio­när als Poli­zei­schü­ler anheu­ern durf­te, nennt aber immer­hin eine Zahl. Bei drei­zehn Bediens­te­ten im Bereich des Innen­mi­nis­te­ri­ums bestehe „ein begrün­de­ter Ver­dacht, dass sie in Kon­takt mit der IBÖ ste­hen könn­ten“. Auch hier gilt: Neben jeder Hell­zif­fer gibt es eine Dunkelziffer!

Wie vie­le Polizist*innen Sym­pa­thien oder gar Akti­vi­tä­ten für die diver­sen Schat­tie­run­gen der Staats­ver­wei­ge­rer­sze­ne hegen, wur­de bis­lang nicht abge­fragt. Der Pro­zess gegen Aktivist*innen des Staa­ten­bun­des der Moni­ka Unger leg­te aber offen, dass Ungers Stell­ver­tre­ter Jakob Stü­ckel­schwei­ger, der zehn Jah­re Haft (nicht rechts­kräf­tig) aus­fass­te, ein frü­he­rer Funk­tio­när der FPÖ Bezirk Leib­nitz (jeden­falls 2014) und ein pen­sio­nier­ter Gen­dar­me­rie­be­am­ter ist. Stü­ckel­schwei­ger, der sich wegen eines – laut Ankla­ge – von ihm geplan­ten Aus­bruchs­ver­suchs mit Gei­sel­nah­me zwi­schen­zeit­lich neu­er­lich vor Gericht ver­ant­wor­ten muss, ist – Geburts­jahr­gang 1947 – zwar schon lan­ge in Pen­si­on, aber hat er sei­ne rechts­extre­me Hal­tung erst da erworben?

Stü­ckel­schwei­ger im Jahr 2017, zitiert nach „Son­nen­staat­land“: „Poli­ti­ker sind Mario­net­ten der Rot­schilds (sic!), der Frei­mau­rer – seit 71 Jah­ren wer­den die Men­schen in Öster­reich belas­tet in allen Berei­chen. Unse­re Lebens­wei­se wird mit ‚Spiel und Spaß‘ zuge­deckt!“. Aber es fin­det sich noch ein wei­te­rer Poli­zist bei den Staa­ten­bünd­lern von Moni­ka Unger, die den Staat, also die Repu­blik Öster­reich, zwar völ­lig ableh­nen, aber auf des­sen Pri­vi­le­gi­en nicht ver­zich­ten wol­len. Johan­nes S. hat 2017 als noch akti­ver Poli­zist sei­ne Dienst­frei­stel­lung mit vol­len Bezü­gen ein­ge­for­dert, was die Repu­blik mit sei­ner Ent­las­sung beantwortete.

Ob die Ent­las­sung aus dem Aktiv­dienst mitt­ler­wei­le schon rechts­kräf­tig erfolg­te, ist gar nicht so sicher. In den aller­we­nigs­ten Fäl­len enden dis­zi­pli­nar­recht­li­che Maß­nah­men gegen rechts­extre­me Poli­zis­ten mit der stärks­ten Sank­ti­on, der Ent­las­sung. Das liegt nicht zuletzt auch an der Per­so­nal­ver­tre­tung, die im Ver­fah­ren star­ke Rech­te hat. Seit den 1990er-Jah­ren tritt die blaue „Akti­ons­ge­mein­schaft Unab­hän­gi­ger und Frei­heit­li­cher“ (AUF) bei Per­so­nal­ver­tre­tungs­wah­len im Öffent­li­chen Dienst, vor­ran­gig bei der Exe­ku­ti­ve, an. Mitt­ler­wei­le hat der Glanz der AUF beträcht­lich nach­ge­las­sen. Das ist nicht zuletzt auf eine lan­ge Serie von bemer­kens­wert vie­len – auch kri­mi­nel­len – Aus­rut­schern von AUF-Funk­tio­nä­ren zurück­zu­füh­ren, wie etwa den Tiro­ler (Ex-)AUF-Vorsitzenden, den frü­he­ren AUF-Bun­des­vor­sit­zen­den Grat­zer oder auch die EKIS-Bespit­ze­lungs­af­fä­re.

Uns inter­es­sie­ren aber hier weni­ger kri­mi­nel­le Eska­pa­den von AUF-Funk­tio­nä­ren als viel­mehr rechts­extre­me Akti­vi­tä­ten. 2011 erstat­te­te das Innen­mi­nis­te­ri­um selbst Anzei­ge gegen die AUF NÖ wegen des Ver­dachts der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung. Ermitt­lun­gen bzw. eine Ankla­ge gab es jeden­falls nicht.

Dem Schär­din­ger Poli­zis­ten, AUF-Funk­tio­när und FPÖ-Gemein­de­rat, gegen den 2013 wegen sei­ner rechts­extre­men Umdich­tung der Bun­des­hym­ne und die beson­de­re Zunei­gung zu den brau­nen „Zil­ler­ta­ler Tür­ken­jä­gern“ kurz­fris­tig von der Staats­an­walt­schaft ermit­telt wur­de, hat auch sei­ne Unter­stüt­zung durch Rechts­extre­me und Neo­na­zis jeden­falls nicht gescha­det. Nach Ein­stel­lung der Ermitt­lun­gen und Auf­he­bung der Sus­pen­die­rung ist er wei­ter­hin als AUF-Funk­tio­när tätig.

Die AUF hat mitt­ler­wei­le zwar an Unter­stüt­zung ver­lo­ren, ist aber im Bereich der Poli­zei (auch des Bun­des­hee­res) nach wie vor über­durch­schnitt­lich stark. Wäh­rend die FPÖ bei den Natio­nal­rats­wah­len 2019 nur 16,2 Pro­zent der gül­ti­gen Stim­men erreich­te, liegt der Anteil der blau­en AUF-Poli­zei bei den Per­so­nal­ver­tre­tungs­wah­len 2019 bei immer­hin 22,2 Pro­zent. In so sen­si­blen Ein­hei­ten wie der WEGA, wo es in den 90er-Jah­ren noch etli­che brau­ne Akti­vi­tä­ten gab, erreich­te die AUF 2019 fast 36 Pro­zent. In der Abtei­lung Frem­den­po­li­zei und Anhal­te­voll­zug – PAZ (Poli­zei­an­hal­te­zen­trum) kam die AUF gar auf eine abso­lu­te Mehr­heit (50,92 %). Im Wie­ner Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (LVT), in dem die AUF 2009 noch eine rela­ti­ve Mehr­heit errei­chen konn­te, ist ihr Stim­men­an­teil seit­dem zwar kon­ti­nu­ier­lich geschrumpft, aber immer noch bei knapp 20 Pro­zent, wäh­rend es im Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BVT) nur rote und schwar­ze Personalvertreter*innen gibt.

Als am 28. Febru­ar 2018 Wolf­gang Preiszler, damals FPÖ-Gemein­de­rat in Gun­trams­dorf und Oberst­leut­nant, an der Spit­ze sei­ner Ein­satz­grup­pe zur Bekämp­fung der Stra­ßen­kri­mi­na­li­tät (EGS) zu einer nach­träg­lich als ille­gal ein­ge­stuf­ten Haus­durch­su­chung im BVT auf­taucht und dabei die Akten über rechts­extre­me Akti­vi­tä­ten beschlag­nahmt wer­den, gehen die Ver­mu­tun­gen der Lei­te­rin des Extre­mis­mus­re­fe­rats nicht zufäl­lig in eine bestimm­te Rich­tung: „Ich habe mir gedacht, das muss er jetzt sein, der Tag X, von dem die Rechts­extre­men immer reden. Die sagen ja, wenn wir an der Macht sind, dann hän­gen wir zuerst den Staats­schutz auf, und dann die Jus­tiz” (wienerzeitung.at, 11.10.18). Nicht zuletzt auf­grund der Chats zwi­schen Preiszler, Gude­nus und Kick­ls Kabi­nett­chef Teu­fel wäre es nicht ver­wun­der­lich, wenn da noch etwas nachkäme.

Nichts weist dar­auf hin, dass Preiszler ein Funk­tio­när der AUF ist, aber er ist ein in der Poli­zei bekann­ter und beken­nen­der Blau­er, der auf sei­nem Face­book-Kon­to rechts­extre­me, anti­se­mi­ti­sche und auch brau­ne Sei­ten teil­te, wie die­ser Bei­trag von FPÖ Fails gut doku­men­tiert. Das Ermitt­lungs­ver­fah­ren wegen des Ver­dachts der Ver­het­zung, das gegen ihn des­we­gen ein­ge­lei­tet wur­de, ist wegen Ver­jäh­rung (!) ein­ge­stellt wor­den. Von dis­zi­pli­nar­recht­li­chen Kon­se­quen­zen ist sowie­so nichts bekannt.

Bern­hard Bloch­ber­ger (64) hat aus sei­ner rechts­extre­men Gesin­nung über Jahr­zehn­te kein Hehl gemacht. 1998 muss­ten für ihn die FPÖ-Abge­ord­ne­ten Haupt, Par­tik-Pable, Stad­ler, Lafer und Kol­le­gen mit einer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge aus­rü­cken, um ihn gegen die angeb­lich „unrich­ti­ge Unter­stel­lung des rechts­ra­di­ka­len Umgan­ges“ zu ver­tei­di­gen und eine Ent­schul­di­gung ein­zu­for­dern. Von wegen unrichtig!

Der Gen­dar­me­rie­be­am­te und AUF-Per­so­nal­ver­tre­ter Bloch­ber­ger aus Krum­bach (NÖ) hat­te damals schon eine erfolg­lo­se poli­ti­sche Kar­rie­re in der Bur­ger-NDP bzw. bei der NDP-Tarn­lis­te „Ein Herz für Inlän­der“ hin­ter und eine als lang­jäh­ri­ger FPÖ-Gemein­de­rat vor sich. Der Innen­mi­nis­ter ver­schwieg sich in sei­ner Ant­wort zwar nicht völ­lig, was die angeb­lich „unrich­ti­ge Unter­stel­lung“ betraf, beru­hig­te sich und vor allem die Öffent­lich­keit aber mit der Ver­set­zung Bloch­ber­gers auf einen weni­ger sen­si­blen Arbeits­platz. Amt­lich war damit bestä­tigt, dass ein Rechts­extre­mer auch bei der Poli­zei (in der die Gen­dar­me­rie weni­ge Jah­re spä­ter auf­ging) ein ruhi­ges Plätz­chen fin­den kann. Bloch­ber­ger blieb über die Jah­re hin­weg sei­ner Gesin­nung treu. Erst nach sei­nen brau­nen Weih­nachts­grü­ßen 2017 bequem­te sich die FPÖ zu einer Distan­zie­rung, aber eine à la FPÖ: Laut FPÖ Nie­der­ös­ter­reich ist Bloch­ber­ger gar kein Par­tei­mit­glied, son­dern als ‚unab­hän­gi­ger Kan­di­dat‘ an der Spit­ze der FPÖ-Lis­te in den Gemein­de­rat in Krum­bach ein­ge­zo­gen,“ berich­ten Medi­en weni­ge Tage nach Bekannt­wer­den von Bloch­ber­gers Weih­nachts­grü­ßen. Und, so funk­tio­niert das in der FPÖ, im Jän­ner ist er erneut für die FPÖ in den Krum­ba­cher Gemein­de­rat ein­ge­zo­gen. Die Poli­zei bzw. das Innen­mi­nis­te­ri­um haben bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung offen­sicht­lich kei­ne wei­te­ren Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men gegen Bloch­ber­ger ergriffen.

Im Juni 2018 rich­te­te Alfred Noll von der Lis­te Jetzt eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an Innen­mi­nis­ter Kickl. Noll woll­te wis­sen, war­um die Ermitt­lun­gen nach dem NS-Ver­bots­ge­setz gegen den Poli­zis­ten Micha­el K. ein­ge­stellt wur­den, obwohl der seit 2013 sein Titel­bild auf Face­book mit einem Modell­flug­zeug mit Haken­kreuz bestück­te und dane­ben ein Pro­fil­bild in Poli­zei­uni­form mit Poli­zei­au­to ein­ge­blen­det hat­te. Die Ant­wort von Kickl fiel sehr ein­sil­big aus. Kein Wun­der, Kickl muss­te ein­räu­men, dass den Ermitt­lungs­be­hör­den die­ses Face­book-Kon­to angeb­lich gar nicht bekannt war (Micha­el K. betrieb zumin­dest drei) und dass nach der ers­ten Anzei­ge bzw. einem Bericht des „Stan­dard“ im Okto­ber 2017 kei­ne Haus­durch­su­chung durch­ge­führt wor­den war – die eigent­lich obli­ga­to­risch bei Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz erfolgt. Was und wie wur­de da eigent­lich ermittelt?

Auf sei­nen diver­sen Face­book-Kon­ten war Micha­el K. natür­lich mit Berufs­kol­le­gen befreun­det – man tausch­te sich auch mit Pos­tings aus. Ist da nie­man­dem über die Jah­re hin­weg das Haken­kreuz, das Lied der SS, der SS-Sol­dat mit SS-Rune auf dem Helm oder der Link zu der Pro­pa­gan­da-Weih­nachts­sen­dung des „Deut­schen Reichs­rund­funk“ aufgestoßen?

Eine Anzei­ge von uns brach­te die Ermitt­lun­gen im Juni 2018 wie­der in Gang. Micha­el K. wur­de von einem Geschwo­re­nen­ge­richt in St. Pöl­ten zu 12 Mona­ten bedingt ver­ur­teilt, das OLG Wien erhöh­te auf 18 Mona­te; damit war Micha­el K. sei­nen Job los. Micha­el K. war zumin­dest AUF-Sym­pa­thi­sant – das lässt sich aus sei­nen FB-Ein­trä­gen erken­nen. Anzu­neh­men ist daher, dass ihn die AUF bzw. ihr „gewerk­schaft­li­ches“ Pen­dant, die „Frei­heit­li­che Exe­ku­tiv­ge­werk­schaft“ (FEG) im straf- und dis­zi­pli­nar­recht­li­chen Ver­fah­ren auch unter­stützt hat.

Die sym­bo­lisch viel­leicht wirk­sams­te Akti­on der AUF über Jah­re hin­weg war ihr Ver­pfle­gungs­bus, der bei Demons­tra­tio­nen und Kund­ge­bun­gen regel­mä­ßig auf­kreuz­te und die im Ein­satz befind­li­chen Beamt*innen mit Geträn­ken und Snacks ver­sorg­te. Damit wur­de signa­li­siert: Wir sind für die Kolleg*innen da, die von den Mehr­heits­frak­tio­nen von Rot und Schwarz und vor allem vom Dienst­ge­ber im Stich gelas­sen wer­den. Außer­dem war da auch der poli­ti­sche Unter­ton dabei: Wir stär­ken Euch gegen die Demons­trie­ren­den. Spä­te Ver­su­che der ande­ren Frak­tio­nen, den Ver­pfle­gungs­bus der Blau­en zu imi­tie­ren, wur­den natür­lich nur als hilf­lo­se Kopier­ver­su­che wahr­ge­nom­men. Dass Tür­kis-Grün jetzt die Ver­sor­gung durch den Dienst­ge­ber fest­ge­schrie­ben hat, ent­zieht der AUF eine ganz zen­tra­le und poli­tisch auf­ge­la­de­ne Akti­on: Wir da unten mit euch gegen die da oben.

Die AUF ist kei­ne Orga­ni­sa­ti­on mit rechts­extre­mer Ideo­lo­gie, aber sie ist rechts­of­fen, ver­tei­digt rechts­extre­me Kol­le­gen, ist in Kam­pa­gnen der FPÖ wie um die „Ope­ra­ti­on Spring“ direkt ein­ge­bun­den. Der frü­he­re AUF-Funk­tio­när Josef Klein­dienst, der die blaue Bespit­ze­lungs­af­fä­re um die Jahr­tau­send­wen­de ins Rol­len, schreibt in sei­nem Buch „Ich geste­he“: „In Wien wer­den min­des­tens fünf Poli­zis­ten seit Jah­ren regel­mä­ßig von Gel­dern einer Par­tei bezahlt. Was von ihnen erwar­tet wird, liegt auf der Hand. Und selbst­ver­ständ­lich erfolgt die Abrech­nung nicht direkt über die Par­tei selbst.

Klein­dienst, der neben dem 2004 ver­stor­be­nen AUF-Vor­sit­zen­den Micha­el Kreißl als ein­zi­ger beschul­dig­ter Poli­zist (Klein­dienst mach­te Selbst­an­zei­ge) aus der Spit­zel­af­fä­re vor Gericht lan­de­te, schluss­end­lich aber – wie Kreißl – frei­ge­spro­chen wur­de, schreibt in sei­nem Buch auch über Anti­se­mi­tis­mus und Rechts­extre­mis­mus inner­halb der Poli­zei bzw. der AUF. „In der AUF (Akti­ons­ge­mein­schaft Unab­hän­gi­ger und Frei­heit­li­cher) gab es ein­mal kurz­fris­tig einen Funk­tio­när, der stets davon sprach die Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger sofort wie­der auf­sper­ren las­sen zu wol­len, ‚wenn erst ein­mal der Jörg Kanz­ler sei‘.“

Der Jörg wur­de nicht Kanz­ler und der Nazi-Poli­zist laut Klein­dienst aus der AUF aus­ge­schlos­sen, aber anschei­nend nicht aus dem Poli­zei­dienst – jeden­falls fehlt eine ent­spre­chen­de Anmer­kung. Auch der von Klein­dienst beschrie­be­ne Gen­darm, der „in einem Plas­tik­sa­ckerl zehn klei­ne Hit­ler­köp­fe auf­be­wahrt, die er gele­gent­lich her­aus­holt“ und von Fest­ge­nom­me­nen auch küs­sen lässt, blieb anschei­nend ohne Sanktionen.

Unter den Poli­zei­be­am­ten gibt es immer wie­der wel­che, die Vor­ur­tei­le gegen Juden hegen. Das mag ideo­lo­gi­sche Grün­de haben; mag durch Grup­pen­dy­na­mik nach bestimm­ten Vor­fäl­len (…) ent­stan­den sein – der Anti­se­mi­tis­mus ist jeden­falls mei­ner Erfah­rung nach in der Poli­zei vorhanden.

Wie Vor­ge­setz­te ihre anti­se­mi­ti­schen Mit­ar­bei­ter erken­nen? Frü­her oder spä­ter immer, in aus­ge­präg­ten Fäl­len sofort. Wie etwa bei jenem, den die Kol­le­gen nur noch mit einem schlich­ten „Heil Hit­ler“ begrü­ßen, was der mit einem freu­di­gen Lächeln quit­tiert. Der Gruß wird im übri­gen auch vor Kom­man­dan­ten und Offi­zie­ren übermittelt.

Schlich­te Über­trei­bung, Rach­sucht oder ein­fach nur Phan­ta­sien eines ent­täusch­ten Men­schen, der den Poli­zei­dienst quit­tiert hat? Das waren belieb­te, aber wenig glaub­haf­te Ablen­kungs­ver­su­che aus den Rei­hen von Poli­zei und AUF gegen­über Klein­dienst, der mit sei­ner Selbst­an­zei­ge und auch der Buch­ver­öf­fent­li­chung ein gro­ßes Risi­ko ein­ge­gan­gen ist.

Was außer­dem ist mit jenem Wie­ner Poli­zis­ten, der im April 2016 in Nickels­dorf bei einer Grenz­kon­trol­le einen unga­ri­schen Auto­fah­rer mit „Heil Hit­ler“ begrüßt hat und dafür von Geschwo­re­nen beim Lan­des­ge­richt Eisen­stadt mit 8:0 schul­dig gespro­chen wur­de (ob das Urteil ange­foch­ten oder rechts­kräf­tig wur­de, geht aus der Bericht­erstat­tung eben­so wenig her­vor wie all­fäl­li­ge dis­zi­pli­nä­re Maß­nah­men). Bemer­kens­wert aller­dings ist an die­sem Fall, dass er von sei­nem Poli­zis­ten­kol­le­gen ange­zeigt wurde.

In der Regel gilt aller­dings, dass ein Korps­geist inner­halb der Poli­zei domi­niert, der von der Ein­stel­lung „Alle gegen uns“ genährt wird. Die Wagen­burg­men­ta­li­tät in der Poli­zei ist eine sehr gro­ße Hür­de für Polizist*innen, die gegen ras­sis­ti­sche und rechts­extre­me Kol­le­gen vor­ge­hen wollen.

In einem Chat, der uns zuge­spielt wor­den ist, unter­hiel­ten sich 2010 zwei Poli­zis­ten über ihren Kol­le­gen H.S., einen Per­so­nal­ver­tre­ter der AUF. Bei­de sind der Ansicht, dass die Art und Wei­se, wie H.S. im Par­tei­en­ver­kehr mit Men­schen umgeht, ras­sis­tisch, rechts­extrem und untrag­bar ist – so wie sei­ne Pos­tings auf Face­book. Bei­de hoff­ten dar­auf, dass die „Inter­ne“ oder „von ganz oben“ Maß­nah­men gegen H.S. set­zen. Ver­geb­lich. Soweit wir die Lauf­bahn von H.S. mit­ver­fol­gen konn­ten, ist der nach wie Per­so­nal­ver­tre­ter der AUF und Man­da­tar der FPÖ. Das bie­tet auch Schutz bei einem Disziplinarverfahren.

Als das „pro­fil“ (Nr. 14 vom 30.3.18) eine Geschich­te über rech­te Ten­den­zen in der Poli­zei brach­te mit der Fra­ge an einen renom­mier­ten Kri­mi­nal­so­zio­lo­gen, ob Poli­zis­ten eine Par­al­lel­ge­sell­schaft am rech­ten Rand bil­den wür­den, ant­wor­te­te der, dass er zwar einen leich­ten Hang ins Auto­ri­tä­re , aber kei­ne signi­fi­kan­ten Abwei­chun­gen von der Nor­mal­be­völ­ke­rung erken­nen kön­ne. Da wider­spre­chen wir ganz ent­schie­den. Zum einen gibt es unse­res Wis­sens kei­ne Stu­di­en aus den letz­ten 10 bis 20 Jah­ren, in denen empi­risch die poli­ti­schen Ein­stel­lun­gen von Polizist*innen abge­fragt und ana­ly­siert wor­den wären. Auch der inter­ne Umgang (starr hier­ar­chi­sche Struk­tu­ren, auto­ri­tä­re Cha­rak­te­re, Männ­lich­keits­kult, Sexis­mus gegen­über Poli­zis­tin­nen) und die Aus­wir­kun­gen von poli­ti­schen Vor­ga­ben etwa durch die Ver­knüp­fung von Migra­ti­on mit Kri­mi­na­li­tät auf ras­sis­ti­sche Struk­tu­ren und Ver­hal­tens­wei­sen inner­halb der Poli­zei soll­ten abge­fragt und ana­ly­siert wer­den, um sich ein Bild über die poli­ti­schen und men­ta­len Ein­stel­lun­gen von Polizist*innen zu ver­schaf­fen und Ver­än­de­run­gen ein­zu­lei­ten. Ein Aus­flug in die Gedenk­stät­te Maut­hau­sen und ein paar Unter­richts­ein­hei­ten über den Natio­nal­so­zia­lis­mus rei­chen da nicht aus und die­nen eher als Feigenblatt.

Außer­dem: Die par­tei- und inter­es­sens­po­li­ti­schen Ein­stel­lun­gen inner­halb der Poli­zei wei­chen durch­aus signi­fi­kant vom all­ge­mein poli­ti­schen Kli­ma ab. Die AUF lag 2019 bei der Poli­zei deut­lich über dem FPÖ-Ergeb­nis bei der Natio­nal­rats­wahl und in beson­ders sen­si­blen Ein­hei­ten wie Frem­den­we­sen und Wega (sie­he oben) weit drü­ber. Auch wenn es zu sim­pel wäre, rechts­extre­me, ras­sis­ti­sche, sexis­ti­sche und auto­ri­tä­re Posi­tio­nen inner­halb der Poli­zei nur der AUF zuzu­ord­nen, sind die­se Wahl­er­geb­nis­se ein Indi­ka­tor. Gene­rell soll­te eigent­lich gel­ten, dass die Poli­zei als ein zen­tra­les Ord­nungs­in­stru­ment, das mit erheb­li­chen Voll­mach­ten aus­ge­stat­tet ist, eben gera­de nicht ein Spie­gel­bild der Gesell­schaft reprä­sen­tie­ren darf, wenn es eine demo­kra­ti­sche Ord­nung und ihre Wer­te ver­tei­di­gen soll.

➡️ Wei­ter zu: Chro­nik der rechts­extre­men Vor­fäl­le bei der Poli­zei zwi­schen 2010 und 2020 
➡️ Wei­ter zu: Die Poli­zei­in­spek­ti­on des schlech­ten Geschmacks

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