Politik gegen die Menschen: ArbeitnehmerInnschutz im Visier der FPÖLesezeit: 5 Minuten

„Mit Arbeit­neh­mer­schutz­ver­ord­nun­gen, Arbeits­in­spek­ti­ons­ge­set­zen, Steu­er­ge­set­zen und ande­ren Vor­schrif­ten über­schüt­tet“. „Arbeit­neh­mer­schutz mit Augen­maß“ for­der­te die FPÖ in einem Ent­schlie­ßungs­an­trag im Natio­nal­rat im Sep­tem­ber 1997. Wel­ches Maß sich die FPÖ als Richt­schnur wünscht, mach­te sie kurz zuvor deut­lich: „Ände­rung aller Rege­lun­gen im Bereich des gesam­ten Arbeit­neh­mer­schut­zes, die eine … unver­hält­nis­mä­ßig gro­ße Belas­tung für die Betrie­be dar­stel­len“. Sicher­heits­hal­ber seien […]

5. Aug 2013

„Arbeit­neh­mer­schutz mit Augen­maß“ for­der­te die FPÖ in einem Ent­schlie­ßungs­an­trag im Natio­nal­rat im Sep­tem­ber 1997. Wel­ches Maß sich die FPÖ als Richt­schnur wünscht, mach­te sie kurz zuvor deut­lich: „Ände­rung aller Rege­lun­gen im Bereich des gesam­ten Arbeit­neh­mer­schut­zes, die eine … unver­hält­nis­mä­ßig gro­ße Belas­tung für die Betrie­be dar­stel­len“. Sicher­heits­hal­ber sei­en alle die­se Rege­lun­gen „umge­hend bis zum Inkraft­tre­ten der Geset­zes­än­de­run­gen aus­zu­set­zen“.

Der Kampf gegen den Arbeit­neh­me­rIn­nen­schutz bestimmt seit vie­len Jah­ren die Poli­tik der FPÖ und war lei­der bis­wei­len auch erfolg­reich. So gelang es der FPÖ etwa, eine Ver­län­ge­rung der Nacht­ar­beits­zeit für Jugend­li­che durchzusetzen.

Die FPÖ-Abge­ord­ne­te Mares Ross­mann, wohl kaum zufäl­lig eine Lokal­be­sit­ze­rin, brach­te 1996 einen Antrag in den Natio­nal­rat ein, mit dem die Arbeits­zeit von Lehr­lin­gen im Gast­ge­wer­be in der Nacht um eine Stun­de ver­län­gert wer­den soll­te, weil die Ein­füh­rung der Som­mer­zeit ja eine Zeit­ver­schie­bung mit sich gebracht habe. An sich nichts als eine Skur­ri­li­tät, die im Natio­nal­rat auch kei­ne Zustim­mung erhielt. Umge­setzt wur­de die­se „Skur­ri­li­tät“ jedoch im Jahr 2000 gleich in den ers­ten Wochen der Blau-Schwar­zen Regie­rung; und zwar auf eine Art und Wei­se, die nicht nur eine län­ge­re Nacht­ar­beits­zeit für Lehr­lin­ge im Gast­ge­wer­be nach sich zog, son­dern für alle Lehr­lin­ge. Die­se Ver­län­ge­rung begrün­de­te der dama­li­ge FPÖ-Klub­in­tel­lek­tu­el­le Patrik Ort­lieb mit den Wor­ten: „Es geht aus­schließ­lich dar­um, dass das Aus­bil­dungs­ziel erreicht wird. Das muss gewähr­leis­tet sein, zum Woh­le unse­rer Jugend und auch zum Woh­le der Wirt­schaft! Des­halb stim­men wir von den Regie­rungs­frak­tio­nen die­ser Geset­zes­än­de­rung dis­kus­si­ons­los zu. Danke“
Eine Ant­wort auf die Fra­ge, wel­che beson­de­ren Aus­bil­dungs­zie­le im Gast­ge­wer­be nur nach 22 Uhr erreicht wer­den kön­nen, blieb Ort­lieb übri­gens schuldig.

Die Arbeits­wei­se der FPÖ ist mit die­sem Bei­spiel wun­der­bar doku­men­tiert: In einem klei­nen Teil­be­reich eine Ver­schlech­te­rung für Arbeit­neh­me­rIn­nen for­dern und die­se dann – nach Mög­lich­keit – für alle umsetzen.

Aber sage nie­mand, er oder sie hät­te das nicht gewusst oder nicht wis­sen kön­nen: Bereits in der Par­la­ments­de­bat­te um den Ursprungs­an­trag hat­te die FPÖ-Abge­ord­ne­te Hal­ler klar­ge­macht, wor­um es der FPÖ geht: „Ich aber glau­be, es ist vor allem auch ein lega­les Recht des Unter­neh­mers, des Lehr­herrn, Lehr­lin­ge dann ein­set­zen zu wol­len, wenn die Arbeit anfällt. Es soll ja bit­te wirk­lich nicht so sein, daß er nur dazu da ist, Lehr­lin­ge her­an­zu­bil­den… Ich glau­be, daß man hin­sicht­lich die­ses Kin­der- und Jugend­be­schäf­ti­gungs­ge­set­zes … ange­sichts der Tat­sa­che, daß es heu­te in der Pra­xis so aus­sieht, daß Jugend­li­che am ers­ten Schul­tag in der Berufs­schu­le dahin gehend infor­miert wer­den, was sie nicht tun dür­fen … wirk­lich ein­mal nach­den­ken muß, ob die­se Ver­ord­nung nicht in gewis­sen Berei­chen überzogen …“

Noch kla­rer geht es ja wohl kaum: wenn also Men­schen (in die­sem Fall Lehr­lin­ge) über ihre Rech­te auf­ge­klärt wer­den, dann ist das für die FPÖ also ein Grund, die­se Rech­te für „über­zo­gen“ zu erklären.

Aber ist die FPÖ des Jah­res 1997 und 2000 über­haupt noch die FPÖ des Jah­res 2011? Ist es nicht so, dass die Poli­ti­ke­rIn­nen der Gene­ra­ti­on Hai­der zum BZÖ abge­wan­dert sind und die heu­ti­ge FPÖ nicht für die „Sün­den“ der Ver­gan­gen­heit zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den kann?

Nein, es ist nicht so… Mares Ross­mann, die Front­frau der Nacht­ar­beits­ver­län­ge­rung für Jugend­li­che, ist heu­te FPK-Abge­ord­ne­te in Kärn­ten und reu­mü­tig mit Herrn Scheuch zur FPÖ zurück­ge­kehrt. Die ehe­ma­li­ge FPÖ-Abge­ord­ne­te Hal­ler ist auch heu­te noch in der FPÖ und Mit­glied des Bezirks­par­tei­vor­stan­des Kuf­stein in Tirol, und… … ja, und dann sind da noch jene FPÖ-Abge­ord­ne­ten, die der Ver­län­ge­rung der Nacht­ar­beits­zeit für Lehr­lin­ge im Jahr 2000 ihre Stim­me gege­ben haben. Unter ihnen ein Mann, von dem sich die FPÖ wohl schwer­lich distan­zie­ren kann: Mar­tin Graf. Der heu­te wegen sei­ner Mit­glied­schaft in der rechts­extre­mis­ti­schen Bur­schen­schaft Olym­pia schwer kri­ti­sier­te Drit­te Prä­si­dent des Natio­nal­rats hat sich im Jahr 2000 in einer nament­li­chen Abstim­mung aus­drück­lich für län­ge­re Nacht­ar­beits­zei­ten für Jugend­li­che aus­ge­spro­chen. Nicht ganz unei­gen­nüt­zig. Graf war zu die­sem Zeit­punkt näm­lich auch „stil­ler Gesell­schaf­ter“ eines Unter­neh­mens, das Loka­le betrieb.

Aber auch in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit mach­ten FPÖ-Funk­tio­nä­re und Funk­tio­nä­re FPÖ-naher Orga­ni­sa­ti­on kein Hehl dar­aus, was sie vom Arbeit­neh­me­rIn­nen­schutz hal­ten. Im Jahr 2009 for­der­te der Ring Frei­heit­li­cher Wirt­schafts­trei­ben­der „Not­ge­set­ze“, um „Unter­neh­mer­kil­ler­ge­set­ze … außer Kraft zu set­zen“. Poli­tik und Sozi­al­part­ner soll­ten „in Karenz geschickt wer­den“: „Auf­grund der nicht mehr repa­rier­ba­ren Ver­trau­ens­kri­se in die Poli­tik ver­lan­gen wir vom Par­la­ment den Beschluss eines Not­ge­set­zes. Den Betrie­ben muss erlaubt sein, eigen­stän­dig und ohne Ein­fluss der Sozi­al­part­ner und der Poli­tik, ein­zig und allein im Ein­ver­neh­men mit allen im Betrieb Betrof­fe­nen, maß­ge­schnei­der­te Über­le­bens­stra­te­gien zu tref­fen und umzusetzen.“
Schon der Begriff „Not­ge­setz“ schock­te ob sei­ner Inten­ti­on, demo­kra­tisch gewähl­te Ein­rich­tun­gen außer Kraft zu set­zen. In der Pra­xis for­der­te der RFW damit aber etwa auch die Auf­he­bung von Kol­lek­tiv­ver­trä­gen, Arbeits­schutz­nor­men und demo­kra­ti­sche Mitbestimmung.

Zwei Jah­re zuvor mach­te der ober­ös­ter­rei­chi­sche RFW-Obmann klar, was er von Arbeit­neh­me­rIn­nen­schutz hält: „Das Wirt­schafts­le­ben ist vol­ler Auf­la­gen und Vor­schrif­ten, die die Betrie­be in ein Kor­sett zwin­gen. Unter­neh­mer leis­ten für den Staat unbe­zahl­te Arbeit, z.B. Lohn­ver­rech­nung, und wer­den dazu noch mit Arbeit­neh­mer­schutz­ver­ord­nun­gen, Arbeits­in­spek­ti­ons­ge­set­zen, undurch­sich­ti­gen Steu­er­ge­set­zen und vie­len ande­ren Vor­schrif­ten über­schüt­tet.“ (Quel­le: rfw-daten.com)

Ähn­lich scho­ckiert scheint auch der stei­ri­sche RFW dar­über zu sein, dass sich Unter­neh­men an Geset­ze hal­ten müs­sen: 2010 beschwer­te er sich in einer Aus­sendung an Tou­ris­mus­un­ter­neh­men, dass es zu den Auf­ga­ben armer, über­for­der­ter Unter­neh­me­rIn­nen zäh­le, „Hygie­ne­maß­nah­men zu kon­trol­lie­ren, die Wei­sun­gen des Arbeits­me­di­zi­ners zu befol­gen, die Arbeits­auf­zeich­nun­gen zu führen…“

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