FPÖ-Nachruf auf rechtsextremen Südtirolterroristen

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„Tief betrof­fen” zeig­te sich Wer­ner Neu­bau­er, „Süd­ti­rol-Spre­cher” der FPÖ, pen­na­ler Bur­schen­schaf­ter und Abge­ord­ne­ter, in einer Pres­se­aus­sendung vom Able­ben Peter Kie­nes­ber­gers, der „sich dem Ein­satz für die Frei­heit Süd­ti­rols” gewid­met habe. Einer der bedeu­tends­ten Süd­ti­ro­ler Frei­heits­kämp­fer, so Neu­bau­er wei­ter, habe die­se Welt ver­las­sen. Ein Neo­na­zi oder ein Frei­heits­kämp­fer? Was war die­ser Peter Kie­nes­ber­ger wirklich?

Der Wel­ser Peter Kie­nes­ber­ger stu­dier­te in Inns­bruck und wur­de Mit­glied der Bur­schen­schaft Bri­xia, die dem har­ten Kern der deutsch­na­tio­na­len und rechts­ra­di­ka­len Sze­ne zuzu­ord­nen ist. Ange­hö­ri­ge der Bri­xia waren an ter­ro­ris­ti­schen Akti­vi­tä­ten in Süd­ti­rol betei­ligt. Auch Kie­nes­ber­ger schloss sich dem Befrei­ungs­aus­schuss Süd­ti­rol (BAS) an, der das Ziel ver­folg­te, mit­tels Ter­ror­an­schlä­gen den Wie­der­an­schluss Süd­ti­rols an Öster­reich zu erreichen.


BAS und der „Süd­ti­ro­ler Wider­stand”: Spreng­stoff­at­ten­ta­te und Tote

Bezeich­nend ist ein Nach­ruf der „Kame­rad­schaft der ehe­ma­li­gen Frei­heits­kämp­fer”:

Der hal­len­de Pro­test der Herz Jesu Nacht im Juni 1961 und die Mas­sen­ver­haf­tun­gen und ent­setz­li­chen Fol­te­run­gen der Süd­ti­ro­ler Häft­lin­ge hat­ten das Leben des acht­zehn­jäh­ri­gen Radio­elek­tro­ni­kers Peter Kie­nes­ber­ger ent­schei­dend ver­än­dert. (…) Er kün­dig­te sei­nen Arbeits­platz, fuhr nach Inns­bruck und schloss sich dem Süd­ti­ro­ler Wider­stand an.

„Der hal­len­de Pro­test der Herz Jesu Nacht” oder auch schlicht „Feu­er­nacht” war der bis dahin schwers­te Ter­ror­an­schlag des BAS in Süd­ti­rol. 37 Strom­mas­ten wur­den gesprengt, der der Stra­ßen­wär­ter Gio­van­ni Pos­tal wur­de dabei getötet.

Bereits im August 1961 betei­lig­te sich Kie­nes­ber­ger an den ers­ten Anschlä­gen. Bei St. Mar­tin in Pas­sei­er spreng­te er einen Hoch­span­nungs­mast. Im Schü­ler­auf­satz-Manier berich­ten die Kame­ra­den der ehe­ma­li­gen Frei­heits­kämp­fer: 

Dann war­te­ten die Män­ner im Hin­ter­halt gespannt auf das Ein­tref­fen der Poli­zei­kräf­te. Als „Ren­dez­vous­part­ner“ erwar­te­ten sie den Mera­ner Cara­bi­nie­ri-Kom­man­dan­ten Capi­ta­no De Rosa, einen der gefürch­tes­ten Fol­ter­knech­te in Süd­ti­rol. Als De Rosa an der Spit­ze sei­ner Män­ner am Tat­ort ein­traf, eröff­ne­ten die Frei­heits­kämp­fer sofort das Feu­er. Die Schüs­se gin­gen über De Rosa hin­weg, der mit­samt sei­ner schö­nen gebü­gel­ten Uni­form unter sei­nem Gelän­de­wa­gen, der „Cam­pa­gno­la“, im Dreck lag.

Die Anschlag­se­rie, an der sich Kie­nes­ber­ger aktiv betei­lig­te, ging wei­ter: Mas­ten­spren­gun­gen im Boz­ner Unter­land, Spreng­stoff­trans­por­te über Glet­scher und Jöcher, Anschlä­ge im Pas­sei­er- und im Sarn­tal. 1967 kam es zum schwers­ten Anschlag des BAS in Süd­ti­rol. Bei einem Anschlag auf der Por­ze­schar­te wur­den vier ita­lie­ni­sche Sol­da­ten getö­tet. Wegen die­ses Anschlags und ande­rer Atten­ta­te wur­de Kie­nes­ber­ger in Ita­li­en in Abwe­sen­heit zu mehr­fach lebens­läng­li­cher Haft ver­ur­teilt. Von öster­rei­chi­schen Gerich­ten wur­de Kie­nes­ber­ger in zwei­ter Instanz freigesprochen.


Ermitt­lun­gen nach dem Anschlag auf der Porzescharte

1967 grün­de­te Kie­nes­ber­ger mit dem Neo­na­zi Nor­bert Bur­ger die Natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Par­tei (NDP). 1988 wur­de die NDP behörd­lich auf­ge­löst, da sie natio­nal­so­zia­lis­ti­sches Gedan­ken­gut ver­brei­te. Der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof stell­te fest, dass das „Grund­satz- und For­de­rungs­pro­gramm“ der NDP auf einem „bio­lo­gisch-ras­sis­ti­schen Volks­be­griff“ basie­re und auch mit sei­ner „großdeutsche[n] Pro­pa­gan­da (…) in Kern­punk­ten mit Zie­len des NSDAP“ übereinstimme.


Nor­bert Burger

Kie­nes­ber­ger ging in den 1970er-Jah­ren nach Deutsch­land. Mit dem „Buch­dienst Süd­ti­rol” ver­brei­te­te er von dort rechts­extre­mis­ti­sches Gedan­ken­gut. (Ver­fas­sungs­schutz­in­for­ma­tio­nen Bay­ern, 1. Halb­jahr 2001, S. 14.) und war in Stif­tun­gen tätig. 2010 hol­te Kie­nes­ber­ger sei­ne Tätig­keit für die Lau­rin-Stif­tung ein und führ­te neu­er­lich zu Ermitt­lun­gen in Italien.

Kie­nes­ber­ger war schon vor der Lau­rin-Stif­tung ein­schlä­gig tätig gewe­sen – in der Nier­mann-Stif­tung. Her­mann Nier­mann, Mul­ti­mil­lio­när aus Düs­sel­dorf, hat­te 1977 eine Stif­tung gegrün­det. Im Bur­schen­schaf­ter-Organ „Die Aula” wur­de über den Zweck der Stif­tung berich­tet: Es gehe dar­um, „bedroh­tes Volks­tum zu schüt­zen und den eth­ni­schen Min­der­hei­ten dabei zu hel­fen, ihre bio­lo­gi­sche und kul­tu­rel­le Exis­tenz zu bewah­ren“, schließ­lich sei „das deut­sche Volks­tum im Wes­ten, Süden und Osten gefähr­li­chen Bedro­hun­gen aus­ge­setzt”.

Wich­tigs­ter Mann für die Nier­mann-Stif­tung war Nor­bert Bur­ger. Er sorg­te dafür, dass das Stif­tungs­ku­ra­to­ri­um nach und nach mit Gesin­nungs­freun­den auf­ge­füllt wur­de. Neben Ger­not Mörig, einem Ex-Vor­sit­zen­den des rechts­extre­men „Bun­des Hei­mat­treu­er Jugend” (BHJ) waren es vor allem Bur­schen­schaf­ter aus Öster­reich: Erhard Har­tung, Rudolf Wat­schin­ger, Her­wig Nacht­mann und Peter Kie­nes­ber­ger – alles alte Herrn der Bur­schen­schaft Bri­xia und in Süd­ti­rol in ter­ro­ris­ti­sche Akti­vi­tä­ten verwickelt.

Eini­ge Schlüs­sel­fi­gu­ren der rechts­extre­men Sze­ne, die schon in der Nier­mann-Stif­tung aktiv waren, tauch­ten auch in einer wei­te­ren Stif­tung in ver­ant­wort­li­cher Funk­ti­on auf: bei der Lau­rin-Stif­tung, die ihren Sitz in Liech­ten­stein hat. In den 1990er-Jah­ren wur­de der ehe­ma­li­ge SA-Sturm­füh­rer und FPÖ-Urge­stein Otto Scrin­zi Vor­sit­zen­der des Ver­wal­tungs­ra­tes der Stif­tung. Er sorg­te auch dafür, dass Peter Kie­nes­ber­ger und Erhard Har­tung als Mit­glie­der des vier­köp­fi­gen Kura­to­ri­ums auf­ge­nom­men wurden.


Wahl­pla­kat von Otto Scrinzi

Die Stif­tungs-Ver­ant­wort­li­chen Kie­nes­ber­ger und Har­tung wur­den im Febru­ar 2014 am Ober­lan­des­ge­richt wegen ille­ga­ler Ban­ken­tä­tig­keit zu je sechs Mona­ten Haft ver­ur­teilt. Anwalt Car­lo Bert­ac­chi hat noch im März 2015 Beru­fung vor dem Kas­sa­ti­ons­ge­richt angekündigt.

Mit dem Nach­ruf per Pres­se­aus­sendung ehrt Wer­ner Neu­bau­er einen rechts­extre­men Ter­ro­ris­ten, ver­ant­wort­lich für zahl­rei­che Anschlä­ge in Süd­ti­rol und der tief in der neo­na­zis­ti­schen Sze­ne ver­strickt war.