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Zur Bedeutung und Wirksamkeit des NS-Verbotes

Ein Kom­men­tar von Andre­as Peham, Mit­ar­bei­ter im Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stan­des (DÖW) Die Suche nach Stra­te­gien gegen den Neo­na­zis­mus unter­liegt kon­junk­tu­rel­len Schwan­kun­gen. Auf­ge­schreckt und alar­miert von ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Gewalt­ta­ten, erschöpft sie sich meist im Ruf nach Repres­si­on. Nun kommt in Öster­reich der Anwen­dung des NS‑Verbotsgesetzes tat­säch­lich gro­ße Bedeu­tung zu.  Das seit Beginn der 1990er Jahre […]

17. Feb 2017

Das seit Beginn der 1990er Jah­re im Ver­gleich zu den Jahr­zehn­ten davor ent­schlos­se­ne Vor­ge­hen von Jus­tiz und Poli­zei gegen den orga­ni­sier­ten Neo­na­zis­mus schränk­te des­sen Kommunikations‑ und Rekru­tie­rungs­mög­lich­kei­ten nach­hal­tig ein. Das öster­rei­chi­sche Bei­spiel zeigt dar­über hin­aus, dass Ver­bo­te nicht zwangs­läu­fig zu einer Bil­dung von Unter­grund­struk­tu­ren und einer Stei­ge­rung der Gewalt­be­reit­schaft füh­ren müssen.

Aber das Vor­ge­hen der Behör­den hat nicht nur unmit­tel­ba­re Aus­wir­kun­gen in Form der Ein­däm­mung offen neo­na­zis­ti­scher Akti­vi­tä­ten, ihm kommt auch eine beträcht­li­che Sym­bol­wir­kung zu. Gera­de auf das auto­ri­tä­re Reser­voir des Rechts­extre­mis­mus wirkt ein ent­schie­de­nes Vor­ge­hen staat­li­cher Macht abschre­ckend. Im NS‑Verbotsgesetz kommt dar­über hin­aus das poli­ti­sche Selbst­ver­ständ­nis der Zwei­ten Repu­blik zum Aus­druck. Die­ser schein­ba­re „anti­fa­schis­ti­sche“ Kon­sens birgt jedoch auch Gefah­ren in sich: Neben sei­ner Ali­bi­funk­ti­on für eini­ge poli­ti­sche Eli­ten ver­brei­tet er eine fal­sche Sicher­heit. Die­se führt dazu, dass die Sen­si­bi­li­tät gegen­über Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus mit deren straf­recht­li­cher Rele­vanz abnimmt. Der lega­le Rechts­extre­mis­mus erfährt mit der recht­li­chen oft auch die poli­ti­sche Abso­lu­ti­on. Nicht inkri­mi­nier­te rechts­extre­me Hand­lun­gen und Ansich­ten wer­den so nicht wei­ter hin­ter­fragt und ein Stück weit normalisiert. 

Die Kri­ti­ke­rIn­nen des NS-Ver­bots­ge­set­zes war­nen ger­ne vor einer Gefähr­dung der Mei­nungs­frei­heit. Die­ses Gere­de ist, sofern nicht ohne­hin rechts­extre­mis­tisch moti­viert, unhis­to­risch und inhalts­leer. In Wor­te gefass­ter Neo­na­zis­mus, hier vor allem eli­mi­na­to­ri­scher Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus, ist kei­ne Mei­nung, son­dern unmit­tel­ba­re Vor­be­rei­tung der Tat. Demo­kra­tie hat nach Ausch­witz und ins­be­son­de­re in den post‑faschistischen Staa­ten ein­fach einen ande­ren Gehalt als zuvor. Ador­nos neu­er kate­go­ri­scher Impe­ra­tiv, das „Den­ken und Han­deln so ein­zu­rich­ten, daß Ausch­witz sich nicht wie­der­ho­le, nichts Ähn­li­ches gesche­he“, hat eben auch für Ver­fas­sun­gen zu gelten.

Abschlie­ßend sei noch­mals vor einer Fixie­rung auf repres­si­ve Maß­nah­men gegen den Neo­na­zis­mus gewarnt. Neben der ent­las­ten­den Funk­ti­on, wel­che den staat­li­chen Lösungs­ver­su­chen eines gesell­schaft­li­chen Pro­blems zukommt, ist dar­an zu erin­nern, dass (ein mög­lichst star­ker) Staat und Repres­si­on ori­gi­när rech­te The­men sind. Die Aus­wei­tung des Über­wa­chungs­staa­tes ist selbst ein Aus­druck des Rechts­ru­ckes – auch wenn sie mit Not­wen­dig­kei­ten im Kampf gegen den Neo­na­zis­mus begrün­det wird.