Graz: Jahrzehntelanges Kreuz mit dem Hakenkreuz

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Die Geschich­te ist lei­der so typisch, dass einem übel wird. Am Gra­zer Zen­tral­fried­hof­gibt es ein Grab mit der Inschrift „Er fiel im Kamp­fe für Groß­deutsch­land“, geschmückt mit einem Haken­kreuz. Seit Jahr­zehn­ten gibt es dage­gen Pro­test, aber erst jetzt, nach­dem ein Team der BBC auf der Suche nach dem Grab von Jochen Rindt das Grab zufäl­lig „wie­der­ent­deckt“ hat, ist Feu­er am Dach jener, die Jahr­zehn­te geschnarcht haben.

Hans Tita Probst, ein Bur­schen­schaf­ter aus dem süd­stei­ri­schen Stra­den, war Sturm­bann­füh­rer der SA, der beim Juli-Putsch 1934 erschos­sen und nach der Okku­pa­ti­on Öster­reichs durch das NS-Regime in einem Ehren­grab am Gra­zer Zen­tral­fried­hof bei­gesetzt wur­de. Haken­kreuz und Nazi-Spruch pran­gen seit­her deut­lich sicht­bar am Grab und haben in den ver­gan­ge­nen Jahr­zenten auch immer wie­der zu Pro­tes­ten und Anzei­gen geführt. Erfolg­los! Die Ange­hö­ri­gen von Probst wei­ger­ten sich, das Haken­kreuz zu ent­fer­nen, die Stadt­pfarr­kir­che erklär­te sich für unzu­stän­dig, und die Behör­den ermit­tel­ten offen­sicht­lich jahr­zehn­te­lang ergebnislos.

Ob es schon vor 1988 Aktio­nen gegen das Nazi-Grab gege­ben hat, ist unbe­kannt. Der KPÖ-Gemein­de­rat Ernst Kal­ten­eg­ger erreich­te jeden­falls im Gedenk­jahr 1988, dass das Haken­kreuz über­klebt wur­de. Wann und von wem es wie­der frei­ge­legt wur­de, ist unklar. Die nächs­te doku­men­tier­te Pro­test­ak­ti­on gab es jeden­falls 2002. Dies­mal waren es die Gra­zer Grü­nen, die einen ande­ren Umgang mit dem Nazi-Grab bzw. eine erklä­ren­de Zusatz­ta­fel for­der­ten. Der Gra­zer Rechts­his­to­ri­ker Mar­tin Pola­schek ver­wies schon damals dar­auf, dass neben einer Anzei­ge und Ermitt­lun­gen nach dem Ver­bots­ge­setz auch Maß­nah­men nach dem Abzei­chen­ge­setz in Fra­ge kom­men würden:


Bild­quel­le: martinkrenn.net

„Das Abzei­chen­ge­setz lege näm­lich ein­deu­tig fest, dass Sym­bo­le wie das Haken­kreuz nicht öffent­lich aus­ge­stellt wer­den dür­fen. Pola­schek: ‚Die Ver­wal­tungs­be­hör­de könn­te den Stein als ver­fal­len erklä­ren und ihn sogar abtra­gen las­sen.’“ (Der Stan­dard, 1.7.2002)

Pas­siert ist offen­sicht­lich nichts – bis 2006. Da mach­ten die bei­den Akti­ons­künst­ler Wolf­ram Kast­ner und Mar­tin Krenn mit einer Akti­on auf das Nazi-Grab­mal auf­merk­sam: “‚Vor­kämp­fer für die NS-Ver­bre­chen’ ver­die­nen kei­ne Ehre“, war auf einer trans­pa­ren­ten Tafel, die über dem Haken­kreuz ange­bracht wur­de, zu lesen. Nach einem Tag war die Tafel von unbe­kann­ten Tätern wie­der ent­fernt wor­den. Die bei­den Akti­ons­künst­ler erstat­te­ten eine Anzei­ge wegen Dieb­stahls eines Kunst­werks, aber auch wegen Ver­sto­ßes gegen das Abzei­chen­ge­setz und wegen des Ver­dachts der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung. Der Stadt­pfar­rer, der 2002 noch erklärt hat­te, dass ihm die „Hän­de gebun­den“ sei­en und er nichts gegen das Haken­kreuz machen kön­ne, ver­ur­teil­te 2006 die Akti­on der Künst­ler aus­drück­lich (Stan­dard, 24.10.2006). Und die zustän­di­gen Behör­den? Sie ermit­tel­ten offen­sicht­lich neu­er­lich erfolg- und ergeb­nis­los. Bis 2014 pas­sier­te nichts, obwohl auch die KZ-Opfer­ver­bän­de und das Maut­hau­sen-Komi­tee eine Anzei­ge einbrachten.

In den Fol­ge­jah­ren taucht das Haken­kreuz-Grab zwar immer wie­der in Medi­en­be­rich­ten auf, aber es muss­te erst das BBC-Team 2014 zufäl­lig an dem Grab vor­bei­strei­fen und dar­über berich­ten, bis etwas „pas­sier­te“. Jetzt sind alle auf Erklä­run­gen bedacht. Die Staats­an­walt­schaft erklärt, dass sie bis­her nichts aus­rich­ten konn­te, da kein Ver­stoß gegen das Ver­bots­ge­setz vor­ge­le­gen habe. Die Lan­des­po­li­zei­di­rek­ti­on, die in Graz für das Abzei­chen­ge­setz zustän­dig ist, wun­dert sich über die ange­kün­dig­te Anzei­ge durch die Stadt Graz, weil ja ohne­hin bereits ein Ver­fah­ren anhän­gig sei: „Wir schau­en uns das jetzt genau an, wir prü­fen das.“ (Kurier,1.2.2014)

Fast schon resi­gniert die Reak­ti­on des Rechts­his­to­ri­kers Mar­tin Pola­schek, Vize­rek­tor der Uni Graz, der seit 2002 (!!) auf das Abzei­chen­ge­setz und Hand­lungs­mög­lich­kei­ten über ein­fa­che Geld­stra­fen hin­aus hin­ge­wie­sen hat: „Ich sag‘ das seit Jah­ren: der Staat kann sol­che Sym­bo­le ein­zie­hen.“ (Kurier, 1.2.2014). Vor­läu­fig letz­ter Schritt ist, dass die Lan­des­po­li­zei­di­rek­ti­on Stei­er­mark ihre Prü­fung dies­mal sehr rasch abge­schlos­sen und gegen die Besit­zer des Gra­bes ein Ver­fah­ren nach dem Abzei­chen­ge­setz ein­ge­lei­tet hat.

Spä­tes­tens seit 2002 soll­te den Ermitt­lungs­be­hör­den eigent­lich bekannt sein, dass es Hand­lungs­mög­lich­kei­ten gegen das Haken­kreuz-Grab nach dem Abzei­chen­ge­setz gibt (und die Behör­den dazu ver­pflich­tet sind, von sich aus, die­se Hand­lun­gen zu set­zen). Gedau­ert hat’s bis zum Jahr 2014.