Aber diesmal musste alles anders werden: HC Strache war als Festredner angesagt! Der hatte gerade Kummer mit seinen Fotos von Wehrsportübungen, „Wiking-Jugend“ und den drei Fingern. Begegnungen mit Neonazis wie Küssel vor der lodernden Flamme waren deshalb nicht angesagt. Der Zutritt wurde kontrolliert: „Keine Glatzen, keine Springerstiefel!“
Küssel hatte weder das eine noch das andere, sondern Frau und Kinder dabei, durfte aber dennoch nicht zum Feuer und HC Straches Rede: „Weil er der ärgste Spitzel ist, der ärgste Schlechtmacher !“ Der Satz machte die Runde innerhalb der rechtsextremen Szene: Es wurde heftig gestritten, wer der Idiot und wer der Verräter ist. Als Lösung wurde ein Duell angeboten. Auf dem NPD-nahen Info-Portal „Altermedia“ philosophierte Jürgen Schwab (siehe „Olympia-Dossier“) über Kellernazis und die FPÖ (Fehler im Original belassen).
Die Ehrenerklärung für Küssel, die Schwab in seinem Posting anspricht, hatte der FPÖ-Abgeordnete und Landesobmann OÖ Lutz Weinzinger schon zuvor abgegeben, nachdem er Gottfried Küssel zuvor einen „Idioten“ genannt hatte. Küssel war im August 2006 auf einer von der FPÖ angemeldeten Kundgebung in Braunau am Inn aufgetaucht und hatte dort gemeinsam mit Burschenschaftern und diversen Rechtsextremen demonstriert.
Jürgen Schwab
“Wer hat Nutzen davon, wenn man einen nationalen Aktivisten samt seiner Familie von einer Brauchtumsfeier von Korporiereten ausschließt?”
Der Nutzen besteht darin, daß es in deutschösterreichischen Verbindungen, vor allem in Burschenschaften, viele personelle Querverbindungen zur FPÖ gibt. Die FPÖ ist wie jede andere Partei dem “eheren Gesetz der Oliagarchie” (Robert Michels) unterworfen, also in letzter Konsequenz dem Gelderwerb im Parlamentsbetrieb (Mandatsbezüge, Posten und Gehälter, Mitgliedsbeiträge, Spenden usw.).
Das heißt, ein Parteiführer wie Strache ist auf bürgerliche Salonfähigkeit, auf gesellschaftliche Reputation angewiesen. Da Küssel über diese nicht verfügt, glaubt Strache sich von ihm billig distanzieren zu müssen, glaubt der FPÖ-Funktionär Weinzinger Küssel einen “Idioten” nennen zu müssen.
Die Distanzierung ist wohl in den meisten Fällen nicht ernst gemeint, denn in Verbindungen gibt es viele Kellernazis, die also nicht wie Küssel den mannhaften Mut aufbringen, sich offen zum NS zu bekennen, dafür dann ins Gefängnis gehen, die aber im Keller des Verbindungshauses NS-Onanie betreiben – sozusagen als Ersatzhandlung. Wenn die Leute dann über die FPÖ im Parlament landen, betrachten sie die Burschenschaft als ihr kulturelles Vorfeld (“Drittes Lager”), das den FPÖ-Anforderungen der bürgerlichen Salonfähigkeit und gesellschaftlichen Reputation zu entsprechen hat. Die Burschenschaft hat sich also an dem Nutzen des Gelderwerbs bestimmter Mitglieder, die FPÖ-Funktionäre sind, unterzuordnen. Die Ehre läuft dann oftmals – nicht immer und nicht für jedes Mitglied! – auf Geld hinaus.
Der Busson ist ein Regelwerk, um Streit zu schlichten. Jeder deutsche Mann, egal ob Akademiker, Verbindungsmensch oder nicht, kann sich darauf berufen – also auch Küssel! Der Vorsitzende des WKR wird also um ein mögliches Duell nicht herumkommen mit der Ausrede, Küssel gehöre keiner Korporation an, er wird – um seine Angst vor Küssel zu verbergen – vermutlich sagen, Küssel verfüge über keine Ehre, wie dies auch schon FPÖ-Weinzinger behauptete, dies dann aber zurückziehen mußte. Später behauptete Weinzinger dann doch, Küssel sei kein Ehrenmann, weil er über eine Ehrenangelegenheit Geheimnisverrat begangen hätte.
Für mich stellt sich die Frage, ob die Ehre Küssels davon abhängt, ob er an einer Sonnenwendfeier teilnehmen darf, auf der Parteipolitiker Strache einen Vortrag hält. Küssel hätte ahnen können, daß er dort zurückgewiesen wird. Warum ist er dennoch hingegangen? Vielleicht hätte er sich vorher informieren sollen. Ist es für ihn wichtig, an einer solchen Veranstaltung teilnehmen zu dürfen? Oder hat er es auf einen Eklat ankommen lassen?
Der Busson ist wie schon gesagt eine Ehrenordnung zur Regelung von Streitigkeiten, wenn es um die äußere Ehre geht (Beleidigungen usw.). Damit ist über den (inneren) Inhalt der persönlichen Ehre noch überhaupt nichts gesagt. Wer seine Ehre nur von dem Ansehen abhängig macht, das ihm andere, von außen her zubilligen, der ist im Grunde genommen ein B ü r g e r .
Es ist immer wieder erstaunlich, wie selbst Systemopfer wert darauf legen, von Systemleuten äußere Anerkennung zu erhalten. Das ist in der NS-Szene wohl weit verbreitet, ich erinnere noch mal an Gerd Honsik, der sich zurecht gegen den Verzicht gegen die Ostgebiete ausspricht, aber in einem seiner Texte den Verfolgerstaat BRD als legitim darstellte. Dann stellt sich für mich die Frage, ob er, Honsik, von der BRD und der RÖ die Wiedergewinnung der Ostgebiete und Südtirols erwartet?
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal daran erinnern, daß Strache vor der letzten Nationalratswahl Honsik in die Nähe eines “Verbrechers” gestellt hatte. Das ist auch in sich schlüssig, da der Ex-Neonazi und vermutlich immer noch Kellernazi Strache als Bürger Ehre mit gesellschaftlicher Reputation gleichsetzt, worüber ja Honsik nicht verfügt. Man sollte den Busson auch aus dem historischen Kontext zu verstehen versuchen, der 1907 veröffentlicht wurde, also zur Zeit der guten alten Donaumonarchie, als ein Dr. Busson davon ausgehen mußte, daß die Gesellschaft insgesamt und die Herrschenden ehrenhaft sind. Zwischen Waffenstudententum und Gesellschaft bestand also damals nicht unbedingt ein Widerspruch. Nur wer heute Küssel von einer Sonnenwendfeier ausschließt, schließt ihn ja deshalb aus, weil er über keine gesellschaftliche Reputation verfügt. Um die Selbstlüge vor sich zu verbergen begehen diese bürgerlichen Leute dann einen Trick, den sie wahrscheinlich selbst nicht merken, da das Reflexionsvermögen dazu nicht ausreicht: Sie behaupten nun – ohne Belege -, Küssel sei ein “Agent”, womit dann die gesellschaftliche Reputation und die Ehre, über die Küssel nicht verfüge, wieder im Einklang wären. Aber natürlich nur dem Anschein, also der Selbstlüge entsprechend.
Allerdings muß ich manchen Kritikern hier schon insofern Recht geben, daß in einem bestimmten Spektrum die politische Reife nicht besonders ausgeprägt zu sein scheint (davon abgesehen, daß manch einer dazulernen kann). Das ist aber selbstverständlich kein Grund, Küssel mit samt Familie von der Teilnahme an einer Sonnenwendfeier auszuschließen. Niemand hätte es Strache übel nehmen können, wenn er nach seiner Rede dort in der Presse gesagt hätte, er stimme nicht in allen Punkten mit jedem Teilnehmer einer Sonnnenwendfeier überein.