Seit Jahren gibt es eine konsequente, aus politischen Motiven gespeiste Unterschätzung und Verharmlosung von Rechtsextremismus bzw. Neonazis in Österreich durch den Verfassungsschutz.
- Seit dem Jahr 2002 gibt es auf politischen Druck der FPÖ, die damals Regierungspartei war, keinen eigenständigen Rechtsextremismus-Bericht mehr.
- Seit 2003 fehlen in den Verfassungsschutzberichten Hinweise auf die engen Beziehungen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits Burschenschaften bzw. FPÖ-Organisationen und andererseits rechtsextremen bzw. neonazistischen Strukturen.
- In den letzten Jahren gab es in Österreich etliche Gewalttaten bzw. Tote mit rechtsextremen Hintergrund (Breivik von Traun 2011, Jürgen Kasamas Wien 2009, Neonazi-Skin Vorarlberg 2009, Brand Asylheim Klagenfurt 2008), die in der Betrachtung des BVT bzw. Verfassungsschutzberichtes keine Erwähnung finden.
- Die Entwicklung rechtsextremer Straftaten für den von uns dokumentierten Zeitraum 2004 bis 2010 zeigt anhand der Zahlen des Verfassungsschutzberichtes jedenfalls eine Verdreifachung bei allen angezeigten Delikten und bei den Anzeigen sonstige StGB-Delikte sogar eine Vervierfachung!

Die in der Folge geschilderten Fälle bzw. Vorkommnisse machen deutlich, dass der österreichische Verfassungsschutz im Umgang mit Rechtsextremismus bzw. Neonazis etliche offene Probleme hat.
Alpen-Donau und ein Verfassungsschützer
Seit März 2009 ist die neonazistische Website Alpen-Donau.info aktiv. Trotz zahlreicher Anzeigen wegen NS-Wiederbetätigung, Verhetzung, gefährlicher Drohung usw. passiert auffällig wenig. Erst im Sommer 2010 kommt Bewegung in die Angelegenheit. In einer parlamentarischen Anfrage der Grünen im Juli 2010 wird neben Gottfried Küssel, Felix Budin und anderen der Name des Sohnes eines Verfassungsschützers als Aktivist im Umfeld von Alpen-Donau genannt.

Im August 2010 wird der Verfassungsschützer, der nach unseren Informationen Leiter der Observation im BVT war, von seinem Posten abberufen und in das Innenministerium versetzt. Bekannt wird das erst Anfang November 2010 – da finden dann auch die ersten Hausdurchsuchungen von Alpen-Donau-Usern statt.
Alpen-Donau und der Chef der Verfassungsschützer
Bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2010 wurde Peter Gridling, Chef des BVT, auch zu möglichen Querverbindungen zwischen Alpen-Donau, Königshofer und der FPÖ befragt. Darauf antwortete Gridling:
„Angesprochen auf mögliche Querverbindungen der FPÖ zur rechtsextremen Szene, meinte Gridling, dass die Behörden Beweise bräuchten und nicht mutmaßen dürften. Im Fall des inzwischen aus der FPÖ ausgeschlossenen Abgeordneten Werner Königshofer beispielsweise habe es bisher keinen Beweis dafür gegeben, dass dieser selbst Inhalte auf die Webseite der Alpen-Donau-Nazis gestellt habe.“ (Standard, 6.8.2011)
Wie Gridling zu dieser Weißwaschung von Königshofer und FPÖ kommt, ist völlig unbegreiflich. Zum einen gab es zu diesem Zeitpunkt genügend Hinweise auf personelle Querverbindungen der FPÖ zur rechtsextremen Szene im Allgemeinen und zu Alpen-Donau im Besonderen, zum zweiten gab es in der Causa Königshofer Anfang August noch keine Berechtigung für Ermittlungen. Der „Freispruch“ von Königshofer (bzw. der FPÖ) erfolgte offensichtlich aus politischen Motiven.
David Duke: ein Chef der rechtsextremen Szene
Der ehemalige Ku Klux Klan-Chef spielt in der Liga der Chefs des Rechtsextremismus international. Von Österreich aus (Zell/See), wo er rechtswidrig dauerhaften Aufenthalt hat, organisiert er seine Kontakte zu Rechtsextremisten und Neonazis aus aller Welt (von Nick Griffin /BNP, Udo Voigt/NPD bis zu Kris Roman/N‑SA Belgien).
Bei diesen Treffen trifft er auch österreichische Neonazis und Rechtsextremisten wie Andreas Thierry und Gerhoch Reisegger. In Teheran bei der berüchtigten Holocaust-Leugner-Konferenz 2006 war Duke Referent, neben ihm waren aus Österreich Herbert Schaller, Wolfgang Fröhlich und Hans Gamlich anwesend.
Duke lebt seit mehr als 10 Jahren unbehelligt von den Behörden in Zell/See, obwohl er kein dauerndes Aufenthaltsrecht besitzt!
Im „Report“ des ORF am 12.5.2009 erklärte der oberste Verfassungsschützer zu David Duke: „Die österreichischen Behörden beobachten David Duke nicht, denn wir haben keinen Grund zur Annahme, dass David Duke hier eine Straftat begehen wird, oder dass ein Verdacht einer Straftat vorhanden ist. Für uns ist Herr Duke ein amerikanischer Staatsbürger, der sich in Österreich zurzeit aufhält.“
Sowilo (alias Wolfgang L.): Anleitungen zum Bombenbau
In dem nicht öffentlichen Internet-Forum der „Freien Freunde“ diskutieren 2006 ein „Junker Jörg“ und „Sowilo“ über den Bau von Bomben. Zwischen 9.8 2006 und 17.8.2006 wurde in einem geheimen Subforum über den richtigen Bau von Bomben, illegale Methoden der Geldbeschaffung diskutiert.
Sowilo fragt: „Wie siehts eigentlich mit Sprengstoffen aus?”
Als „Junker Jörg“ verdächtigen die deutschen Ermittlungsbehörden im März 2011 den damaligen NPD-Vorsitzenden Matthias Heyder. Gegen ihn wurde ein Strafermittlungsverfahren eingeleitet.
Das Forum für Diskussionen über illegale Geldbeschaffung und „Tag X”
Sowilo alias Wolfgang L., ein Burschenschafter mit guten Verbindungen in die FPÖ, der in seinen Einträgen auch auf den Ehemayr-Keller verweist (gemeint ist jenes Kellerlokal im zweiten Bezirk, wo Gottfried Küssel mit seinen Neonazi-Freunden tagte), ist nach wie vor in der Wiener Neonazi-Szene aktiv, war am 8. Mai 2011 bei der Burschenschafter-Gedenkfeier dabei und ist offensichtlich nicht Gegenstand von Ermittlungen.
Ultrassurwien und Christian K: Adressaten des Breivik-Manifests
Auf der Mail-Liste des norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik, über die er sein Manifest verschickte, fanden sich auch Österreicher. Auch wenn richtig ist, was der Sprecher des Innenministeriums damals betonte, dass alleine der Umstand, ein Mail von Breivik erhalten zu haben, aus einem Empfänger noch keinen Verdächtigen oder Täter mache: Mindestens zwei der Adressaten der Breivik-Mail in Österreich sind Rechtsextreme.
Es handelt sich um Michael W. der unter dem Pseudonym „Ultrassurwien“ immer wieder bei Spielen des FK Austria Wien provoziert und um Christian K., der ebenfalls als Rechtsextremer aktiv ist.
„SS Kampfgemeinschaft Prinz Eugen”
Im Jahr 2002 wurde im August das bisher größte Waffenlager von Neonazis in Wien ausgehoben. Drei Männer wurden verhaftet, als sie gerade die Waffen abtransportieren wollten, gegen ein Dutzend weitere wurde ermittelt. Soweit wir wissen, wurden sie nie wegen NS-Wiederbetätigung bzw. Bildung einer staatsfeindlichen Verbindung angeklagt und verurteilt. Warum nicht? (↳ I, ↳ II)
Grüne Vorschläge und Aktivitäten
Die Entwicklungen rund um die Causa NSU bzw. Verfassungsschutz in der BRD, aber auch die hier geschilderten Vorfälle machen deutlich, dass der Verfassungsschutz die rechtsextreme Gefahr und Gewalt systematisch unterschätzt bzw. verharmlost hat.
- Der Verfassungsschutz bzw. das Innenministerium (BMI) müssen offenlegen, ob bzw. wie viel Geld in den letzten Jahren in die rechtsextreme Szene für Vertrauenspersonen aufgewendet wurde.
- Das BMI bzw. BMJ werden zum Ermittlungsstand bezügl. der oben geschilderten Fälle (Duke, Königshofer, Alpen-Donau, Sowilo und Breivik-Adressaten usw.) befragt.
- Es braucht eine vom Innenministerium unabhängige Beratungsstelle, die Angehörige, KollegInnen, LehrerInnen, SchülerInnen berät im Umgang mit Rechtsextremen bzw. Neonazis. Auch Aussstiegsberatung und ‑hilfen analog zu Einrichtungen in der BRD ist notwendig.
Karl Öllinger