Die Gaskammerleugner und die Justiz

Lesezeit: 6 Minuten

Gerd Hon­sik hat es getan, auch Wolf­gang Fröh­lich. Gott­fried Küs­sel hat sich dar­über lus­tig gemacht und John Gude­nus, der vor kur­zem ver­stor­be­ne Ex-Bun­des­rat der FPÖ, woll­te sich mit der For­mu­lie­rung, wonach es nur in Polen, aber nicht im „Reich“ selbst Gas­kam­mern gege­ben habe, her­aus­re­den. Jetzt hat ein ober­ös­ter­rei­chi­scher Anwalt die Exis­tenz einer Gas­kam­mer im KZ Maut­hau­sen bestrit­ten und der Wei­sungs­rat des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums lässt kei­ne Ankla­ge zu.

Neo­na­zis, Rechts­extre­men und Revi­sio­nis­ten ist der § 3h Ver­bots­ge­setz, der als neu­er Tat­be­stand mit der Ver­bots­ge­setz­no­vel­le 1992 beschlos­sen wur­de, natür­lich ein Dorn im Auge. In ihm heißt es:

VerbG § 3 h: „Nach § 3 g wird auch bestraft, wer in einem Druck­werk, im Rund­funk oder in einem ande­ren Medi­um oder wer sonst öffent­lich auf eine Wei­se, daß es vie­len Men­schen zugäng­lich wird, den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Völ­ker­mord oder ande­re natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit leug­net, gröb­lich ver­harm­lost, gut­heißt oder zu recht­fer­ti­gen sucht.“

Der neue Tat­be­stand wur­de nicht zuletzt des­halb geschaf­fen, weil in den Jah­ren und Jahr­zehn­ten zuvor immer häu­fi­ger Neo­na­zis und Revi­sio­nis­ten die „Ausch­witz­lü­ge, also die Leug­nung bzw. Ver­harm­lo­sung des Holo­caust bemüh­ten. Mit dem § 3h erfolg­te die not­wen­di­ge Prä­zi­sie­rung, dass es sich dabei eben­falls um ein Ver­bre­chen nach dem Ver­bots­ge­setz han­delt, für das der beson­de­re Vor­satz nicht erfor­der­lich ist. Die getrof­fe­ne Wort­wahl („Leug­nen, Ver­harm­lo­sen, Gut­hei­ßen, Recht­fer­ti­gen“) stellt – so die Erläu­te­run­gen zur Novel­le – klar, „daß es dem Täter um das direk­te oder indi­rek­te Leug­nen, gut­hei­ßen oder gro­be Ver­nied­li­chen des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Mas­sen­mor­des gehen muß“.

Nach Ein­schät­zung der Staats­an­walt­schaft Wels betrifft das auch die­se Sät­ze aus dem Plä­doy­er des Wel­ser Rechtsanwaltes:

„Es ist strit­tig, ob in Maut­hau­sen Ver­ga­sun­gen und Ver­bren­nun­gen statt­ge­fun­den haben. (…) Was man sei­ner­zeit in Maut­hau­sen zu Gesicht bekom­men hat, ist eine soge­nann­te Gas­kam­mer, die nach­träg­lich ein­ge­baut wur­de. (…) Unbe­kannt ist, ob dort jemals eine Gas­kam­mer vor­han­den war.“

Die Stel­lung­nah­me des Wei­sungs­ra­tes, der eine Ankla­ge durch die Staats­an­walt­schaft unter­bun­den hat, ist aus ver­schie­de­nen Grün­den skan­da­lös. Wenn der Wei­sungs­rat aber behaup­tet, dass die Ein­stel­lung des­halb gerecht­fer­tigt sei, weil der Anwalt nicht den Holo­caust gene­rell, son­dern nur par­ti­ell geleug­net habe (weil er die Exis­tenz von Gas­kam­mern in Hart­heim „ein­räum­te“), dann wird die Luft auch für den Wei­sungs­rat sehr dünn.

Sehr ähn­lich waren die Fra­gen des Skan­dal­rich­ters Hans-Peter Janusch­ke, der 1996 in einem Pro­zess wegen Wie­der­be­tä­ti­gung gegen einen Berufs­schul­leh­rer, der die Ver­ga­sung von Juden in Maut­hau­sen in Abre­de gestellt hat­te, einen Schü­ler frag­te, ob der Leh­rer gene­rell oder „bloß par­ti­ell“ den Holo­caust geleug­net habe. Janusch­ke wur­de dar­auf­hin wegen Befan­gen­heit vom Pro­zess abge­zo­gen. Im Pro­zess hat­te er als „Spon­tan­zeu­gen“ den Holo­caust­leug­ner Wolf­gang Fröh­lich (der spä­ter mehr­mals wegen Wie­der­be­tä­ti­gung nach § 3h ver­ur­teilt wur­de) sagen las­sen: „Der Erkennt­nis­stand der Wis­sen­schaft ist, daß im Alt­reich kei­ne Gas­kam­mern exis­tier­ten.” Der Rich­ter ant­wor­te­te auf die­se Pro­vo­ka­ti­on von Fröh­lich so: „Ich bedan­ke mich, daß Sie den Ver­such gemacht haben, in die­sem Ver­fah­ren einen Bei­trag zu leis­ten.“ (Die Pres­se, 24.5. 1996)

1996 war es ein Wie­ner Rich­ter, der einem Holo­caust­leug­ner die Mau­er mach­te. Zehn Jah­re spä­ter, im April 2006, wur­den von der Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt die Ermitt­lun­gen wegen Wie­der­be­tä­ti­gung gegen den ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten der Finanz­lan­des­di­rek­ti­on Kärn­ten, Sieg­fried Lor­ber, mit einer faden­schei­ni­gen Begrün­dung ein­ge­stellt. Lor­ber hat­te 2005 der Kärnt­ner Kir­chen­zei­tung einen Leser­brief geschrie­ben, in dem er vor­schlug, Reli­gi­ons­leh­rer soll­ten „ande­re Prio­ri­tä­ten set­zen als Maut­hau­sen-Besu­che zu orga­ni­sie­ren und unse­rer Schul­ju­gend Ein­rich­tun­gen zei­gen zu las­sen, die nach­weis­lich erst nach dem Zwei­ten Welt­krieg für tou­ris­ti­sche Zwe­cke errich­tet wur­den.

In einem wei­te­ren Brief an die Zei­tung „Nedel­ja“ hat­te er noch eines drauf­ge­setzt und behaup­tet: „Es steht aber seit 1948 fest, dass in Maut­hau­sen kei­ne Gas­kam­mer in Betrieb war.” Dabei nahm er auf das schon längst wider­leg­te, aber von Rechts­extre­men und Neo­na­zis ger­ne ver­wen­de­te „Mül­ler-Doku­ment“ Bezug. Die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt stell­te die Ermitt­lun­gen ein, weil er sich bei sei­ner Gas­kam­mer­leug­nung auf Doku­men­te gestützt habe, die „nicht kor­rekt“ gewe­sen sei­en.

Lor­ber hat­te sei­ne Gas­kam­mer-Lügen aus­drück­lich dem FPÖ-Bun­des­rat John Gude­nus gewid­met, gegen den eben­falls um die­se Zeit wegen sei­ner Behaup­tun­gen, wonach es Gas­kam­mern nur in Polen, nicht aber im Drit­ten Reich, daher auch nicht in Maut­hau­sen, gege­ben habe, wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ermit­telt wur­de. John Gude­nus hat­te bei einem demons­tra­ti­ven Besuch von Maut­hau­sen außer­dem nach dem Betrach­ten von Fotos über die KZ-Häft­lin­ge und Haft­be­din­gun­gen noch gespot­tet: „Die schau­en eh gut aus, da schau ich dage­gen schlecht aus.“ (ORF-Report, 25.4.2006) Die Staats­an­walt­schaft Wien klag­te John Gude­nus mit einer Begrün­dung an, die ziem­lich kon­trär zur Ein­stel­lungs­be­grün­dung von Kla­gen­furt lag: „Gude­nus habe bewusst den Stand der Geschichts­wis­sen­schaf­ten negiert und den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Völ­ker­mord sowie Nazi-Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit geleug­net, hieß es in der Ankla­ge.“ (wien.orf.at, 11.04.2012) John Gude­nus wur­de 2006 von einem Geschwo­re­nen­ge­richt in Wien zu einem Jahr Haft bedingt verurteilt.


INFOBOX:
Das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Maut­hau­sen nimmt in Bezug auf Tötun­gen durch Gift­gas, betrach­tet man die Ent­wick­lung inner­halb des Sys­tems der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, eine beson­de­re Stel­lung ein. Sieht man von Ausch­witz ab, ist Maut­hau­sen nicht nur jenes Lager, in dem als ers­tes Zyklon B sys­te­ma­tisch zur Tötung von Men­schen ein­ge­setzt wur­de, es sind auch mehr Häft­lin­ge durch Gift­gas getö­tet wor­den als in den ande­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern auf Reichs­ge­biet. In einer 1941/42 in Maut­hau­sen eigens errich­te­ten Gas­kam­mer wur­den min­des­tens 3.455 Men­schen mit Zyklon B erstickt; min­des­tens 823 Men­schen waren Opfer ein­zel­ner impro­vi­sier­ter Tötungs­ak­tio­nen unter Ver­wen­dung von Zyklon B im Zweig­la­ger Gusen 1942 und 1945; in einem Gas­wa­gen, der im Zeit­raum 1942/43 zwi­schen den Lagern Maut­hau­sen und Gusen ver­kehr­te, wur­den min­des­tens 900 Häft­lin­ge ermordet.
Morsch/Perz (Hrsg): Neue Stu­di­en zu natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Mas­sen­tö­tun­gen durch Gift­gas. Metro­pol-Ver­lag, Ber­lin, 2011.


Wolf­gang Fröh­lich, der 1996 in der Ver­hand­lung von Janusch­ke noch als „Spon­tan­zeu­ge“ für Holo­caust­leug­nung auf­ge­tre­ten war, ist in den Jah­ren seit­her mehr­mals wegen Wie­der­be­tä­ti­gung nach § 3h ver­ur­teilt wor­den. Ähn­lich wie der eben­falls mehr­mals wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teil­te Gerd Hon­sik leug­ne­te auch er in sei­nen Schrif­ten immer wie­der die Ermor­dung von KZ-Insas­sen mit­tels Gas­kam­mer in Maut­hau­sen (aus­führ­lich dazu Bai­ler-Galan­da, Lasek, Schie­del: „Revi­sio­nis­mus“ und das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Maut­hau­sen).

Nebenraum der ehemaligen Gaskammer in der heutigen KZ Gedenkstätte Mauthausen samt Informationstafel zur Gaskammer - Bildquelle: Wikipedia, public domain.

Neben­raum der ehe­ma­li­gen Gas­kam­mer in der heu­ti­gen KZ Gedenk­stät­te Maut­hau­sen samt Infor­ma­ti­ons­ta­fel zur Gas­kam­mer — Bild­quel­le: Wiki­pe­dia, public domain.

Die Jus­tiz hat in den letz­ten Jah­ren, nach den schwe­ren Ein­brü­chen 1996 und 2006, kei­ne Zwei­fel beim § 3h auf­kom­men las­sen. 2015 wur­de ein Zahn­arzt (aus­ge­rech­net aus Maut­hau­sen! ) zu einem Jahr beding­ter Haft ver­ur­teilt, weil er in Brie­fen an den Gemein­de­rat unter ande­rem die Exis­tenz einer Gas­kam­mer im KZ Maut­hau­sen bestrit­ten hat­te. Der Gemein­de­vor­stand von Maut­hau­sen ist auch jetzt wie­der aktiv gewor­den, nach­dem der Zahn­arzt eine Gas­kam­mer in Maut­hau­sen als „infa­me Lüge“ bezeich­net hat­te, und hat ihn neu­er­lich ange­zeigt.

Mit der fata­len Argu­men­ta­ti­on des Wei­sungs­ra­tes des Jus­tiz­mi­nis­ters gegen­über einem Anwalt, der der Bru­der des Vize­prä­si­den­ten der oö. Rechts­an­walts­kam­mer ist, scheint vie­les wie­der mög­lich, was eigent­lich unmög­lich ist.