Aber mal langsam und zum Mitschreiben. Die FPÖ schlägt allen Ernstes vor, die Geringfügigkeitsgrenze von damals € 357,74 auf € 500,- anzuheben. Die Folge: Alle Menschen, die (im Jahr 2009) zwischen € 5000,- und € 7000,- im Jahr verdien(t)en, würden aus der Krankenversicherung, der Pensionsversicherung und der Arbeitslosenversicherung fallen. Davon betroffen wären, so sich die angebliche „soziale Heimatpartei“ durchgesetzt hätte, ca. 140.000 Menschen (vor allem Frauen und ArbeiterInnen).
Warum das so ist? Einkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze (2011: € 374,- im Monat, bis zu 14 Mal im Jahr) unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht. Für diese Einkommen müssen also keine Versicherungsbeiträge geleistet werden. Es entstehen daher auch keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld, auf eine Pension oder – im Krankheitsfall wohl das größte Problem – auf Leistungen aus der Krankenversicherung. Steigt diese Grenze, fallen Menschen, die derzeit versichert sind, aus der Pflichtversicherung heraus und müssen sich selbst versichern oder auf einen Versicherungsschutz verzichten.
Aber was will die FPÖ mit der Entfernung von ca. 140.000 Menschen aus der Sozialversicherung erreichen? Aus den unendlichen Weiten des inhaltslosen Gebrabbels erreicht uns folgende Botschaft der Antragsbegründung: „Das Instrument der geringfügigen Beschäftigung ermöglicht es vielen leistungsbereiten Menschen, neben ihrer Hauptbeschäftigung zusätzlich produktiv tätig zu sein, ohne exorbitante Abgabenbelastungen in Kauf nehmen zu müssen. … Aufgrund der Modellausgestaltung wird mit Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze der gesamte Zusatzverdienst voll sozialversicherungs- und einkommenssteuerpflichtig, wobei es im Falle einer geringfügigen Zusatzbeschäftigung zu einer Hauptbeschäftigung und auch noch zu einer kumulativen Wirkung der Sozialversicherungspflichten kommt.“
Nach Ansicht der FPÖ sollen „Leistungsbereite“ für Zusatzeinkommen von Sozialversicherungsbeiträgen befreit werden. Wer jedoch nur ein niedriges Einkommen aus einer Hauptbeschäftigung bezieht, wird damit vom Versicherungsschutz befreit.
Die Argumentation der FPÖ zur Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze ist zu allererst einmal dumm: Die von ihr kritisierte Wirkung bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze bleibt ja erhalten, wenn die Grenze angehoben wird. Genaugenommen verschärft sie sich sogar, weil dann mit einem Schlag die gesamten Sozialversicherungsbeiträge von einem deutlich höheren Betrag anfallen.
Außerdem gibt’s ein Problem mit der Gerechtigkeit: Wer etwa aus einem Job € 2000,- im Monat verdient, zahlt davon etwas mehr als € 360,- im Monat an Sozialversicherungsbeiträgen. Geht es nach der FPÖ, sollen alle, die nun neben diesem Einkommen noch bis zu € 500,- im Monat in einem anderen Job dazuverdienen, auch nur € 360,- im Monat für die Sozialversicherung zahlen. Wer aber in einem einzigen Beschäftigungsverhältnis € 2500,- brutto verdient, muss € 450,- an SV-Beiträgen bezahlen.
Aber vor allem: Vom „Anreiz“ der FPÖ profitieren in besonderem Maße Unternehmen, die für Einkommen bis € 500,- weniger an Sozialversicherungsbeiträgen zu entrichten hätten. Für MitarbeiterInnen mit einem Einkommen von € 500,- brutto im Monat haben Unternehmen derzeit ArbeitgeberInnenbeiträge zur Sozialversicherung in der Höhe von € 109,- zu entrichten. Würde der FPÖ-Antrag auf Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze Realität, so würden nur mehr € 89,- im Monat, vielfach sogar nur € 7,- im Monat zu entrichten sein. Da fliegt also nicht nur der oder die Beschäftigte um die soziale Sicherheit um, sondern auch das Sozialsystem um erhebliche Geldmittel. Und die Umwandlung von ohnehin schon schlecht bezahlten Jobs in mehrere geringfügige Beschäftigungen, etwa im Gastgewerbe und im Handel, würde noch weitaus attraktiver sein als heute. Im Handel entsprächen € 500,- einer wöchentlichen Arbeitszeit von fast 16 Stunden. Das ist aber keine geringfügige Tätigkeit mehr, sondern fast ein Halbtagsjob.
Zusammengefasst: Der Vorschlag der FPÖ, die Geringfügigkeitsgrenze auf € 500,- zu erhöhen, führt zu einer massiven Verschlechterung für Beschäftigte und höhlt das Sozialsystem aus. Von einer derartigen Absurdität profitieren nur Unternehmen auf Kosten ihrer Beschäftigten. Die selbsternannte „soziale Partei“ betreibt also Politik zum Nachteil der arbeitenden Menschen in Österreich.
Gutwillige Menschen mögen hinter diesem Antrag der FPÖ Dummheit, Unkenntnis des Sozialsystems, mangelnde Kenntnis der Auswirkungen oder schlichtweg Inkompetenz vermuten. Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die FPÖ schlicht eine Politik des Sozialabbaus betreiben will und betreibt.
Artikelserie „Politik gegen die Menschen: Die Sozial- und Gesellschaftspolitik der FPÖ”.