Das Urteil des Landesgerichtes Wels ist noch nicht rechtskräftig, weil beide Seiten (Verteidigung und Staatsanwaltschaft) Rechtsmittel angemeldet haben. Zu der Verhandlung gegen St. S. gibt es bislang auch keine Prozessberichterstattung im eigentlichen Sinn – es waren offensichtlich keine Journalist*innen vor Ort. Das Landesgericht hat daraufhin – dankenswerterweise – in einer knappen Presseaussendung über die Anklage und das Urteil informiert. Das – auf den ersten Blick – harte Urteil erklärt sich daraus, dass nicht nur der § 3g Verbotsgesetz zur Anwendung kam, sondern auch der § 3d, der deutlich schärfere Strafen vorsieht.
St. S. ist ein notorischer Antisemit, Verschwörungsheini und Neonazi. Als sein Geburtsdatum gibt er den 20. April 1945 an (sein richtiges Geburtsdatum ist ein anderes im Jahr 1962), was ihm die Möglichkeit eröffnete, bei Geburtstagsglückwünschen devotest auf den Geburtstag „seines“ Führers hinzuweisen. Seit wann St. S. braunen Dreck über seine diversen Kanäle verteilt, ist unklar. Schwer vorstellbar auch, dass das niemandem unter seinen Freundschaften aufgefallen sein soll.
Sein Twitter-Konto, das er unter seinem Fake-Namen Stephano N. betrieb, wies ihn schon mit dem Titelfoto als Neonazi aus: Es zeigte einen Adler, der ein zur Hälfte verdecktes Hakenkreuz in seinen Klauen hält. Dort wies er sich auch als „provisorischer Stellvertreter des Deutschen Reiches in der Ostmark“ aus. Am 21. April 2018 verlinkte er zu einer von ihm selbst als „verboten“ eingestuften Hitler-Rede auf YouTube, die mittlerweile für etliche Länder (darunter Österreich) gesperrt ist.
Am 25. März 18 twitterte er: „Alliierte Verbrechen und deren Betrügereien ! Und uns dann vor Gericht erpressen und belügen sowie täuschen wollen. Die Tage der jüdischen Lügen & des Betruges sind gezählt !“
In dieser Machart postete er auch auf Facebook, wo er ebenfalls mit seinem Nickname Stephano N. unterwegs war. Am 28. November 2015 verlinkte er zu einem Beitrag auf google+ mit einem Foto, auf dem wie bei Twitter teilweise verdeckte Hakenkreuze auf Nazi-Flaggen zu sehen waren. Im Jänner 2016 erschien dann ein Beitrag mit einem von ihm der Hitler-Schwester Paula zugeschriebenen Zitat :
Euer Name wird längst mit Eurem Leichnam zerfallen – vergessen und vermodert sein – während der Name Adolf Hitlers immer noch leuchten und lodern wird! Ihr könnt ihn nicht umbringen mit Euren Jauchekübeln, ihn nicht erwürgen mit Euren tintenbeklecksten, schmierigen Fingern – seinen Namen nicht auslöschen aus hunderttausend Seelen – dazu seid Ihr selbst viel, aber auch schon viel zu klein!
Zu seinen Facebook-Freundschaften zählt auch eine FPÖ-Nationalratsabgeordnete: Edith Mühlberghuber. Die ist uns in der Vergangenheit schon mehrmals durch ihre Mitgliedschaft in seltsamen Gruppen aufgefallen. Aber was bringt eine aktive FPÖ-Abgeordnete dazu, sich mit einem schnell als rechtsextrem und bei genauerer Hinsicht als neonazistisch erkennbaren Account zu befreunden? Aktuell hat St. S. auf seinem Facebook-Konto (das im Unterschied zu seinem Twitter-Account noch nicht gelöscht ist) 231 Freundschaften – in erster Linie stramme Neonazis und Rechtsextreme. Dazu noch die FPÖ-Abgeordnete und den geschäftsführenden Bezirksparteiobmann der FPÖ Baden, Werner Rogner.
Auf seinem Facebook-Konto hat S. in den letzten Jahren öffentlich keine Nachrichten mehr abgesetzt. Möglicherweise hat er sie für seinen Freundeskreis begrenzt. Auf seinem Fluchtkonto bei vk.com beschwert er sich über die zeitweiligen Sperren auf Facebook, argwöhnt, dass er vielleicht demnächst auch auf dem russischen Portal „von Juden verfolgt“ werden könnte, gibt ein weiteres Ersatzkonto an, postet jedoch völlig ungeniert seinen Nazi-Dreck – und das mit Klarnamen. Weil er von seinem Twitter-Account auf sein vk-Konto verlinkt (und umgekehrt), ist auch schnell klar, dass Stephano N. tatsächlich St. S. ist, der auf vk manchmal im Stundentakt Nazi-Schrott postet, den er mit anderen Neonazis bespricht und teilt.
Auf vk.com gab er 2018 neuerlich den „Tipp“, Schweinekopfhälften auf einem geplanten Moschee-Grundstück abzulegen, um damit Muslime vom Bau abzubringen, wozu er als NVP-Funktionär schon 2011 großmäulig in einem Mail die bayerische NPD geraten hatte. NVP-Aktivisten hatten schon 2008 unter Verdacht gestanden hatten, zum Jahreswechsel Schweineköpfe auf einem Moschee-Grundstück deponiert zu haben. Nach dem Mail an die NPD schrieb „Österreich“, dass sich der Verfassungsschutz jetzt St. S. vornehmen würde. Daraus dürfte nichts geworden sein.
St. S. weitete in den Folgejahren nicht nur seine propagandistische Hetze beträchtlich aus, sondern auch seinen imaginierten Status in der Szene, indem er sich den Rang eines „provisorischen Stellvertreter des Deutschen Reiches in der Ostmark“ verlieh. Eine Ahnung, dass ihm wegen seiner Hetze Ungemach drohen könnte, veranlasste ihn zu einer Warnung an seine braunen Kameraden auf vk, besser nicht unter Klarnamen posten: „Wenn man mit Klarnamen und Bild hier ist, und die Holocaust-Lügen-Artikel etc. teilt bzw. selbst verfasst, ist man für die Ratten sehr leicht angreifbar.“
Für seine Person glaubte St. S. das ausschließen zu können: „Was meine Person betrifft: Für die Ratten bin ich ein ‚U‑Boot‘, ich befinde mich derzeit nicht in ihrem ‚Greifbereich‘.“ Der provisorische Gauführer erklärte dann großmütig , dass er ganz bewusst „Zielscheibe spiele“, denn wenn „sie“ [die Ratten, Anmk. SdR] sich mit ihm beschäftigen, können sie sich „gleichzeitig nicht mit wem anderen beschäftigen“.
So ganz stimmte das nicht! Als wir uns Monate nach Anzeigenlegung im Juli 2018 nach dem Stand der Ermittlungen erkundigten, wurde uns mitgeteilt, dass man St. S. nicht finden könne. Wir erlaubten uns daher, die von ihm auf vk.com dankenswerterweise angegebene Handy-Nummer den Behörden zu übermitteln und schon war der „provisorische“ Stellvertreter des Deutschen Reiches wieder im Greifbereich.