Höbart (FPÖ): “Gutmenschen“ sind geisteskrank

Lesezeit: 5 Minuten

In der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on wur­den dis­si­den­te Per­so­nen von einer will­fäh­ri­gen Psych­ia­trie als Geis­tes­kran­ke befun­det und in geschlos­se­nen Anstal­ten weg­ge­sperrt. Für Chris­ti­an Höbart ist eine weit­aus grö­ße­re Grup­pe geis­tes­krank: die von ihm so bezeich­ne­ten „Gut­men­schen“. Was er mit ihnen anstel­len wür­de, das ver­rät er nicht auf sei­ner Face­book-Sei­te. Einen Psych­ia­ter schiebt er jeden­falls vor für sei­nen Befund.

Das Pos­ting, mit dem sich Chris­ti­an Höbart, Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter der FPÖ, über Flücht­lin­ge lus­tig gemacht hat, die auf klapp­ri­gen Boo­ten über das Mit­tel­meer nach Euro­pa über­set­zen und dabei auch ertrin­ken („Eine See­fahrt, die ist lus­tig, eine See­fahrt, die ist schön…”), hat er mitt­ler­wei­le gelöscht, das Pos­ting über die geis­tes­kran­ken Gut­men­schen aller­dings nicht.

Der Ein­trag von Höbart auf sei­ner Face­book-Sei­te am 25. Okto­ber lautet:

Psych­ia­ter: „Gut­men­schen sind kli­nisch geisteskrank!
Ein Gut­mensch ist jemand, der sich eine idea­le Welt erträumt in der er sich ein­re­det zu leben oder leben zu kön­nen. Gut­men­schen ver­hal­ten sich dabei schi­zo­phren, indem sie jeden, der nicht ihre Ansich­ten teilt, zum Bösen in Men­schen­ge­stalt erklä­ren. Gut­men­schen ver­hal­ten sich dabei wie die Gefolgs­leu­te von Füh­rern wie Hit­ler oder Sta­lin, nur daß sie nicht einer ein­zi­gen Per­son hin­ter­her­lau­fen, son­dern einer fixen Idee, die sie selbst im Ange­sicht von ein­deu­ti­gen Bewei­sen und Argu­men­ten nicht wil­lens sind auf­zu­ge­ben”
!

Wel­cher Psych­ia­ter sich zu die­ser Äuße­rung hat hin­rei­ßen las­sen, das ver­schweigt Höbart – aus gutem Grund: Der Psych­ia­ter heißt Lyle Ros­si­ter, ist ein foren­si­scher Psych­ia­ter in den USA und hat um 2006 das Buch „The Libe­ral Mind. The Pscho­lo­gi­cal Cau­ses of Poli­ti­cal Mad­ness“ ver­fasst. In der wis­sen­schaft­li­chen Sze­ne wur­de das Büch­lein als das betrach­tet, was es auch tat­säch­lich ist: die wil­de Kampf­schrift eines Tea-Par­ty-Expo­nen­ten gegen alles „Libe­ra­le“. Immer­hin hat es Ros­si­ter zu einem Ein­trag in die Enzy­klo­pä­die der ame­ri­ka­ni­schen Spin­ner ver­hol­fen. Ros­si­ters Pam­phlet rich­tet sich nicht gegen „Gut­men­schen“, son­dern gegen alles Libe­ra­le in den USA: von Prä­si­dent Oba­ma abwärts bis zu denen, die für eine öffent­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung sind. Für den Gerichts­psych­ia­ter sind alle „Libe­ra­len” geisteskrank.

Wie kommt es nun zur Umdeu­tung von den für Ros­si­ter geis­tes­kran­ken Befür­wor­tern einer öffent­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung, von Umwelt­schutz und Schutz von Min­der­hei­ten usw. zu den „Gut­men­schen“? Anders als in den USA ist es in Euro­pa nicht oppor­tun, für irgend­ei­ne poli­ti­sche Par­tei, die Befür­wor­ter einer öffent­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung als „Geis­tes­kran­ke“ dar­zu­stel­len. Im deut­schen Sprach­raum fin­det sich der ers­te Hin­weis auf Lyle Ros­si­ter und sei­ne Befun­dung der „Libe­ra­len” als Geis­tes­kran­ke 2008 auf dem ein­deu­tig rechts­extre­men Blog „Der Non­kon­for­mist“. Unter­ti­tel: „Frei­heit­lich, unab­hän­gig, revolutionär”

Immer­hin hat­ten die rechts­extre­men Ver­schwö­rungs­men­schen noch den Anstand, auf den Autor und auf den Umstand hin­zu­wei­sen, dass Ros­si­ter das Wort „Libe­ra­le“ benutz­te. Vom „Non­kon­for­mis­ten“ wan­der­te die Erklä­rung und Neu­de­fi­ni­ti­on der Geis­tes­kran­ken als „Gut­men­schen” über die Jah­re wirk­lich durch so ziem­lich jeden rech­ten Blog bzw. Web­sei­te, bis sie über eine ziem­lich lan­ge Lei­tung den Chris­ti­an Höbart erreich­te. Wohl­ge­merkt, bei dem was Höbart als Zitat des Psych­ia­ters Ros­si­ter aus­weist, han­delt es sich nicht um ein Zitat aus des­sen Schrift, son­dern um einen Erklä­rungs­ver­such der rechts­extre­men Sei­te „Der Non­kon­for­mist“ für den Begriff „Gut­mensch“.

Als Bemer­kung vor­aus möch­ten wir dar­auf hin­wei­sen, daß Dr. Lyle Ros­si­ter in sei­nen Schrif­ten das Wort “Libe­ral” (Libe­ra­ler) benutzt. Die genaue­re Bedeu­tung lie­ße sich aber mit dem über­set­zen, was man in der Bun­des­re­pu­blik oft als “Gut­mensch” bezeich­net, was sich aber eben­so auf die Poli­ti­ker aller poli­ti­schen Rich­tun­gen in der heu­ti­gen Bun­des­re­pu­blik anwen­den läßt. Beson­ders stark ist die­ses Gut­men­schen­tum etwa bei den Grü­nen und der Lin­ken aus­ge­prägt, aber auch CDU, FDP und SPD glän­zen damit. (Der Nonkonformist)

Ein Poli­ti­ker der FPÖ, der schein­bar kei­ne Ahnung hat, wel­chen Brei er da löf­felt, erklärt „Gut­men­schen“, also die Mehr­heit der Wäh­ler­schaft, für geis­tes­krank. Er folgt damit psych­ia­tri­schen Schu­len, die sich schon in der Ver­gan­gen­heit sehr will­fäh­rig für den Natio­nal­so­zia­lis­mus und spä­ter dann für den Sta­li­nis­mus ein­span­nen haben las­sen. Es ist auch kein Zufall, dass aus­ge­rech­net der Nazi-Eutha­na­sie-Arzt Hein­rich Gross und der ehe­ma­li­ge SS-Mann Ger­hart Har­rer, bei­de renom­mier­te Psych­ia­ter in der Zwei­ten Repu­blik (der eine als Gerichts­pych­ia­ter und Kol­le­ge von Ros­si­ter, der ande­re in For­schung und Leh­re tätig [1]) 1977 in die Sowjet­uni­on reis­ten und der sowje­ti­schen Psych­ia­trie, die Dis­si­den­ten für geis­tes­krank erklärt und in Kli­ni­ken fest­ge­hal­ten hat­te, einen Per­sil­schein ausstellten.

Ein Wie­ner Psych­ia­ter zer­legt in einem Bei­trag auf Face­book sowohl die Kampf­schrift von Ros­si­ter als auch das Gestam­mel von Höbart. Mit sei­ner freund­li­chen Erlaub­nis brin­gen wir hier sei­nen Beitrag:

Sehr „geehr­ter“ Herr Ing. Höbart!

Nach­dem sie sich neu­er­dings auf ihrer Face­book Sei­te als Hob­by­psych­ia­ter betä­ti­gen, wür­de ich als ech­ter Psych­ia­ter mich ger­ne mit dem Inhalt ihres kur­zen Pos­tings vom 25.10.2015 mit dem Titel „Psych­ia­ter-Gut­men­schen sind kli­nisch geis­tes­krank“ aus­ein­an­der­set­zen. Ich gehe davon aus, dass sie sich in ihrem „Text“ auf den ame­ri­ka­ni­schen Psych­ia­ter Dr. Lyle Ros­si­ter bezie­hen, der die­se Zei­len wesent­lich aus­führ­li­cher in Bezug auf „Libe­rals“ bereits im Jahr 2006 in sei­nem Buch getä­tigt hat. Nun ja, gut Ding braucht eben manch­mal Wei­le. Gene­rell wäre es auch ein Gebot der Höf­lich­keit auf den Autor der Zei­len hin­zu­wei­sen, oder stam­men die­se Zei­len jetzt doch von ihnen selbst?

1. Weder im ICD 10 Kata­log noch im DSM V Kata­log, also den bei­den maß­geb­li­chen und inter­na­tio­nal rele­van­ten Dia­gno­se­ka­ta­lo­gen der WHO (auf Deutsch Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on) und der APA ( Ame­ri­can Psych­ia­tric Asso­cia­ti­on), wird ein „Libe­ral“ (wel­chen sie in das Wort „Gut­mensch“ über­setzt haben) als eine psych­ia­tri­sche Erkran­kung gelis­tet. Wie kom­men sie oder Dr. Ros­si­ter dann gleich in ihrer Über­schrift zu die­ser Fehl­an­nah­me? (wohin­ge­gen man „Xeno­pho­bie“ unter „sons­ti­ge pho­bi­sche Störungen‑F 40.8 kodie­ren könn­te, nur falls sie das schon immer mal wis­sen wollten.

2. „Jeden, der nicht jeman­den sei­ne Ansich­ten teilt, zum Bösen in Men­schen­ge­stalt erklä­ren“ ist in keins­ter Wei­se ein gän­gi­ges Sym­ptom einer Schi­zo­phre­nie, wird von ihnen aber so ange­führt. Auch hier ver­wei­se ich wie­der auf den ICD 10 oder den DSM V, wo sie die Dia­gno­se­kri­te­ri­en der Schi­zo­phre­nie nach­le­sen könn­ten und mei­ner Mei­nung nach auch soll­ten, wenn sie schon als Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter öffent­lich zu die­ser psych­ia­tri­schen Erkran­kung Erklä­run­gen abgeben.

3. Dr. Ros­si­ters Behaup­tung „Gut­men­schen ver­hal­ten sich wie Gefolgs­leu­te von Füh­rern wie Hit­ler oder Sta­lin“ könn­te man als Ver­harm­lo­sung des Natio­nal­so­zia­lis­mus wer­ten. War­um über­neh­men sie die­se Ver­harm­lo­sung dann so unkri­tisch? Soll­ten sie sich künf­tig wie­der im Ver­fas­sen von lai­en­psych­ia­tri­schen Tex­ten üben wol­len, wür­de ich ihnen emp­feh­len, sich von einem Pro­fes­sio­nis­ten bera­ten zu las­sen, damit das Ergeb­nis zumin­dest die Wahr­heit tangiert.

Mit freund­li­chen Grü­ßen, Ein wirk­li­cher Psychiater