George Soros und die FPÖ (I)

Wenn in ein­er Face­book-Gruppe der Investor und Speku­lant George Soros als Ein­flüster­er von Sebas­t­ian Kurz beze­ich­net wird, wird – zurecht – der anti­semi­tis­che Code dabei kri­tisiert. Dass dann in poli­tis­chen Kom­mentaren der Betreiber der FB-Gruppe „Die Wahrheit über Sebas­t­ian Kurz“, der SPÖ-Berater Tal Sil­ber­stein, auch noch mit anti­semi­tis­chen Untertö­nen vorge­führt wird, macht die Sache noch unap­peti­tlich­er. Wenn aber führende FPÖ-Poli­tik­er und FPÖ-nahe Medi­en jahre­lang gegen George Soros kam­pag­nisieren, dann ist das kein Thema?

Mit dem Beitrag „Die anti­semi­tis­che Ver­schwörung zu Soros und Kurz“ haben wir bere­its darauf aufmerk­sam gemacht, dass die anti­semi­tis­che Erzäh­lung von Kurz als Mar­i­onette des Juden Soros nicht in der Face­book-Gruppe des Tal Sil­ber­stein erfun­den wurde, son­dern schon seit Monat­en von FPÖ-Poli­tik­ern und FPÖ-nahen Medi­en erzählt wird.

Für die FPÖ geht es aber nicht nur um die ange­bliche Beziehung zwis­chen Soros und Kurz. In den Erzäh­lun­gen von FPÖ–nahen Medi­en und den eher knap­pen Kom­mentaren von FPÖ- Poli­tik­ern wird jene kurze Leg­ende vari­iert, die in fak­tisch allen anti­semi­tis­chen Ver­schwörungs­geschicht­en abge­han­delt wird. Demzu­folge gibt es eine jüdis­che Elite, die die Weltherrschaft übernehmen will oder sie auch schon besitzt, Regierun­gen steuert und stürzen kann, mit Kriegen Flüchtlings­be­we­gun­gen aus­löst, diese auch steuert und so die gegen die jüdis­chen Weltver­schwör­er und ihre poli­tis­chen und wirtschaftlichen Unternehmungen revoltieren­den „Völk­er“ unter Druck set­zt, „umvolkt“ bzw. durch Anpas­sungswillige „aus­tauscht“ oder gar ange­blich ver­nicht­en will („Hooton“-Plan). Die „Neue Wel­tord­nung“ (NWO) wäre dann das Resul­tat dieser Bestrebungen.

In diesen Kon­tex­ten tauchen dann immer wieder die gle­ichen Per­so­n­en auf, die diese Weltver­schwörung anführen: die Roth­schilds und die Rock­e­fellers sind fast immer dabei, Soros natür­lich – und auch ein „Sil­ver­stein“ darf eine, allerd­ings etwas unter­ge­ord­nete Rolle spie­len. Lar­ry Sil­ver­stein, der vor dem Anschlag vom 11. Sep­tem­ber 2001 das World Trade Cen­ter gepachtet hat und irgend­wie über Mossad und US-Regierung die Spren­gung ver­an­lasst haben soll.

„Unzensuriert.at“, das recht­sex­treme Info-Por­tal, das direkt aus der Kom­mu­nika­tion­szen­trale der FPÖ ges­teuert wird, hat schon vor Jahren damit begonnen, Stim­mung gegen Soros aufzubauen. „Anführen oder gehen: George Soros stellt Deutsch­land vor die Wahl“, schrieb das Por­tal am 13.9. 2012 und ver­wies damit Soros indi­rekt in die Rolle eines Weltherrschers.

Was damals noch fast neu­tral for­muliert wurde, liest sich 2016 schon ganz anders. Unter dem Titel “Soros- Leaks enthüllen: Wie der Mil­liardär glob­ale Desta­bil­isierun­gen und die poli­tis­che Linke steuert“ (3.9.2016) springt die Het­z­seite schon ganz anders mit Soros um, beze­ich­net ihn als „zwielichtige Gestalt“ mit „per­fi­den Plä­nen“, durch die „Insti­tu­tio­nen in west­lichen Demokra­tien“ und „die Werte und Nor­men der christlichen Tra­di­tion nach­haltig“ geschwächt und die „nationalen Iden­titäten und die demografis­chen Zusam­menset­zun­gen“ unter­miniert wer­den sollen.

Auf die recht­en „Sudel­seit­en“, in denen Soros „in dum­m­dreis­ten anti­semi­tis­chen Ver­schwörungs­the­o­rien als Antreiber der Asylkrise in Europa fir­miert“, hat ganz aktuell der „Kuri­er“ hingewiesen.

Was der „Kuri­er“ nicht erwäh­nt hat: Spitzen­poli­tik­er der FPÖ wie HC Stra­che, Johann Gude­nus und die ÖVP-Über­läuferin Ursu­la Sten­zel zitieren nicht nur gerne die „Sudel­seit­en“, son­dern übernehmen auch deren Dik­tion. Am 17. Feb­ru­ar 2017 schrieb Stra­che auf sein­er FB-Seite:

„Beze­ich­nend! George Soros und auf welche sieben Öster­re­ich­er der dubiose Mil­liardär, Speku­lant und glob­ale Konz­ern- und Inter­essen­vertreter im EU-Par­la­ment zählen kann. Es sind auss­chließlich SPÖ‑, Grün- und NEOS-Abge­ord­nete! Bitte teilt meinen Beitrag, damit möglichst viele davon wis­sen!“.

Der „dubiose Mil­liardär“ ist eng ver­wandt mit der „zwielichti­gen Gestalt“ im Beitrag von „unzensuriert.at“. Aber es geht auch noch viel heftiger und deut­lich­er. Aus­gerech­net nach­dem Susanne Win­ter, damals noch FPÖ-Abge­ord­nete, wegen eines deut­lich anti­semi­tis­chen Post­ings unter ihrem eige­nen Kom­men­tar zu Orban und Soros (30.10.2015) heftig kri­tisiert und in der Folge auch aus der FPÖ aus­geschlossen wurde, stellte Stra­che am 31.10.2015 kom­men­tar­los einen Artikel von welt.de auf seine Face­book-Seite, in dem Orbán Soros Mitschuld an der Flüchtlingskrise gibt.

Etliche Fans haben die Botschaft von Stra­che auch ohne dessen Kom­men­tar ein­deutig inter­pretiert. Die meis­ten, aber nicht alle dieser anti­semi­tis­chen Post­ings sind mit­tler­weile gelöscht.

Die Empfänger der Botschaft beim Dekodieren

Es war übri­gens bei weit­em nicht das einzige und auch nicht das erste Stra­che-Post­ing zu Soros. Am 4. Jän­ner 2015 teilt Stra­che einen wüsten Artikel des Inter­net-Medi­ums „Deutsche Wirtschafts Nachricht­en“ DWN (das hier ganz gut beschrieben wird). In dem Beitrag wird Soros ohne eine Quelle dafür zu anzugeben wörtlich mit ein­er Auf­forderung zum Krieg gegen Rus­s­land zitiert: „Alle ver­füg­baren Ressourcen soll­ten einge­set­zt wer­den in ein­er Kriegsanstren­gung, auch wenn das zu Haushalts­de­fiziten führt.“

Auch Neon­azis dür­fen ihren anti­semi­tis­chen Senf bei HC Stra­che abdrücken

In keinem ser­iösen Medi­um wird dieser ange­bliche Kriegsaufruf von Soros zitiert oder ihm zugeschrieben. Was sich in etlichen Medi­en find­et, sind Forderun­gen von Soros nach groß angelegten Stützung­spro­gram­men für die Ukraine und seine War­nung vor eine Pleite Rus­s­lands. Stra­che nimmt das Geschreib­sel der DWN aber für bare Münze und warnt: „Vor­sicht, die Kriegshet­zer sind unterwegs“

Dieser Kom­men­tar Stra­ches ermutigt nicht nur einen alten verurteil­ten Neon­azi, son­dern auch Reichs­bürg­erIn­nen und andere zu anti­semi­tis­chen Post­ings und Mord­phan­tasien, die übri­gens noch immer (11.10.17, 9.30h ) abruf­bar sind.

Stra­ches Kom­mentare zu den anti­semi­tisch codierten Botschaften von „Deutsche Wirtschafts Nachricht­en“, „unzensuriert.at“, „Rus­sia Today“ (Deutsch), „Wochen­blick“, „Sput­niknews“ oder „Hausver­stand“ sind entwed­er sehr knapp oder gar nicht vorhan­den. Er lässt die von ihm geteil­ten Medi­en sprechen. Sein Pub­likum darf die Botschaften dann interpretieren.

P.S.: Natür­lich darf man an George Soros auch Kri­tik üben. Auf den Kon­text kommt es an: Wer Soros als Kriegstreiber, Teil ein­er Elite, der die Regierun­gen und deren Mit­glieder dirigiert, als Motor und Steuer­mann von Flüchtlings­be­we­gun­gen charak­ter­isiert und dif­famiert, bewegt sich allerd­ings in ein­er vordefinierten Bahn von anti­semi­tis­chen Erzäh­lun­gen und Codes.

➡️ George Soros und die FPÖ (II): Die Dokumentation

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