FPÖ: Der Abgang eines Ex-Bundesrats

Lesezeit: 5 Minuten

Weil er den Rechts­ruck der Par­tei nicht mehr län­ger mit­tra­gen kön­ne, so der ehe­ma­li­ge Bun­des­rat der FPÖ, Johann Ertl, sei er aus der Par­tei aus­ge­tre­ten. Genaue­res will Ertl, der zuletzt Gemein­de­rat der FPÖ in Schwe­chat war, dem­nächst bekannt­ge­ben. Bei der Gemein­de­rats­wahl Anfang die­ses Jah­res war Ertl noch Spit­zen­kan­di­dat der FPÖ in Schwe­chat, jetzt macht er sei­ne Par­tei­freun­de für einen Rechts­ruck verantwortlich.

„Da ich den Rechts­ruck den die FPÖ Schwe­chat unter Höbart, Zist­ler u. Kai­ser zur Zeit durch­lebt nicht mit­tra­ge bin ich ges­tern aus der FPÖ Schwe­chat aus­ge­tre­ten. Die­se Per­so­nen sind weit weg von einer ‚Sozia­len Hei­mat­par­tei’ ”, lau­te­te Ertls Face­book-Ein­trag am 19. Sep­tem­ber. Chris­ti­an Höbart ist seit 2013 geschäfts­füh­ren­der Lan­des­par­tei­ob­mann der FPÖ NÖ, Wolf­gang Zist­ler lös­te im Juli 2014 Ertl als Bezirks­par­tei­ob­mann ab, und Andrea Kai­ser wur­de nach der Gemein­de­rats­wahl Stadt­rä­tin. Sein Wahl­ziel, Vize­bür­ger­meis­ter in Schwe­chat zu wer­den, erreich­te Ertl trotz star­ker Zuge­win­ne nicht. Der Aus­tritt von Ertl ist – das macht die Auf­zäh­lung der Per­so­nen klar – wohl weni­ger die Kon­se­quenz einer poli­ti­schen Dif­fe­renz als viel­mehr ein Schluss­punkt nach jah­re­lan­ger Degradierung.

2013 war Johann Ertl, damals Bun­des­rat der FPÖ, im mehr­mo­na­ti­gen inner­par­tei­li­chen Macht­kampf in NÖ auf der Sei­te von Bar­ba­ra Rosen­kranz, die noch Lan­des­vor­sit­zen­de war, aber auf Wunsch der Par­tei­spit­ze nach dem mage­ren Ergeb­nis bei der Land­tags­wahl Anfang März 2013 abdan­ken soll­te. Einer der Draht­zie­her der Revol­te gegen Bar­ba­ra Rosen­kranz war der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Chris­ti­an Höbart (der Unter­schied zwi­schen Höbart und Rosen­kranz liegt im Alter, nicht aber in der rechts­extre­men Gesinnung).

Ertl wur­de Anfang April 2013 als Bun­des­rat abmon­tiert, Chris­ti­an Hafenecker, der spä­ter zum Lan­des­se­kre­tär bestellt wur­de, über­nahm sein Man­dat, Höbart wur­de Lan­des­par­tei­se­kre­tär. Das war die ers­te Run­de. In der zwei­ten wur­de dann Bar­ba­ra Rosen­kranz durch Wal­ter Rosen­kranz (nicht ver­wandt) ersetzt, Höbart als geschäfts­füh­ren­der Lan­des­vor­sit­zen­der und Hafenecker als Lan­des­par­tei­se­kre­tär installiert.

Einen Tag nach sei­nem Rück­tritt als Bun­des­rat erlitt Ertl einen Schlag­an­fall – Resul­tat der Auf­re­gung oder Zufall? Ende April kri­ti­sier­te er jeden­falls die Vor­gän­ge in sei­ner Par­tei: „Was nach der Land­tags­wahl in der FPÖ-NÖ geschieht, ist alles ande­re als Para­de­bei­spiel geleb­ter Demo­kra­tie.“ (NÖN, 30.4.2013)

2014 fällt Ertls FPÖ-Rie­ge im Schwe­cha­ter Gemein­de­rat dadurch auf, dass sie eine arme­ni­sche Frau, die poli­ti­sches Asyl erhal­ten hat, wegen ihres Namens öffent­lich bloß­stellt und sie ver­däch­tigt, finan­zi­el­le Leis­tun­gen „erschlei­chen“ zu wol­len. Ertl ver­tei­digt die Posi­ti­on der FPÖ, so wie er bis zum heu­ti­gen Tag alle mög­li­chen ungus­tiö­sen het­ze­ri­schen und frem­den­feind­li­chen Ein­trä­ge auf Face­book teilt. In der Debat­te damals wies der FPÖ-Stadt­rat Jakl den Vor­wurf, dass Ertl ein Ras­sist sei, mit einer Begrün­dung zurück, die den geis­ti­gen Hori­zont der Blau­en gut umreißt. Die NÖN zitiert den blau­en Stadt­rat so (27.5.2014): „Wenn hier Men­schen leben, die aus einer Gegend kom­men, wo sie ver­folgt wer­den, müs­se man sich die Fra­ge stel­len: ‚Sind viel­leicht zu vie­le da?’“

Nach der Demon­ta­ge Ertls als Bun­des­rat folg­te im Juli 2014 sei­ne Ablö­se als Bezirks­par­tei­ob­mann durch Wolf­gang Zist­ler, dann auch noch als Klub­ob­mann der Gemein­de­rats­frak­ti­on. Im Herbst fährt Ertl, der beruf­lich bis Jah­res­en­de Kri­mi­nal­po­li­zist war, bei der Per­so­nal­ver­tre­tungs­wahl im Stadt­po­li­zei­kom­man­do Schwe­chat einen Ach­tungs­er­folg für die AUF ein. Die Par­tei, die ihn schon fast völ­lig demon­tiert hat, schickt den eini­ger­ma­ßen bekann­ten Ertl als blau­en Spit­zen­kan­di­da­ten für die Gemein­de­rats­wahl ins Ren­nen. Die von ihm ange­streb­te Koali­ti­on mit der SPÖ kommt nicht zustan­de, Ertl wird nicht Vize­bür­ger­meis­ter, son­dern sei­ne Par­tei­kol­le­gin Kai­ser Stadträtin.

Die von ihm als Beleg für den Rechts­ruck erwähn­ten Höbart, Zist­ler und Kai­ser sind daher auch Sta­tio­nen sei­nes inner­par­tei­li­chen Lei­dens­we­ges. Als der „Kurier“ (4.9.15) mel­det, dass die Staats­an­walt­schaft gegen Chris­ti­an Höbart ermit­teln und des­halb sei­ne Immu­ni­tät auf­he­ben will, pos­tet er die Mel­dung gleich mehr­mals. Schließ­lich, ein paar Tage spä­ter, ent­schließt er sich zu einem Kom­men­tar, bei dem er wohl gewusst haben muss, dass er damit sein poli­ti­sches Ende in der FPÖ ein­lei­tet. Majes­täts­be­lei­di­gung! Auch wenn die Majes­tät nur Höbart ist, dem Ertl drin­gend den Rück­tritt empfiehlt.

Die Reak­tio­nen sind ein­deu­tig. Blaue Par­tei­gran­den rücken aus, um Ertl den Kopf zu waschen. „Geleb­te Kame­rad­schaft sieht anders aus“, heißt es in einem Pos­ting auf Face­book. Der Ärger über Ertl ist so groß, dass es sogar zu für die FPÖ unge­wöhn­lich wort­rei­chen Stel­lung­nah­men kommt, etwa von der FPÖ Himberg:

Der Par­tei­aus­tritt von Johann Ertl war vor­aus zu sehen, da er sich Zuse­hens (sic!) von unse­rer Gesin­nungs­ge­mein­schaft ent­fern­te. Sein Enga­ge­ment blieb aus und er kri­ti­sier­te fast noto­risch alle Ent­schei­dun­gen und Aktio­nen die von der NÖ Lan­des­ge­schäfts­stel­le oder unse­rer FPÖ Schwe­chat Bezirks­or­ga­ni­sa­ti­on ausgingen.

Ein „Nest­be­schmut­zer” ist er also, der Johann Ertl, auch wenn er nur das Natio­nal­rats­man­dat von Höbart und des­sen Hal­tung in Fra­ge stell­te. Wie es in der Par­tei zugeht, die die „Frei­heit“ in ihrem Namen führt, wird so neben­bei deut­lich. Weil Ertl mit dem Salz­bur­ger Par­tei­re­bel­len Karl Schnell sym­pa­thi­siert, wird er von sei­nem Bezirks­par­tei­ob­mann Zist­ler dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der geschäfts­füh­ren­de Lan­des­par­tei­ob­mann Höbart das nicht wün­sche (NÖN, 22.9.15). Geleb­te inner­par­tei­li­che Demo­kra­tie halt!

Ertl erwähnt noch einen ande­ren Vor­fall. Weil sich die FPÖ-Gemein­de­rä­tin Andrea Mau­cha an einer Essens­aus­ga­be für Flücht­lin­ge betei­lig­te (Ertl: „Das Ver­hal­ten geht über mei­ne sozia­le Ein­stel­lung weit hin­aus”), sei sie von der Par­tei ermahnt wor­den, so Ertl im „Kurier“. Wolf­gang Zist­ler, der blaue Bezirks­par­tei­ob­mann, darf auch in die­sem Fall frei­heit­li­che Ver­hal­tens­mus­ter illus­trie­ren: „Ich habe einen Anruf erhal­ten und woll­te von ihr wis­sen, ob sie pri­vat oder für die Par­tei vor Ort war.” Die betrof­fe­ne Gemein­de­rä­tin der FPÖ hält sich an das ihr auf­er­leg­te Sprech­ver­bot der Par­tei, will nur klar­stel­len: „Aus mei­ner Sicht war es rich­tig, den Men­schen zu hel­fen.” (Kurier)

Die Skla­ven­men­ta­li­tät inner­halb der FPÖ wird auch bei Ertl selbst sicht­bar. Wie in vie­len ande­ren Fäl­len von inner­par­tei­li­chem Dis­sens bei der FPÖ adres­siert auch er sei­ne Kri­tik nicht an die Par­tei­spit­ze, son­dern an loka­le bzw. regio­na­le Gran­den – Stra­che und die Bun­des­par­tei­spit­ze, die die Ver­än­de­run­gen in der FPÖ NÖ durch­ge­drückt haben, blei­ben außen vor. Über so devo­ten Dis­sens kann sich die FPÖ-Spit­ze nur freuen!