Die Freiheitlichen, ihre Wandlungen und Spaltungen (IV): Der „blaue“ Briefträger und sein Stadler

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Es ist nicht leicht, den Über­blick zu bewah­ren bei den Frei­heit­li­chen in Nie­der­ös­ter­reich! Sie hat­ten in den ver­gan­ge­nen Jah­ren etli­che Abspal­tun­gen, Rück- und Aus­trit­te, Ein­trit­te und ähn­li­ches zu ver­kraf­ten. Als Bar­ba­ra Rosen­kranz, Spit­zen­kan­di­da­tin der FPÖ NÖ, vor weni­gen Tagen erklär­te, die Lan­des­grup­pe sei „geeint wie nie“, dürf­te ihr die Dop­pel­deu­tig­keit der For­mu­lie­rung ent­gan­gen sein.

Für kur­ze Zeit wird der „blaue Brief­trä­ger“ aus Nie­der­ös­ter­reich bun­des­weit bekannt. Ernest Wind­holz, der 2008 beim BZÖ lan­det, ist zunächst ent­schlos­sen, die Aus­schluss­ver­fah­ren durch­zu­zie­hen, lenkt aber dann Ende Jän­ner 2003 ein. Wind­holz spricht von der „Frei­den­ker­par­tei“ FPÖ, in der alle ihre Mei­nung sagen dürf­ten. Als Zibusch in der Fol­ge als Bezirks­par­tei­ob­mann abmon­tiert wird, löst sich der freie Gedan­ke wie­der in Luft auf und zwei Funk­tio­nä­re der FPÖ Schrems tre­ten aus der Par­tei aus. Zibusch selbst bleibt (noch) und beschwichtigt.

2005, die Spal­tung der FPÖ kün­digt sich schon an, kan­di­diert Zibusch noch ein­mal für die FPÖ bei den Gemein­de­rats­wah­len. Kurz danach, das BZÖ ist gegrün­det, wech­selt Zibusch mit ande­ren FPÖ- Funk­tio­nä­ren zum BZÖ. Zibusch damals: “Ich bin ein kon­struk­ti­ver, enga­gier­ter Funk­tio­när. Ich gehö­re nicht zum rech­ten Lager. Die Poli­tik eines Stad­ler oder Stra­che ist mir viel zu aus­län­der­feind­lich. Mit die­ser FPÖ sicher nicht mehr“ (NÖN, 13.4. 2005).

Spä­tes­tens jetzt wird es undurch­sich­tig: Ende Okto­ber berich­tet die NÖN (26.10.2005), dass Zibusch und ein wei­te­rer zum BZÖ über­ge­lau­fe­ner FPÖ-Funk­tio­när wie­der zur FPÖ zurück­ge­wech­selt haben 2006 geht’s dann wie­der retour: Zibusch steht auf der Kan­di­da­tIn­nen-Lis­te des BZÖ für die Natio­nal­rats­wah­len, der ande­re Retour-Wechs­ler bleibt bei der FPÖ. 2010 wird Zibusch auf der Lis­te des BZÖ wie­der in den Gemein­de­rat von Schrems gewählt.

Die Situa­ti­on im gesamt­frei­heit­li­chen Lager bleibt in NÖ unüber­sicht­lich und tur­bu­lent. Um das über die poli­ti­sche Bio­gra­phie eini­ger Frei­heit­li­cher zu ver­deut­li­chen: Ewald Stad­ler, gegen den Zibusch 2002 und 2005 rebel­lier­te, ist seit 2008 mit ihm in der glei­chen Par­tei. Stad­ler, der sich mit der “Lei­che“ BZÖ nicht wie­der ver­ei­ni­gen woll­te, ist 2007 aus der FPÖ aus­ge­tre­ten und seit 2009 Zibus­chs BZÖ-Lan­des­par­tei­ob­mann. Ernest Wind­holz, der im Jahr 2000 mit Unter­stüt­zung von Stad­ler und Schi­ma­nek zum Par­tei­chef gewählt wur­de und 2003 als Chef der NÖ-FPÖ Zibusch aus­schlie­ßen woll­te, sitzt seit 2008 für das BZÖ im Natio­nal­rat. Und Hans Jörg Schi­ma­nek sen. wur­de zwar nicht 2003 aus der FPÖ aus­ge­schlos­sen, son­dern erst 2005, war dann eini­ge Jah­re BZÖ-Funk­tio­när, bis er schließ­lich 2008 auch aus dem „Bie­nen­züch­ter­ver­ein“ (Stad­ler über das BZÖ vor sei­nem Bei­tritt) ent­fernt wurde.


Ernest Wind­holz, der 2000 in Wie­sel­burg bei einer Ehrung lang­jäh­ri­ger FPÖ-Mit­glie­der die SS-Paro­le „Unse­re Ehre heißt Treue“ ein­setz­te; ©Parlamentsdirektion/Mike Ranz
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Seit 2003 ist die stramm rech­te Bar­ba­ra Rosen­kranz Vor­sit­zen­de der FPÖ NÖ. Die nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­par­tei wur­de damals nach den Knit­tel­fel­der Ver­wer­fun­gen täg­lich dar­an erin­nert, dass sie auch noch mit ihrer eige­nen Ver­gan­gen­heit zu kämp­fen hat­te. Der 1998 aus der FPÖ aus­ge­schlos­se­ne Lan­des- und Klub­chef Bern­hard Grat­zer saß nicht nur auf einem frei­heit­li­chen Ticket wei­ter im Land­tag als „wil­der Abge­ord­ne­ter“, son­dern auch seit 12. August 2002 in einer Haft­an­stalt. Er ist der bis­lang ein­zi­ge unter meh­re­ren ver­ur­teil­ten Abge­ord­ne­ten, der sein Man­dat aus der Haft­an­stalt her­aus wei­ter betrieb –bis zum Aus­lau­fen des Man­dats im April 2003 pen­del­te er zu den Sit­zun­gen im Land­tag als „Frei­gän­ger“

Kurz nach ihrer Wahl zur Lan­des­vor­sit­zen­den der FPÖ kommt es zu ers­ten Aus- und Rück­trit­ten. Für einen FPÖ-Gemein­de­rat aus Haus­lei­ten ver­kör­pert Rosen­kranz den „rech­ten Rand“ der Par­tei, der Gän­sern­dor­fer Bezirks­par­tei­ob­mann Wenit­sch wird mit den Wor­ten zitiert: „Ich habe kein Ver­trau­en mehr in die­se Lan­des­par­tei­füh­rung und will auch an nichts mit­schul­dig sein. Des­halb tre­te ich als Obmann zurück.“

2005, nach der Abspal­tung des BZÖ, bleibt es rela­tiv ruhig in der nie­der­ös­ter­rei­chi­schen FPÖ. Die Par­tei ist nach den Tur­bu­len­zen der letz­ten Jah­re und den star­ken Ver­lus­ten bei den Land­tags­wah­len 2003 noch immer sehr schwach – und ande­rer­seits inner­par­tei­lich ohne­hin im rech­ten Eck. Stad­ler und Wind­holz sind auf Rosen­kranz‘ Sei­te, als die Lan­des­par­tei gegen Hans Jörg Schi­ma­nek zunächst ein Funk­ti­ons­ver­bot und dann den Aus­schluss ver­hängt. Nur weni­ge Funk­tio­nä­re fol­gen Schi­nak in Rich­tung BZÖ. Auch als 2006 der Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Tho­mas Ram im Streit mit sei­nem Frak­ti­ons­kol­le­gen Wald­häusl aus der FPÖ aus­tritt, aber als „wil­der“ Abge­ord­ne­ter bis 2008 im Land­tag bleibt und 2006 als Spit­zen­kan­di­dat für das BZÖ in NÖ bei der Natio­nal­rats­wahl kan­di­diert, bleibt die Unter­stüt­zung für das BZÖ aus. 2,26 % erreicht das BZÖ in NÖ, die FPÖ bleibt mit 9,64 % eben­falls unter ihrem schwa­chen Bun­des­er­geb­nis von 11,04%.

Rosen­kranz bleibt den­noch fest im Sat­tel als Par­tei­vor­sit­zen­de. Als ihr treu­er Ver­bün­de­ter Ewald Stad­ler 2007 im Streit mit Stra­che der FPÖ abhan­den kommt und etwas spä­ter dann auch Ernest Wind­holz, der im Jahr 2000 mit dem SS-Mot­to „Unse­re Ehre heißt Treue“ auf­ge­fal­len ist, zum BZÖ wech­selt, ver­liert sie nur weni­ge Worte.


Hein­rich Stra­che und Bar­ba­ra Rosen­kranz­Bild­quel­le: pekobaxant.at
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Bei den Land­tags­wah­len 2008 kann Bar­ba­ra Rosen­kranz end­lich einen Erfolg ein­fah­ren. Mit 10,5 % der Stim­men kann sie den Stim­men­an­teil der FPÖ gegen­über dem Desas­ter­jahr 2003 (4,5%) zwar mehr als ver­dop­peln, bleibt aber deut­lich hin­ter dem Ergeb­nis von 1998 mit 16,1 %.

Die FPÖ NÖ bleibt ein beson­de­res Pro­blem in der Bun­des­par­tei, weiß der „Kurier“ 2009 zu berichten:“Bei uns wird bru­tal gemobbt“ (online ist der Bei­trag nur über Web­site des ÖVP-Klubs NÖ abzu­ru­fen). Im Bei­trag ist von Par­tei­aus­schlüs­sen, der Zer­schla­gung der Bezirks­grup­pe Gän­sern­dorf die Rede und von einer „Nie­der­la­ge der demo­kra­ti­schen rech­ten Kräf­te“. Was mit der Selbst­be­schrei­bung „demo­kra­ti­sche rech­te Kräf­te“ gemeint sein könn­te, ob die Aus­trit­te neben per­sön­li­chen Que­re­len und Ver­let­zun­gen auch poli­ti­sche oder ideo­lo­gi­sche Dif­fe­ren­zen beinhal­ten, lässt sich weder in die­sem noch in den meis­ten ande­ren Fäl­len genau­er eruieren.

2012 ver­lässt dann der frü­he­re Bezirks­ob­mann der FPÖ Gmünd „aus Grün­den, die sich mit mei­nem Gewis­sen nicht mehr ver­ein­ba­ren las­sen“ (NÖN Gmünd, 15.1.2013), die Par­tei. Er wird als „gemä­ßigt“ beschrieben.

Rosen­kranz ist seit ihrer Kan­di­da­tur bei den Bun­des­prä­si­dent­schafts­wah­len, ihren dama­li­gen Aus­sa­gen zu Ver­bots­ge­setz und Holo­caust, eini­gen ein­schlä­gi­gen Face­book-Freund­schaf­ten im Jahr 2010 und ihrem beharr­li­chen Kampf gegen „Gen­der Main­strea­ming“, für den sie sogar nach Ham­burg reis­te, um die Bur­schis von der „Ger­ma­nia“ davor zu war­nen, zuletzt nur durch ein skur­ri­les Weih­nachts-Video bun­des­weit aufgefallen. 

Teil I: Königs­ko­bras, Vater­mör­der, Blitz­dräh­te und ehe­ma­li­ge Naziführer.
Teil II: „Ich gehe – bin schon wie­der da!
Teil III: FPÖ NÖ: Geeint wie nie!