Lesezeit: 6 Minuten

Die unmöglichen Juristen von der AG

Der „Fal­ter“ hat in sei­ner Aus­ga­be vom 10.5.2017 die unfass­ba­ren Sprü­che kon­ser­va­ti­ver Jus-Stu­­den­­ten von der ÖVP-nahen „Akti­ons­ge­mein­schaft“ (AG) auf­ge­deckt, die sich in einer gehei­men Face­­book-Grup­­pe „FVJUS Män­ner­kol­lek­tiv“ und in einer Whats­App-Grup­­pe offen­sicht­lich schon seit gerau­mer Zeit „an ras­sis­ti­schen, sexis­ti­schen, isla­mo­pho­ben und behin­der­ten­feind­li­chen Pos­tings, Memes und Fotos“ (Fal­ter) ergötzt haben. Jetzt ist die Staats­an­walt­schaft am Wort.  In […]

11. Mai 2017

In der gehei­men Face­book-Grup­pe und auf Whats­App waren laut „Fal­ter“ 32 Per­so­nen aktiv – Män­ner, denn Frau­en waren nicht zuge­las­sen. In den Grup­pen wur­den aber nicht nur dümms­te sexis­ti­sche Witz­chen aus­ge­tauscht, son­dern auch Sprü­che, wie sie sonst nur in ein­deu­tig rechts­extre­men und neo­na­zis­ti­schen Foren denk­bar sind:

An ihrem digi­ta­len Stamm­tisch rei­ßen die bür­ger­li­chen Stu­den­ten­funk­tio­nä­re nicht nur Wit­ze über Juden, son­dern auch über Behin­der­te, etwa über Men­schen mit Down­syn­drom, sie lachen über die Nazi­zeit und über Hit­ler. Da ist etwa das Bild eines Manns in Nazi-Mon­tur, das ein Refe­rent der AG Jus gepos­tet hat. Der Nazi ruft: „Wollt ihr die klei­ne Stu­di­en­plan­re­form oder wollt ihr die tota­le Stu­di­en­plan­re­form?”, eine Anspie­lung auf Goeb­bels’ Auf­ruf zum „tota­len Krieg”. (Fal­ter)

Zwei der Bilder und Memes aus dem Chatprotokoll der Whatapp-Gruppe - Bildquelle: Falter
Zwei der Bil­der und Memes aus dem Chat­pro­to­koll der What­app-Grup­pe — Bild­quel­le: Falter

Auf einem wei­te­ren gepos­te­ten Bild ist die Bestell­lis­te einer Fast­food­ket­te zu sehen. Auf der Bestell­lis­te steht: „Anne Frank”, mit dem Zusatz: „gera­de im Ofen”. (Fal­ter). In den Grup­pen wur­de auch über die Kor­rup­ti­on in den eige­nen Rei­hen gespro­chen: „Da behaup­tet ein Spit­zen­funk­tio­när der AG Jus in der Whats­app-Grup­pe, dass die Hälf­te des Fakul­täts­ver­tre­tungs­bud­gets am Juri­di­cum als Auf­wands­ent­schä­di­gung an Kan­di­da­ten aus­be­zahlt wor­den sei, die ’ned­mal man­da­ta­re sind’. Ver­ant­wort­lich sei­en frü­he­re AG-Funk­tio­nä­re.“ (Fal­ter)

Bis­lang wur­den nach Anga­ben der AG-Spit­ze 17 Betei­lig­te aus der AG Jus aus­ge­schlos­sen, von den Betei­lig­ten sei­en auch Ver­zichts­er­klä­run­gen für ihr künf­ti­ges Man­dat ein­ge­for­dert wor­den. Eini­ge der Betrof­fe­nen ste­hen näm­lich auf den Wahl­vor­schlä­gen der AG für die anste­hen­de ÖH-Wahl, von denen sie auf Grund des Fris­ten­lau­fes auch nicht mehr gestri­chen wer­den kön­nen. Die AG kan­di­diert also mit Per­so­nen, die Haken­kreuz-Pos­tings und wider­li­che Wit­ze über Anne Frank lus­tig finden.

Was aber noch bedenk­li­cher ist: Die Betrof­fe­nen sind ange­hen­de Juris­ten, die als Anwäl­te, Staats­an­wäl­te oder Rich­ter tätig wer­den könn­ten. Da ist drin­gen­der Hand­lungs­be­darf für Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um und Uni­ver­si­tät gegeben.

Stel­lung­nah­men zur Causa:

1) Kla­re Stel­lung­nah­me des Dekans der Juri­di­schen Fakul­tät, Paul Oberhammer

2) Pres­se­aus­sendung der Grü­nen vom 10.5.2017:

Maurer/Öllinger: AG Jus muss geschlos­sen zurücktreten
Kurz muss JVP-Unter­su­chungs­kom­mis­si­on einsetzen

Wien (OTS) — Nach den Berich­ten des „Fal­ter” zu den anti­se­mi­ti­schen, behin­der­ten­feind­li­chen und den Holo­caust ver­harm­lo­sen­den Chats der Akti­ons­ge­mein­schaft Jus und JVP-Funk­tio­nä­ren for­dern die Grü­nen ein kla­res Vor­ge­hen: „Es ist zu befürch­ten, dass die Chats nur die Spit­ze des Eis­ber­ges waren. Sebas­ti­an Kurz ist auf­ge­for­dert, eine Unter­su­chungs­kom­mis­si­on inner­halb der Jun­gen ÖVP ein­zu­set­zen, um die Täter und wei­te­re Ver­tre­te­rIn­nen sol­chen Gedan­ken­guts aus­zu­for­schen”, for­dert Sig­rid Mau­rer, Wis­sen­schafts­spre­che­rin der Grü­nen. „In eine sol­che Kom­mis­si­on sind auch unab­hän­gi­ge, JVP-exter­ne Per­so­nen ein­zu­be­zie­hen um sicher­zu­stel­len, dass die Affä­re nicht nur ober­fläch­lich über­tüncht wird. Der Aus­schluss allei­ne genügt nicht ‑es muss sicher­ge­stellt wer­den, dass die Funk­tio­nä­rIn­nen nicht in ein, zwei Jah­ren, nach­dem Gras über die Sache gewach­sen ist, wie­der in JVP- und ÖVP-Posi­tio­nen auf­tau­chen”, so Maurer.

Karl Öllin­ger, Abge­ord­ne­ter der Grü­nen, beur­teilt die Stel­lung­nah­me der AG Jus, laut der es sich bei der Ange­le­gen­heit ‚um die dümmst­mög­li­che und ver­ur­tei­lens­wer­tes­te Art von schwar­zem Humor’ hand­le, als abso­lut inak­zep­ta­bel. „Den brau­nen Dreck als Rie­sen­dumm­heit und schwar­zen Humor zu bezeich­nen, wie das die AG Jus gemacht hat, ist eine Form der Ver­harm­lo­sung, die fast so übel ist wie der Dreck selbst.“ Öllin­ger stö­ren die­se halb­her­zi­gen Distan­zie­rungs­for­meln sehr: „Die AG Jus zeigt fak­tisch kei­ne Distanz zu dem Müll ihrer Män­ner­grup­pe. Die Bundes–AG betont in ihrer Pres­se­aus­sendung, dass die Män­ner­grup­pe Teil der auto­nom agie­ren­den AG Jus sei, die ein Teil der AG Uni Wien sei, die wie­der­um ein Mit­glieds­ver­ein der Bun­des-AG sei. Über­setzt bedeu­tet das so viel, wie, wir waschen unse­re Hän­de in Unschuld! Das kann es nicht sein.“ Mau­rer ergänzt: „Wer so eine ver­harm­lo­sen­de Stel­lung­nah­me abgibt wie die AG Jus hat nichts ver­stan­den. Die AG Jus muss dafür Ver­ant­wor­tung über­neh­men und geschlos­sen zurücktreten.”

3) Stel­lung­nah­me der AG JUS auf face­book, 9.5.2017:

Die­se Zei­len zu schrei­ben ist nicht ein­fach, da sie nichts mit unse­rer Ver­tre­tungs­ar­beit für euch zu tun haben.
Es wer­den in den nächs­ten Tagen Zei­tungs­ar­ti­kel erschei­nen, wel­che die Inhal­te pri­va­ter Face­book- und Whats­app-Grup­pen von Mit­glie­dern der AGJus behan­deln wer­den. Der Account eines Grup­pen­mit­glieds wur­de gehackt und die Inhal­te und Bil­der dann Zei­tun­gen zugespielt.

In die­sen pri­va­ten Grup­pen teil­ten eini­ge unse­rer Mit­glie­der unter dem ver­meint­li­chen Schutz der Ver­trau­lich­keit poli­tisch inkor­rek­te, geschmack- und niveau­lo­se Din­ge aus dem Internet.

Eines ist ganz klar zu sagen: In keins­ter Wei­se ver­tritt auch nur eine Per­son in der AGJus so eine abscheu­li­che Hal­tung, son­dern es han­delt sich hier­bei um die dümmst­mög­li­che und ver­ur­tei­lens­wer­tes­te Art von schwar­zem Humor.

Die­se Grup­pen waren eine rie­si­ge Dumm­heit. Vie­le der Screen­shots sind aus dem Zusam­men­hang einer Dis­kus­si­on geris­sen, um uns vor der Wahl größt­mög­li­chen Scha­den zuzu­fü­gen. Dies ent­schul­digt die Pos­tings und die blo­ße Exis­tenz die­ser Chat­grup­pen natür­lich in kei­ner Form.

In der AGJus waren und sind alle Stu­die­ren­den will­kom­men sich zu enga­gie­ren, voll­kom­men gleich­gül­tig wel­cher Her­kunft, Haut­far­be, sexu­el­ler Ori­en­tie­rung oder wel­chem Reli­gi­ons­be­kennt­nis sie ange­hö­ren. Das ist kein Steh­satz, wie man an der Viel­falt unse­rer Mit­glie­der erken­nen kann.

Wir ent­schul­di­gen uns in aller Form und wer­den Kon­se­quen­zen aus den Vor­komm­nis­sen zie­hen. Belas­te­te Mit­glie­der muss­ten die AGJus ver­las­sen, sobald wir davon Kennt­nis erlangt haben.

Zuletzt ist noch zu sagen: Die­se Vor­komm­nis­se haben nichts mit unse­rer Arbeit für euch am Juri­di­cum zu tun und das zukünf­ti­ge Team ist nicht involviert.

4) Pres­se­aus­sendung des MKÖ:

MKÖ-Mer­nyi zu Anti­se­mi­tis­mus und Men­schen­ver­ach­tung am Wie­ner Juri­di­cum: „Das ist uner­träg­lich und muss mas­si­ve Kon­se­quen­zen haben!“

Die Wochen­zei­tung „Fal­ter” ver­öf­fent­licht eine gro­ße Geschich­te, der zufol­ge sich meh­re­re Funk­tio­nä­re der ÖH-Frak­ti­on „Akti­ons­ge­mein­schaft” (AG) am Wie­ner Juri­di­cum in absto­ßends­ter Wei­se über den Holo­caust, das NS-Regime, Men­schen mit Beein­träch­ti­gun­gen und ande­re Min­der­hei­ten lus­tig gemacht haben sollen.

„Die Unter­la­gen zei­gen eine uner­träg­li­che Ver­höh­nung der NS-Opfer“, sagt Wil­li Mer­nyi, der Vor­sit­zen­de des Maut­hau­sen Komi­tees Öster­reich (MKÖ). „Wäh­rend Öster­reich der Befrei­ung von der brau­nen Schre­ckens­herr­schaft gedenkt, zie­hen eini­ge Stu­den­ten, die spä­ter als Rich­ter, Staats­an­wäl­te oder Rechts­an­wäl­te tätig sein sol­len, Mil­lio­nen Tote in den Dreck.”

Beson­ders scho­ckiert Mer­nyi, dass es sich bei den Tätern um Funk­tio­nä­re der ÖVP-nahen „Akti­ons­ge­mein­schaft” (AG) han­deln soll. „Wenn das wirk­lich zutrifft, muss die ÖVP sich von die­sen Leu­ten sofort tren­nen“, betont der MKÖ-Vor­sit­zen­de. „Nicht weni­ge der ÖVP-Grün­der haben gemein­sam mit Sozi­al­de­mo­kra­ten und Kom­mu­nis­ten in Maut­hau­sen und ande­ren KZs gelit­ten. Sie wür­den auf das ekel­haf­te Gedan­ken­gut, das hier bekannt wird, mit größ­tem Abscheu reagieren.”

In jedem Fall for­dert das MKÖ, dass die anti­se­mi­ti­schen und men­schen­ver­ach­ten­den Hetz­pa­ro­len streng geahn­det wer­den. „Wer so etwas ver­brei­tet, begeht kein Kava­liers­de­likt“, stellt Mer­nyi fest. „Das muss
mas­si­ve Kon­se­quen­zen haben – vor allem ist die Straf­bar­keit nach dem Ver­bots­ge­setz und dem StGB zu prüfen!“