Die Burschenschaften und der Nationalsozialismus

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Die deut­schen Bur­schen­schaf­ter in Öster­reich haben sich weit­ge­hend unab­hän­gig von den his­to­ri­schen Fak­ten ihre eige­nen, „situa­ti­ons­elas­ti­sche“ Erzäh­lun­gen geschaf­fen, was die Ver­stri­ckung ihrer Bün­de und Mit­glie­der in den Natio­nal­so­zia­lis­mus betrifft. Über die offe­ne Unter­stüt­zung für den Natio­nal­so­zia­lis­mus und Hit­lers Reich durch die „Bur­schen­schaft der Ost­mark“ wird nicht ger­ne gespro­chen, über die Bur­schen­schaf­ter und Nazis schon gar nicht.

Nach der Auf­lö­sung der Deut­schen Bur­schen­schaft im „Deut­schen Reich” 1935 schie­den die deut­schen Bur­schen­schaf­ter in Öster­reich aus dem Dach­ver­band Deut­sche Bur­schen­schaft aus und grün­de­ten die „Bur­schen­schaft der Ost­mark“. Die stand nicht in Oppo­si­ti­on zum Natio­nal­so­zia­lis­mus. Die ideo­lo­gi­sche Unter­wer­fung unter den NS wur­de orga­ni­sa­to­risch durch die Ein­füh­rung des „Füh­rer­prin­zips“ umge­setzt, sogar die bis dahin übli­chen Abstim­mun­gen im Bur­schen­kon­vent (die von den Bur­schen ger­ne und fälsch­lich als geleb­tes demo­kra­ti­sches Prin­zip bezeich­net wer­den) wur­den abge­schafft. Prak­ti­scher­wei­se hat­ten die Ost­mark-Bur­schen auch jeman­den zur Hand, der das „Füh­rer­prin­zip“ ide­al ver­kör­pern konn­te: der Anti­se­mit und ille­ga­le Nazi Erich Füh­rer von der „Bru­na Sude­tia” gab als „Füh­rer“ der „Bur­schen­schaft der Ost­mark” die Befeh­le in Form von „Füh­rer­brie­fen“ aus. Ab 1936 waren die Waf­fen­stu­den­ten Mit­glie­der im ille­ga­len Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bund und betei­lig­ten sich auch zahl­reich an den Kampf­ak­tio­nen der öster­rei­chi­schen Nazis im Untergrund.


Nazi, Ver­bre­cher und Bur­schen­schaf­ter Ernst Kaltenbrunner

Die deut­schen Bur­schen­schaf­ten in Öster­reich waren schon lan­ge vor 1938 ideo­lo­gisch und orga­ni­sa­to­risch mit dem NS gleich­ge­schal­tet. Ihre Auf­lö­sung und Über­füh­rung in die NS-Kame­rad­schaf­ten 1938 war für die meis­ten Mit­glieds­bün­de kein Zwangs -, son­dern ein Freu­den­akt, auch wenn sich dar­in bei man­chen etwas Weh­mut über den Ver­lust der Far­ben misch­te. So beschreibt der Chro­nist der Bur­schen­schaft Olym­pia, Hel­ge Dvo­rak, noch 1996 den Vor­gang: „Bei der ein­drucks­vol­len Fei­er im gro­ßen Kon­zert­haus­saal anläß­lich der Über­füh­rung der waf­fen­stu­den­ti­schen Kor­po­ra­tio­nen in die Glie­de­run­gen der NSDAP wur­den die Far­ben das letz­te Mal in der Öffent­lich­keit getra­gen.“ (Hel­ge Dvo­rak, Olym­pen-Chro­nik. 1859 bis heute)


Nazi, Ver­bre­cher und Bur­schen­schaf­ter Otto Skorzeny

Bezeich­nend ist eben­falls, wie die Bur­schen­schaf­ten den Ein­marsch deut­scher Trup­pen in der Nacht vom 11. auf den 12.3.1938 bzw. den Anschluss Öster­reichs abhan­deln. In der Chro­nik der Wie­ner Bur­schen­schaf­ter Ald­ania wird bei­spiels­wei­se lapi­dar bemerkt: „13.3.1938: Desisehbekannt.“

Bei den meis­ten Bur­schen­schaf­ten wer­den die Jah­re vor und wäh­rend des NS-Regimes nur durch den Hin­weis auf die Über­füh­rung in NS-Kame­rad­schaf­ten erwähnt. Von den zahl­rei­chen Bur­schen­schaf­tern, die sich freu­dig dem NS hin­ga­ben, sind nur eini­ge Ober­na­zis und Ver­bre­cher bekannt: Ernst Kal­ten­brun­ner, Ger­hard Lau­seg­ger, Otto Skor­ze­ny, Ari­bert Heim. Kei­ner von ihnen wur­de von sei­ner Bur­schen­schaft uneh­ren­haft ausgeschlossen!


Nazi, Ver­bre­cher und Bur­schen­schaf­ter Ari­bert Heim

Das Aus­maß der Ver­stri­ckung von Bur­schen­schaf­tern in die Ver­bre­chen des NS wird nur indi­rekt in den Chro­ni­ken der Bur­schen­schaf­ten bekannt. Bern­hard Wei­din­ger zitiert in sei­ner Stu­die über die Bur­schen­schaf­ten in Öster­reich nach 1945 etwa die Chro­nik der Ober­ös­ter­rei­cher Ger­ma­nen (1967):

Zahl­rei­che älte­re Bun­des­brü­der sind in der Hei­mat wäh­rend des Krie­ges mit maß­ge­ben­den und ent­schei­den­den Auf­ga­ben der Kriegs- und Rüs­tungs­wirt­schaft und der Ver­wal­tung beauf­tragt wor­den. Ihr pflicht­ge­treu­er Ein­satz für die Kriegs­auf­ga­be und den Staat wur­de nun sehr schlecht belohnt(….) Die inzwi­schen erlas­se­nen NS-Geset­ze brach­ten für die Bun­des­brü­der zahl­rei­che Ent­beh­run­gen und Opfer.

Der Chro­nist der Olym­pia, Hel­ge Dvo­rak, schreibt dazu: „Zahl­rei­che Bun­des­brü­der muß­ten sich den soge­nann­ten ‚Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren‘ unter­zie­hen und manch einer ver­brach­te eine oft mehr­mo­na­ti­ge Haft­zeit in den alli­ier­ten Anhal­te­la­gern Wolfs­berg und Gla­sen­bach sowie in der berühmt-berüch­tig­ten ‚Eli­sa­beth­pro­me­na­de‘ (‚Liesl‘) in Wien.“

Die Anhal­te­la­ger der Alli­ier­ten, in denen die völ­ki­schen Ver­bin­dun­gen weit über­pro­por­tio­nal ver­tre­ten waren, wur­den so zu regel­rech­ten Brut­stät­ten für den Rechts­extre­mis­mus nach 1945. Etli­che Bur­schen­schaf­ter kamen aller­dings nicht ein­mal bis zu den Anhal­te­la­gern und Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren. Ein weit­ge­hend unauf­ge­ar­bei­te­tes Kapi­tel bil­den die Sui­zi­de von Bur­schen­schaf­tern, die sich dadurch 1945 ihrer Ver­ant­wor­tung vor Gericht und Gesell­schaft ent­zo­gen hat­ten. In der Fest­schrift der Olym­pia aus dem Jahr 1996 („Wahr & Treu, Kühn & Frei“) wer­den allein drei Olym­pen genannt.