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Neonazis auf der Flucht

Seit Jah­ren fra­gen Abge­ord­ne­te der Frak­ti­on „Die Lin­ke“ im Deut­schen Bun­des­tag regel­mä­ßig nach der Ent­wick­lung der Zahl der per Haft­be­fehl gesuch­ten Neo­na­zis. In halb­jähr­li­chen Abstän­den erfasst und ana­ly­siert das deut­sche Bun­des­kri­mi­nal­amt (BKA) die Zahl der Neo­na­zis auf der Flucht, wobei trotz der erschre­ckend hohen Zahl – so die Abge­ord­ne­ten der Lin­ken – kein höhe­rer Fahndungsdruck […]

5. Dez 2018
So fahndete man - mit reichlich Verzögerung - seitens des deutschen BKA irgendwann gegen die Neonazis vom NSU - Bildquelle: BKA.de (www.endstation-rechts.de)
So fahndete man - mit reichlich Verzögerung - seitens des deutschen BKA irgendwann gegen die Neonazis vom NSU - Bildquelle: BKA.de (www.endstation-rechts.de)

Über 58 Sei­ten erstreckt sich die jüngs­te Anfra­ge­be­ant­wor­tung des deut­schen Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums auf die „klei­ne Anfra­ge“ der Abge­ord­ne­ten Ulla Jelp­ke u. a. von der Frak­ti­on „Die Lin­ke“ zu Neo­na­zis auf der Flucht. In Öster­reich wür­den die Ant­wor­ten von Innen­mi­nis­ter Kickl ver­mut­lich auf einen Bier­de­ckel pas­sen: wegen lau­fen­der Ermitt­lun­gen … aus Grün­den des Daten­schut­zes … kei­ne Zah­len ver­füg­bar. Dabei hät­te auch Öster­reich gute Grün­de, den Neo­na­zis, die sich durch Flucht ihrer Haft ent­zie­hen wol­len, nachzuspüren.

Da wären zunächst ein­mal die deut­schen Neo­na­zis, die sich nach Ansicht des deut­schen BKA der­zeit in Öster­reich auf­hal­ten. Fünf sind es aktu­ell, die sich in Öster­reich anschei­nend sehr wohl füh­len, denn ihr Haft­be­fehl ist schon älter als ein hal­bes Jahr. Das – so das BKA – heißt aber noch nicht, dass sie sich schon „län­ger­fris­tig“ hier ver­ste­cken. Mit den fünf flüch­ti­gen deut­schen Neo­na­zis füh­ren wir übri­gens die Lis­te der Flucht­län­der vor Polen (4), Tsche­chi­en und Ita­li­en (3) und Groß­bri­tan­ni­en (2) an. Erstaun­lich dar­an ist, dass Ungarn, das in den letz­ten Jah­ren ein bei Neo­na­zis sehr belieb­ter Flucht­punkt war (z.B. Gerd Hon­sik aus Öster­reich, Mario Rönsch aus Deutsch­land in der Sta­tis­tik gar nicht auf­scheint. Deut­sche Neo­na­zis sind, was die Flucht­de­sti­na­tio­nen betrifft, abge­se­hen von Öster­reich durch­aus wäh­le­risch: Im Früh­jahr 2018 hiel­ten sich 6 in Öster­reich, 3 in Polen und jeweils 2 in Tsche­chi­en, Frank­reich und Russ­land auf. (Mario Rönsch wur­de übri­gens am 28. März 2018 in Buda­pest verhaftet.)

Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke u.a. und der Fraktion DIE LINKE. Entwicklung der Zahl per Haftbefehl gesuchter Neonazis bis Herbst 2018
Klei­ne Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Ulla Jelp­ke u.a. und der Frak­ti­on DIE LINKE. Ent­wick­lung der Zahl per Haft­be­fehl gesuch­ter Neo­na­zis bis Herbst 2018

Seit 2012 gibt es die Anfra­gen der Lin­ken zu den Neo­na­zis auf der Flucht. Waren es 2012 noch 266 Per­so­nen, die per Haft­be­fehl gesucht wur­den, so ist die Anzahl in den Fol­ge­jah­ren per­ma­nent gestie­gen, bis sie im Herbst 2017 mit 501 Per­so­nen ihren vor­läu­fi­gen Höhe­punkt erreich­te. Der­zeit (Stich­tag 28.9.18) beläuft sich die Zahl der flüch­ti­gen Neo­na­zis auf 467, wobei bei 108 von ihnen ein poli­tisch moti­vier­tes Delikt vor­liegt, bei 99 min­des­tens ein Gewalt­de­likt. Bei 12 die­ser 99 Per­so­nen liegt ein Haft­be­fehl wegen einer poli­tisch moti­vier­ten Gewalt­tat zugrunde.

So fahndete man - mit reichlich Verzögerung - seitens des deutschen BKA irgendwann gegen die Neonazis vom NSU - Bildquelle: BKA.de (www.endstation-rechts.de)
So fahn­de­te man — mit reich­lich Ver­zö­ge­rung — sei­tens des deut­schen BKA irgend­wann gegen die Neo­na­zis vom NSU — Bild­quel­le: BKA.de (www.endstation-rechts.de)

Es gibt aber auch Neo­na­zis, die aus Öster­reich flüch­ten – um ihrer Haft­stra­fe hier zu ent­ge­hen oder um ihre Haft­stra­fe abzu­kür­zen. Bei dem vor 20 Jah­ren zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teil­ten Mör­der Ger­hard S. muss es sich ja nicht unbe­dingt um einen Neo­na­zi han­deln, aber als er im Früh­jahr 2018 nach einem Frei­gang nicht mehr in die Haft­an­stalt zurück­kehrt war, wur­de er sie­ben Wochen spä­ter auf einem Neo­na­zi-Bau­ern­hof in Sach­sen-Anhalt beim „Kir­schen­pflü­cken“ von Ziel­fahn­dern auf­ge­stö­bert und wie­der in sei­ne Haft­an­stalt zurückgebracht.

Die Abge­ord­ne­te Sabi­ne Schatz (SPÖ) hat vor zwei Wochen des­halb eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an den Jus­tiz­mi­nis­ter gestellt, weil sie (und auch wir) wis­sen will, ob die Flucht­hil­fe für Ger­hard S. über die Neo­na­zi-Kame­ra­den vom Objekt 21 gelau­fen ist. Schließ­lich war der brau­ne Bau­ern­hof in Sach­sen-Anhalt mit dem Kirsch­baum für Ger­hard S. in den letz­ten Jah­ren auch ein Anlauf­punkt für die Objekt 21-Neo­na­zis, wie das Foto in der Anfra­ge belegt.

Unter­ge­tauch­te Neo­na­zis auf „Stoppt die Rechten“:

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