Die geistigen Amokfahrer

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Es gibt tat­säch­lich rund zwei Dut­zend Per­so­nen, die an einer ‚Mahn­wa­che‘ teil­neh­men wol­len, deren Ver­an­stal­ter unter dem Vor­wand, für die Opfer der Gra­zer Amok­fahrt trau­ern zu wol­len, gegen einen angeb­lich „isla­mi­schen Ter­ror­akt“ het­zen. Stra­ches mitt­ler­wei­le gelösch­tes Face­book-Pos­ting, die Bericht­erstat­tung von „Kro­ne“ und „unzen­su­riert“ und auch ein Zitat des Ver­fas­sungs­schutz-Chefs Peter Grid­ling bil­den die Grund­la­ge für wüs­te Spe­ku­la­tio­nen und Hetze.

Schon kurz nach der mör­de­ri­schen Amok­fahrt des 26-jäh­ri­gen Man­nes aus Kals­dorf in der Gra­zer Innen­stadt blüh­ten die ers­ten het­ze­ri­schen Kom­men­ta­re auf. FPÖ-Par­tei­chef Stra­che nahm gleich die eth­ni­sche Wit­te­rung auf und pos­te­te auf FB: „Wahn­sinns­tat in Graz! Der Täter ist aus Bos­ni­en. Ein reli­gi­ös begrün­de­tes Atten­tat wird nicht ausgeschlossen!“


Gegen ras­sis­ti­sche Het­ze, Logo des Bünd­nis gegen Rassismus
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Das Pos­ting wirft die Fra­ge auf, wie lan­ge ein Mensch öster­rei­chi­scher Staats­bür­ger sein bzw. hier leben muss, um auch von der FPÖ bzw. Stra­che als Öster­rei­cher aner­kannt zu wer­den? 20 Jah­re rei­chen offen­sicht­lich nicht – tun es 50 Jah­re, rei­chen zwei Gene­ra­tio­nen? Soll­te jeden­falls im Wahl­pro­gramm der FPÖ klar ange­spro­chen wer­den – damit sich die Zuwan­de­rer aus­ken­nen, was die FPÖ von ihnen hält!

Ver­mut­lich ist es Stra­che aber noch mehr um die wil­de Spe­ku­la­ti­on mit dem „reli­gi­ös begrün­de­ten Atten­tat“ gegan­gen. Die Gra­zer Poli­zei hat das zwar gleich ein­mal aus­ge­schlos­sen, aber was weiß schon die Poli­zei dort? Die „Kro­ne“ hat noch am Sams­tag online und dann am Sonn­tag in der Print-Aus­ga­be eine ordent­li­che Vor­ga­be gemacht: das „blind­wü­ti­ge Vor­ge­hen“ des Amok­fah­rers tra­ge „lei­der auch die schreck­li­che Hand­schrift von Dschi­ha­dis­ten-Ein­zel­kämp­fern“ (Kro­ne, 21.6.15) und mischt zum Beweis dafür das sen­sa­ti­ons­lüs­ter­ne Zitat des Ver­fas­sungs­schutz­chefs Grid­ling dazu, wonach die Ter­ror­an­grif­fe von heu­te mit Mes­ser oder Auto aus­ge­führt würden.

Mitt­ler­wei­le ist die „Kro­ne“ umge­schwenkt vom „blind­wü­ti­gen Vor­ge­hen“ bei der Amok­fahrt hin zur Tat, die „bis ins Detail geplant“ und „bewusst durch­ge­führt“ wur­de (Kro­ne, 23.6.15). Stra­che gefällt auch die­ser Schwenk der „Kro­ne“ – er teilt den Bei­trag auf sei­ner FB-Sei­te „zur Info“.

Den Ein­trag über die mög­li­chen reli­giö­sen Moti­ve hat er längst gelöscht, nach­dem er medi­al und auf FB dafür hef­tig kri­ti­siert wur­de. Jetzt sieht er sich als Opfer einer „üblen Kam­pag­nis­ie­rung“.

Apro­pos tat­säch­li­che Opfer: eines der Todes­op­fer ist Mus­lim, eben­so sei­ne Kopf­tuch tra­gen­de Frau, die schwerst ver­letzt über­leb­te. Wie meh­re­re Medi­en berich­ten, hat der Täter auch eine ande­re Frau mit Kopf­tuch mit einem Mes­ser bedroht.

Das alles ficht die Het­zer von „unzen­su­riert“ bis zu den Obsku­ran­ten der FB-Grup­pe „Gegen Deka­denz und Wer­te­ver­fall“, die die Hetz­wa­che ange­kün­digt haben, nicht an. Wäh­rend sich „unzen­su­riert“ noch damit abmüht, aus dem Gehör einer „angeb­li­chen Augen­zeu­gin“ und dem Geschrei­be der „Kro­ne“ ein „isla­mis­ti­sches Motiv“ zusam­men­zu­rei­men, ist das für die FB-Grup­pe des Ex-Pegi­da-Spre­chers Georg Nagel schon klar:

„Es ist nahe­lie­gend, dass es sich wahr­schein­lich um einen isla­mi­schen Bos­nia­ken han­delt und die gan­ze Tat mit­hin als isla­mi­scher Ter­ror­akt zu bewer­ten ist. Die zuneh­men­de Anzahl von isla­misch moti­vier­ten Gewalt­ver­bre­chen in Euro­pa soll sys­te­ma­tisch ver­tuscht wer­den“, heißt es in der Ankün­di­gung der ‚Mahn­wa­che‘ durch die FB-Grup­pe „Gegen Deka­denz und Wer­te­ver­fall“.


Face­book-Sei­te des Ex-Pegi­da-Spre­chers Georg Nagel
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Und dann wird doch glatt behaup­tet, dass es auch in Öster­reich „schon oft isla­mi­schen Ter­ror“ gab. Einer von denen, die beson­ders eif­rig in der Grup­pe gegen den Wer­te­ver­fall aktiv sind und auch zur Teil­nah­me an der Mahn­wa­che auf­ru­fen, wird nach eige­nen Anga­ben gera­de auf sei­ne Frei­las­sung vor­be­rei­tet – er ist wegen ver­such­ten Mor­des an einem – bos­ni­schen! – Jugend­li­chen und wegen Spreng­stoff­an­schlä­gen (dar­un­ter eine Moschee) 2008 zu einer emp­find­li­chen Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt worden.