Wien: Hitlergruß bei Hofers Schluss

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Bei der Schluss­ver­an­stal­tung der FPÖ zur zwei­ten Run­de im Prä­si­dent­schafts­wahl­kampf zeig­te der Ange­klag­te den Hit­ler­gruß. Er war nicht der ein­zi­ge, der damals, am 20.5.2016 am Vik­tor-Adler-Markt „Sieg Heil“ und „Heil Hit­ler“ geru­fen hat, wäh­rend Stra­che das Publi­kum auf­heiz­te. Aber er stand jeden­falls als ein­zi­ger am Mon­tag, 24.10. vor einem Schwur­ge­richt – wegen Wie­der­be­tä­ti­gung. Ein Prozessbericht.

Zur Anzei­ge kam es, weil damals ein Jour­na­list den Vor­fall film­te. Zufäl­lig, wie er beton­te, denn eigent­lich hat­te er es auf eine Grup­pe von Pegi­da-Akti­vis­ten abge­se­hen, die sich am Rand der Abschluss­kund­ge­bung gesam­melt hat­ten. Dann steht aber weni­ge Meter vor ihm ein Mann wäh­rend Stra­ches Rede auf, reckt sei­ne rech­te Hand in die Höhe und brüllt „Sieg Heil“ und „Heil Hit­ler“. Mehr­mals inner­halb von 20 Minu­ten. Der Jour­na­list sieht, dass in knap­pem Abstand hin­ter ihm bzw. dem Hit­ler-Grü­ßer eine Grup­pe Poli­zis­ten steht, steu­ert auf die zu und fragt, ob sie den Vor­fall gese­hen haben. Hät­ten sie nicht, sagt der Kom­man­dant, weil sie streng nach vor­ne zur Büh­ne geblickt hät­ten – sozu­sa­gen über den Vor­fall hinweggeschaut.

Der Jour­na­list zeigt das Video und erstat­tet Anzei­ge. Noch am Tat­ort wird auch der Ange­klag­te, Wolf­gang K. (49) ein­ver­nom­men, gibt zu, er habe das gemacht und sagt dann den salo­mo­ni­schen Satz zur Poli­zei: „Das war es mir irgend­wie wert, irgend­wie aber auch nicht“. Vor Gericht will er vom Wert sei­ner Hit­ler-Paro­len nichts mehr wis­sen, ant­wor­tet auf die gedul­di­gen Fra­gen der Rich­te­rin, ob er ein Pro­blem mit der der­zei­ti­gen Poli­tik habe, dass eh alles pas­se, dass es blöd war und dass er kein Pro­blem mit Aus­län­dern habe: er gehe ja selbst in Loka­le, wo auch Aus­län­der verkehren.

Standbild aus einem Video von VICE - Bildquelle: XXX

Stand­bild aus einem Video von VICE — Bild­quel­le: vice.com

Viel ist nicht raus­zu­be­kom­men aus Wolf­gang. Nur die Din­ge, die ganz klar sind: Alter, Adres­se, Beruf (Rauch­fang­keh­rer), Ein­kom­men, Ali­men­te, Schul­bil­dung (acht Jah­re Son­der­schu­le). Zu sei­nen Delik­ten behaup­tet er ein kom­plet­tes Black­out. Beim Natio­nal­so­zia­lis­mus ist es so ähn­lich: „Ich habe mich nie damit befasst…. es hat mich nicht inter­es­siert“, das ist so ziem­lich alles, was er über den Natio­nal­so­zia­lis­mus wis­sen will. Über TV-Sen­dun­gen hat er immer­hin mit­be­kom­men, wie der Hit­ler­gruß gezeigt wird und dass der heut­zu­ta­ge nicht mehr o.k. ist.

Ein Freund von ihm wird als Zeu­ge auf­ge­ru­fen. Sei­ne Ent­las­tungs­aus­sa­ge gerät fast zum Fias­ko. Im Unter­schied zu Wolf­gang K. will er nicht wis­sen, „wie der Hit­ler-Gruß geht“. Nicht nur die Rich­te­rin ist erstaunt, weil der Zeu­ge zuvor gera­de aus­ge­sagt hat, dass er den Arm von Wolf­gang run­ter­ge­drückt habe, als der einen sei­ner Hit­ler­grü­ße per­form­te. Der bes­te Freund von Wolf­gang beharrt aber dar­auf, er wis­se zwar nicht, wie ein Hit­ler­gruß gezeigt wird, aber den Arm habe er run­ter­ge­drückt, damit der Wolf­gang kei­ne Schwie­rig­kei­ten bekommt – „als Vor­sichts­maß­nah­me“. Als er sei­ne argu­men­ta­ti­ve Lücke erkennt, mur­melt er seit­wärts: er wer­de da wohl wegen der FPÖ in die Enge getrie­ben. Da ist sie wie­der, die Opfer­theo­rie, gleich in mehr­fa­cher Aus­fer­ti­gung. Die FPÖ als Opfer, der Ange­klag­te sowie­so und er als Zeu­ge jetzt auch noch.

Dabei gibt sich die vor­sit­zen­de Rich­te­rin Son­ja Weis (auch die Bei­sit­zer!) jede Mühe, nicht arro­gant, bevor­mun­dend oder bes­ser­wis­se­risch zu agie­ren. Aus dem Zeu­gen holt sie noch raus, dass es noch einen zwei­ten Hit­ler­grü­ßer gege­ben habe, der zwar auch zum Freun­des­kreis von Wolf­gang gehört, nicht aber nach dem Geschmack des Zeu­gen Wer­ner. Der zwei­te, Alfred H., ist auf den Video­ein­spie­lun­gen klar als Hit­ler­grü­ßer zu erken­nen und wird sich in einem eige­nen Pro­zess ver­ant­wor­ten müs­sen. Aus den Unter­tö­nen von Zeu­gen Wer­ner ist deut­lich erkenn­bar, dass er den Alfred H. im Unter­schied zu Wolf­gang für einen über­zeug­ten Hit­ler-Fan hält.

Was aber ist mit Wolf­gang, dem Ange­klag­ten? Dass sein angeb­li­ches Black­out auf „locker über 10 Sprit­zer“ in ein­ein­halb Stun­den zurück­zu­füh­ren sein soll, wird durch die diver­sen Befra­gun­gen nicht glaub­wür­di­ger. Trotz­dem möch­te man dem Ange­klag­ten, dem aus­ge­rech­net von sei­nem Pflicht­ver­tei­di­ger jede Wür­de genom­men wird („betrun­ke­ner Pro­let“), fast glau­ben, dass er nicht weiß, wie er zu den Nazi-Paro­len gekom­men ist, die er in völ­li­ger Umnach­tung emp­fan­gen und ver­kün­det haben will. Fast gelun­gen! Nach den Zeu­gen­be­fra­gun­gen wer­den die Unter­la­gen für das Pro­to­koll auf­ge­ru­fen und geord­net, dar­un­ter auch die Aus­künf­te über die Vor­stra­fen des Ange­klag­ten. Die sind zwar alle schon getilgt, zum Groß­teil Kör­per­ver­let­zun­gen, aber eine ist dar­un­ter, die das müh­sam erzähl­te Bild des Ange­klag­ten gehö­rig ins Wan­ken bringt. Sein Gegen­über hat er als „Kana­ken“ beschimpft, bevor er ihn nie­der­ge­schla­gen hat. Das passt nicht so ganz zum Selbst­bild­nis des Ausländerfreundes.

Die Geschwo­re­nen befin­den ihn jeden­falls für schul­dig im Sin­ne der Ankla­ge. Die Stra­fe von 18 Mona­ten bedingt nimmt der Ange­klag­te ohne Wider­spruch an. Die Staats­an­walt­schaft ver­zich­tet auf Bedenk­zeit und Ein­spruch, damit ist das Urteil rechts­kräf­tig. Was einen Men­schen wie Wolf­gang K. dazu bringt, sich wäh­rend einer der übli­chen Strache–Ansprachen so sehr zu ver­ges­sen, dass er völ­lig enthu­si­as­miert meh­re­re Male „Sieg Heil“ und „Heil Hit­ler“ brüllt, das ist die eigent­lich span­nen­de Fra­ge. Die kann aber kaum von einem Gericht geklärt werden.

- Link zum Bei­trag auf Vice.com: „Nazi­grü­ße und „Heil Hitler”-Rufe auf der Abschluss­kund­ge­bung von Nor­bert Hofer”
— Link zum Video von VICE