Die Kohle hinter Frei.Wild

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Die Dis­kus­si­on um die Rechts­rock­band Frei.Wild hält an. Der Kon­zert- Ter­min in Wels wur­de mitt­ler­wei­le auch von den Ver­an­stal­tern abge­bla­sen, nach­dem sich die Stadt­ge­mein­de Wels vor­her gewei­gert hat­te, in einen Ver­trag ein­zu­tre­ten. Robert Eiter vom Anti­fa-Netz­werk OÖ hat einen offe­nen Brief an Ver­tre­te­rin­nen der Gra­zer Par­tei­en gerich­tet, in dem er die Absa­ge des Gra­zer Frei.Wild-Konzerts for­dert. Und in Deutsch­land gibt es eine hef­ti­ge Debat­te über die Geschäf­te­ma­cher hin­ter Frei.Wild.

Sicher ist: ein Kon­zert von Frei.Wild in Wels wird es nicht geben. Mitt­ler­wei­le haben das auch die Ver­an­stal­ter ein­ge­se­hen, ver­trös­ten ihre Fans aber noch immer mit dem Ver­spre­chen, im Umkreis von 100 km von Wels für einen Ersatz­ort sor­gen zu wollen:“in mit­tel­ba­rer Umge­bung“. Die Zeit wird aller­dings knapp und die Fans mur­ren schon. Anders die Situa­ti­on in Graz, wo sich der Gemein­de­rat nicht ein­mal von Frei.Wild deut­lich distan­zie­ren wollte.

Robert Eiter vom Anti­fa- Netz­werk OÖ hat des­halb einen offe­nen Brief an Gra­zer Stadt­po­li­ti­ker gerich­tet, in dem er eine Absa­ge des Graz-Ter­mins von Frei.Wild for­dert (übri­gens hat auch der SPÖ-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Wel­ser Gemein­de­rat an die SPÖ-Vize­bür­ger­meis­te­rin in Graz appel­liert, den Pro­test gegen Frei.Wild zu unterstützen):

„Das OÖ. Netz­werk gegen Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus wur­de 2001 im Bil­dungs­haus Schloss Puch­berg in Wels gegrün­det. Mitt­ler­wei­le gehö­ren ihm 67 poli­ti­sche, reli­giö­se, kul­tu­rel­le und huma­ni­tä­re Orga­ni­sa­tio­nen an, dar­un­ter der KZ-Ver­band, die Katho­li­sche Akti­on, Pax Chris­ti, die Gewerk­schafts­ju­gend, die Volks­hil­fe, die Pfad­fin­der, die Kul­tur­platt­form KUPF, das Zeit­ge­schich­te­mu­se­um Eben­see, die Hoch­schü­ler­schaft der Johan­nes-Kep­ler-Uni­ver­si­tät und vie­le andere.


„Frei.Wild”, Bild­quel­le: endstation-rechts.de
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Die Süd­ti­ro­ler Rechts­au­ßen-Band „Frei.Wild“, die natio­na­lis­ti­sche und gewalt­ver­herr­li­chen­de Tex­te ver­brei­tet, soll am 10. Mai in der Gra­zer Stadt­hal­le auf­tre­ten. Im ober­ös­ter­rei­chi­schen Wels wur­de der Auf­tritt der Grup­pe durch die Stadt­re­gie­rung – im Ein­ver­neh­men von SPÖ, ÖVP und Grü­nen – ver­hin­dert. Vom deut­schen Musik­preis „Echo“ wur­de die Band auf­grund ihrer Inhal­te ausgeschlossen.

Tex­te wie die von „Frei.Wild“ ver­lei­ten man­che Jugend­li­che zum Ein­stieg in die rechts­extre­me Sze­ne. Es wäre völ­lig unver­ständ­lich , wenn gera­de die „Men­schen­rechts­stadt“ Graz eine ihrer Ein­rich­tun­gen zur Ver­fü­gung stellt, um ver­ro­hen­de und men­schen­ver­ach­ten­de Pro­pa­gan­da bei Tau­sen­den jun­gen Leu­ten zu ver­brei­ten. Hier nur ein ein­zi­ges Text­bei­spiel (aus „Rache muss sein“):


„Denn heut’ ver­haue ich Dich,
schlag Dir mein Knie in dei­ne Fres­se rein.
Heut’ ver­mö­bel ich Dich,
Zäh­ne wer­den fal­len durch mich.

Und ich tret’ Dir in dei­ne Rippen,
schlag mit dem Ell­bo­gen auf Dich ein.
Tut mir leid, mein Freundchen,
aber Rache muss sein, die muss sein.

Jetzt liegst Du am Boden,
liegst in dei­nem Blut.
Das Blut auf mei­nen Fäusten,
ich find’ das steht mir gut.“


Die Ver­brei­tung sol­cher Inhal­te mag noch nicht rechts­wid­rig sein, aber sie ver­stößt in ekla­tan­ter Wei­se gegen den Geist der Gewalt­frei­heit, der Demo­kra­tie und der Menschenrechte…..“

Mitt­ler­wei­le hat er eine Ant­wort von Vize­bür­ger­meis­te­rin Mar­ti­na Schröck (SPÖ) erhal­ten, die wir hier fast unge­kürzt veröffentlichen:

„Vor­ab möch­te ich ganz klar fest­stel­len: Rechts­extre­mis­mus, Gewalt­ver­herr­li­chung, Sexis­mus widern mich an. Als Sozi­al­de­mo­kra­tin ver­su­che ich in mei­nem poli­ti­schen und pri­va­ten Tun dage­gen anzu­kämp­fen. Das nur zur Klarstellung!

Ich kann­te die Band „Frei.Wild“ vor dem Start der Dis­kus­si­on über ihren Graz-Auf­tritt nicht. Mitt­ler­wei­le habe ich mich ein­ge­le­sen, weiß, dass es sehr gegen­sätz­li­che Mei­nun­gen zu der Band, deren Tex­ten und deren poli­ti­scher Aus­rich­tung gibt. Ich weiß aber auch, dass Ver­fas­sungs­schüt­zer in Deutsch­land und Öster­reich die Band nicht als Neo­na­zi-Band ein­stu­fen. Für mich kann ich nur sagen, das dass, was ich an Tex­ten nach­ge­le­sen habe, abso­lut nicht mei­nem Welt- und Gesell­schafts­bild entspricht.


Soli­da­ri­tät auch von Neo­na­zis. NPD-Funk­tio­när Patrick Schrö­der zu den Distan­zie­run­gen von Frei.Wild: „Mit die­sen Distan­zie­run­gen kön­nen wir leben”, sie erfol­gen nur auf­grund öffent­li­chen Drucks. Dies sei zwar nicht schön, doch „Geschäfts­mann“ Schrö­der kann die­se Distan­zie­rung zum eige­nen Pro­fit nach­voll­zie­hen (sie­he dazu auch: endstation-rechts.de)
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Eine Absa­ge des Kon­zer­tes durch die Poli­tik in der Stadt Graz ist aber gar nicht mög­lich. Das war auch nicht die For­de­rung der Grü­nen in ihrem in der Gemein­de­rats­sit­zung vom 28. 2. ein­ge­brach­ten dring­li­chen Antrag. Da ging es um eine kla­re Distan­zie­rung des Gemein­de­ra­tes von die­sem Kon­zert bzw. von den Inhal­ten, wel­che die Band trans­por­tiert. Es ist nicht rich­tig, dass die SPÖ die­sen Antrag abge­lehnt hat, wir haben einen Abän­de­rungs­an­trag ein­ge­bracht, der die Ein­bin­dung des Men­schen­rechts­bei­ra­tes der Stadt Graz in die Dis­kus­si­on forderte.

Fak­tum ist, dass der Gemein­de­rat der Stadt Graz, auch als deren höchs­te Instanz, das Kon­zert nicht absa­gen kann. Dies könn­ten nur die bei­den Ver­trags­part­ner – näm­lich der Ver­an­stal­ter und Mes­se-Con­gress Graz (MCG).

Es gibt in Öster­reich Geset­ze, die fest­le­gen, was poli­tisch bedenk­lich ist und was nicht. Ich bin der Mei­nung, dass die Prü­fung des­sen von der Jus­tiz und nicht von Poli­ti­ke­rIn­nen erfol­gen soll­te. Ich per­sön­lich fin­de auch vie­le Tex­te von Sido, Bushi­do und vie­len ande­ren Künst­le­rIn­nen sexis­tisch, gewalt­ver­herr­li­chend und rassistisch/antisemitisch. Aber als Poli­ti­ke­rin sehe ich mei­ne Auf­ga­be eben nicht dar­in, Auf­trit­te zu unter­bin­den (außer natür­lich dort, wo es ganz klar und juris­tisch fest­ge­stellt um Ver­het­zung geht), son­dern eher dar­in, die Basis zu schaf­fen, dass sol­che Tex­te so wenig Wie­der­hall wie mög­lich fin­den bzw. sol­che Künst­le­rIn­nen so wenig Erfolg wie mög­lich haben. Dafür wer­de ich mich, gera­de als Jugend­stadt­rä­tin, wei­ter­hin mit aller Vehe­menz einsetzen.“

Die mehr als vage Posi­tio­nie­rung der Gra­zer Vize­bür­ger­meis­te­rin, die erst dann etwas unter­neh­men will, wenn „es ganz klar und juris­tisch fest­ge­stellt um Ver­het­zung geht“, ver­an­lass­te Eiter zu der Antwort:


„Gestat­ten Sie mir ein offe­nes Wort: Sie machen es sich da sehr leicht. Theo­re­tisch hal­ten Sie die heh­ren (sozial)demokratischen Wer­te hoch. Prak­tisch sehen Sie sich lei­der außer­stan­de, irgend­et­was zu tun, wenn eine Rechts­au­ßen-Band ihre natio­na­lis­ti­schen und men­schen­ver­ach­ten­den Inhal­te unter Tau­sen­den Jugend­li­chen ver­brei­tet – und zwar in einer Ein­rich­tung jener Stadt, in der Sie Vize­bür­ger­meis­te­rin sind! Prak­tisch reden Sie sich auf Ihre Unzu­stän­dig­keit aus, zustän­dig sei­en viel­mehr der Ver­fas­sungs­schutz, die Jus­tiz, der (städ­ti­sche) Hal­len­be­trei­ber und so wei­ter und so fort.

Das ist, um es kurz zu machen, eine faden­schei­ni­ge Aus­re­de. Dass es auch anders geht, hat die Wel­ser SPÖ mit ihrem Vor­sit­zen­den Vize­bür­ger­meis­ter Her­mann Wim­mer bewiesen.

Das Min­des­te, das sich Anti­fa­schis­tIn­nen von Ihnen erwar­ten dür­fen, ist, dass Sie öffent­lich für die Absa­ge des unsäg­li­chen Kon­zerts in der Gra­zer Stadt­hal­le ein­tre­ten. Dazu for­dern wir Sie auf!“


Jen­seits der Fra­ge über den Umgang mit het­ze­ri­schen Bands gibt es in Deutsch­land noch eine ande­re Debat­te, die auch nicht unwich­tig ist: wem ver­dankt Frei.Wild sei­nen Erfolg? Sind es wirk­lich nur die Fans, denen die Frei.Wild –Paro­len gefal­len oder wur­de da ein Bedarf kon­stru­iert – von geris­se­nen Geschäf­te­ma­chern, die genau wis­sen, wie rechts man gera­de noch sein darf, ohne vor dem Straf­ge­richt zu lan­den, und die – gemein­sam mit der Band – den Pro­test gegen Frei.Wild auch noch dazu instru­men­ta­li­sie­ren, um für die Fans den Außen­sei­ter-Mythos Frei.Wild wei­ter zu stei­gern: „Vom Täter zum Opfer im ‚Land der Voll­idio­ten‘“. Die Grup­pe „Tur­bo­staat“ hat sich in einem Inter­view mit „Intro“ damit beschäf­tigt und ist zu ein­deu­ti­gen Ant­wor­ten gekom­men: „Da steckt ein Musik­ma­na­ger mit hau­fen­wei­se Koh­le dahin­ter. Das sehen die Leu­te bloß nicht, dass sie hier kei­nen Under­dog gegen ver­meint­lich lin­ke Mei­nungs­ho­heit unter­stüt­zen“.