Der Teufel war mit der Regierungsübernahme von Türkis-Blau ab Dezember 2017 wirklich los, aber mit Auftauchen des wohl berühmtesten Videos aus der österreichischen Nachkriegsgeschichte haben wir beinahe schon vergessen, dass es auch einen BVT-Skandal gab, und der kocht gerade wieder etwas hoch.
Eine gleichermaßen merk- wie denkwürdige Durchsuchung am 28. Februar 2018 bei Österreichs Staatsschützern und ‑schützerinnen im „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“ (BVT) hatte danach zwar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Folge, der aber viele Fragen nicht klären konnte. Den dort geladenen Gästen war vieles entweder „nicht erinnerlich“, oder sie hatten „keine Wahrnehmung“, oder sie entschlugen sich der Aussage. Ganz besonders viele Erinnerungslücken hatte Reinhard Teufel, der Ex-Kabinettschef von Ex-Innenminister Kickl, nämlich bei fast allen Fragen der damaligen Oppositionsparteien.
Teufels demenzähnliche An- bzw. Ausfälle im U‑Ausschuss finden nun ihre Fortsetzung, obwohl die Chats, die bei seinem Ex-Parteifreund Gudenus am Handy sichergestellt wurden, eigentlich sein Erinnerungsvermögen auffrischen könnten. Denn gestern wurde publik, was ohnehin schon zu erahnen war: Dass damals ausgerechnet der blaue (nunmehr Ex-)Gemeinderat Wolfgang Preiszler mit seiner „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität“ (EGS) zum Sturm aufs BVT geschickt wurde, könnte mehr Hintergrund haben, als es uns die verantwortlichen Herren im Nachfeld Glauben machen wollten.
Es war durchaus aufsehenerregend, wie Preiszlers EGS just auch jene Abteilung durchsuchte, die für Extremismus – also auch für Neonazis – zuständig ist, obwohl der offizielle Anlass, ein „Konvolut“ zu angeblichen Missständen im BVT, rein gar nichts mit dem Extremismusreferat zu tun hatte. Entsetzt war dessen Leiterin Sybille G., denn die konnte sich im Gegensatz zu Teufel ziemlich genau erinnern und sprach im U‑Ausschuss von ihren Gedanken an den „Tag X“: „wenns an der Macht sind, hängens als erstes die Staatspolizei auf, und dann kommt die Justiz dran“.

Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber hatte im U‑Ausschuss noch angegeben, die in Razzien völlig unbeleckte EGS deshalb für die BVT-Razzia ausgewählt zu haben, weil sie
eine der erfolgreichsten Einheiten, die die Wiener Polizei hat, ist Teil des Landeskriminalamts Wien – nicht irgendeine Einheit, sondern ein Teil des Landeskriminalamts –, sehr erfahren in der Durchführung von vielen Amtshandlungen [ist] und auch eine personelle Kapazität [hat], sodass sie auch größere Amtshandlungen durchführen kann (Protokoll U‑Ausschuss Befragung Goldgruber, 13.3.19).
Es entbehrt nun nicht einer gewissen Komik, dass Wolfgang Preiszler, dessen Einheit auf Suchtgiftdelikte spezialisiert ist, ausgerechnet von Johann Gudenus ans Innenministerium vermittelt worden sein soll.
So schickte Gudenus, der bisher in der BVT-Affäre weder medial noch ermittlungstechnisch eine Rolle gespielt hat, bereits am 9. Jänner 2018 – also sieben Wochen vor der Hausdurchsuchung – die elektronische Visitenkarte von Preiszler an Kickls Kabinettschef Teufel. (…) „Ich kann mich nicht erinnern, ob ich mich irgendetwas gefragt habe, als ich die Nachricht erhalten habe”, sagt Teufel auf eine Anfrage. (derstandard.at, 18.6.20)
Da erhält Teufel also ohne jegliche Begleitbotschaft die Kontaktdaten von Wolfgang Preiszler und kann sich wieder einmal an nichts erinnern. Gudenus wiederum fällt dazu schon etwas ein: Er wollte Preiszler über den Innenminister bloß einen Ehrenplatz beim Polizeiball vermitteln. Sagt er.
Am 9. März 2018 meldet sich Preiszler selbst bei Gudenus via WhatsApp. „Aus gegebenem Anlass bin ich nicht mehr auf WA, sondern auf Threema“, schreibt der Polizist. Gudenus steht zunächst auf der Leitung: „Was meinst du?“ Darauf Preiszler: „Ich wechsel (sic!) wg der BVT-Ermittlungen den Messenger“ Und Gudenus: „Ah ok“ (profil.at, 18.6.20)
Der @mnikbakhsh und ich haben Informationen recherchiert, die die BVT-Affäre in eine neues Licht rücken. Offenbar wurde es in der damaligen FPÖ-Spitze viel über das BVT gechattet. Das zeigen Nachrichten auf dem Handy von Johann Gudenus. [Thread]https://t.co/30cIVHPji6
— Fabian Schmid (@fabian_schmid) June 18, 2020
Dass Preiszler wenige Wochen nach der Razzia wegen dessen auf Facebook gezeigten Affinitäten zum Rechtsextremismus selbst ins Kreuzfeuer der Kritik geraten würde, konnten damals freilich weder der Joschi noch der Suchtgiftfahnder und auch nicht der Teufel ahnen.
Wer weiß, welche bislang durch Erinnerungslücken fehlenden Antworten über diverse Handy-Chats noch auftauchen – vielleicht jene, warum Teufel mit dem Identitären-Boss Sellner „hin und wieder“ geplaudert hat und wer aus der FPÖ sich da noch in diesem Dunstkreis bewegt hat? Und vor allem: Warum das BVT-Extremismusreferat stundenlang durchsucht und riesige Datenmengen beschlagnahmt wurden?