Martin Grafs Reisen nach Paraguay

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Mar­tin Graf, Drit­ter Prä­si­dent des Natio­nal­rats, war wie­der ein­mal in Para­gu­ay. Anfang Sep­tem­ber reis­te er nach Medi­en­be­rich­ten mit einer Dele­ga­ti­on öster­rei­chi­scher Par­la­men­ta­ri­er nach Asun­ci­on, um dort eine Spen­de von 5.000 US-Dol­lar zu über­ge­ben. Grafs Pres­se­spre­cher demen­tiert: Es habe sich nicht um eine par­la­men­ta­ri­sche Dele­ga­ti­ons­rei­se gehan­delt. Was war es dann?

Graf reist ger­ne nach Para­gu­ay. Er war schon mehr­mals dort. Im März des Vor­jah­res mit einer statt­li­chen Dele­ga­ti­on: Andre­as Möl­zer, Johann Her­zog, Ger­hard Deimek und dem Immo­bi­li­en­mak­ler Alex­an­der Kas­par. Auch der frü­he­re Infra­struk­tur­mi­nis­ter Mathi­as Reich­hold, der jetzt gera­de Soja­boh­nen ern­ten muss, reis­te als Ver­tre­ter eines deutsch-öster­rei­chi­schen Ener­gie-Unter­neh­mens mit einem „Soft­ware-Ange­bot für die Strom­wirt­schaft“. „Unzen­su­riert“, die Haus­pos­til­le von Mar­tin Graf, war regel­recht enthu­si­as­miert: „Mil­lio­nen-Geschäft in Para­gu­ay ange­bahnt“. Reich­hold selbst war damals sehr ange­tan von der Mög­lich­keit, sei­ne Exis­tenz nicht nur von Soja-Boh­nen bestrei­ten zu müs­sen: „Mit den rich­ti­gen Part­nern vor Ort sind in kur­zer Zeit hohe Ren­di­ten mög­lich.“ (unzensuriert.at) Ob der Immo­bi­li­en­mak­ler in dem Land, das unter einer der unge­rech­tes­ten Land­ver­tei­lun­gen der Welt lei­det, auch auf sei­ne Rech­nung gekom­men ist? Für Reich­hold dürf­ten die erwar­te­ten Ren­di­ten jeden­falls nicht gereicht haben.

Ob der neu­er­li­che Besuch im Sep­tem­ber 2012 wei­te­re Mil­lio­nen­ge­schäf­te im Auge hat­te, geht aus den eher spär­li­chen Berich­ten zu die­ser Rei­se nicht her­vor. Mar­tin Graf, so sein Pres­se­spre­cher Höferl, sei als Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter und hoch­ran­gi­ger Ver­tre­ter der FPÖ in Para­gu­ay gewe­sen, um dort ein Freund­schafts­ab­kom­men mit der „libe­ra­len“ Par­tei des der­zei­ti­gen Prä­si­den­ten Fran­co zu verhandeln.

Medi­en in Para­gu­ay hat­ten jeden­falls ande­re Ein­drü­cke und Äuße­run­gen von Mar­tin Graf auf­ge­schnappt als sein Pres­se­spre­cher. Das Online-Por­tal „Para­gu­ayo de Noti­ci­as“ zitiert Graf mit dem Spruch „Ich per­sön­lich glau­be und den­ke auch, dass es die Mei­nung der öster­rei­chi­schen Regie­rung ist, dass der Pro­zess [Lugos Amts­ent­he­bung, Anmk. SdR] exakt nach den Vor­ga­ben der para­gua­ya­ni­schen Ver­fas­sung abge­lau­fen ist.“


Nue­va Ger­ma­nia. Eine OTS der FPÖ gab an, dass Graf bei sei­nem Auf­ent­halt in Para­gu­ay 2011 die Sied­lung San Ber­nar­di­no besuch­te: „eine Grün­dung der Schwes­ter des Phi­lo­so­phen Fried­rich Nietz­sche“. Die Sied­lung San Ber­nar­di­no wur­de aber von Jakob Schae­rer im Jahr 1881 gegrün­det. Eli­sa­beth Nietz­sche und ihr Ehe­mann Bern­hard Förs­ter haben eine ande­re Sied­lung gegrün­det: Nue­va Ger­ma­nia (Neu­ger­ma­ni­en). Mit die­ser Kolo­nie-Grün­dung soll­te ein ras­sisch rei­nes neu­es Ger­ma­ni­en auf­ge­baut wer­den. Bern­hard Förs­ter war ein rabia­ter Anti­se­mit und Deutschnationaler.

Im Juni war der direkt vom Volk gewähl­te Prä­si­dent Fer­nan­do Lugo durch eine par­la­men­ta­ri­sche Mehr­heit abge­setzt und durch den dama­li­gen Vize­prä­si­den­ten Fran­co ersetzt wor­den. Der Vor­gang, auch als „par­la­men­ta­ri­scher Putsch“ bezeich­net, hat­te in der Fol­ge dazu geführt, dass Para­gu­ay aus dem Wirt­schafts­bünd­nis Mer­co­sur aus­ge­schlos­sen und der neue Prä­si­dent nicht aner­kannt wurden.

Für Graf ist die innen- und außen­po­li­ti­sche Situa­ti­on klar. Das deutsch­spra­chi­ge Maga­zin „Das Wochen­blatt“ zitiert ihn so: „Er kom­men­tier­te, dass im Jahr 2000 Öster­reich eine ähn­li­che Situa­ti­on durch­leb­te und die Euro­päi­sche Uni­on wie jetzt der Mer­co­sur ihr Land aus­grenz­te. ‚Nach sechs bis acht Mona­ten nor­ma­li­sier­te sich jedoch die Situa­ti­on wie­der’, beton­te er.“ Da spricht einer mit reich­hal­ti­ger Erfahrung!

Inter­es­sant ist noch die Spen­de, die Graf an die Gat­tin von Prä­si­dent Fran­co, die prak­ti­scher­wei­se selbst Par­la­men­ta­rie­rin ist, über­ge­ben hat. Die 5.000 Dol­lar, die von der FPÖ spen­diert wur­den, sol­len an die Opfer des Mas­sa­kers von Curu­gua­ty wei­ter­ge­hen. Aber nicht an alle, son­dern nur an die Ange­hö­ri­gen der dabei getö­te­ten Poli­zis­ten. Die Fami­li­en der elf land­lo­sen Klein­bau­ern, die beim Mas­sa­ker ums Leben kamen, sind der FPÖ kei­ne Spen­de wert. Das Mas­sa­ker von Curu­gua­ty hat­te zur Abwahl von Prä­si­den­ten Lugo geführt, der zuvor Par­tei für die land­lo­sen Klein­bau­ern ergrif­fen hatte.

Die Land­lo­sen hat­ten Tei­le der rie­si­gen Län­de­rei­en eines Groß­grund­be­sit­zers und mitt­ler­wei­le ver­stor­be­nen Sena­tors Riquel­me besetzt. Über das Mas­sa­ker selbst gibt es sehr unter­schied­li­che Ver­sio­nen. Die defac­to-Regie­rung Fran­co hat zwar eine Unter­su­chung ange­kün­digt, bis­lang aber kei­ne Ergeb­nis­se ver­öf­fent­licht. Mitt­ler­wei­le gibt es aber Erkennt­nis­se einer inter­na­tio­na­len Unter­su­chungs­kom­mis­si­on, aus denen her­vor­geht, dass

durch den ers­ten Schuss der lang­jäh­ri­ge Anfüh­rer der Klein­bau­ern­be­we­gung, Ave­li­no Espi­no­la, getö­tet wur­de. Wei­ter­hin konn­te rekon­stru­iert wer­den, dass die betei­lig­ten Klein­bau­er­fa­mi­li­en von zwei Sei­ten ein­ge­kes­selt waren, wobei ein Angriff von dem Groß­grund­be­sitz eines bra­si­lia­ni­schen Land­eig­ners aus­ging. Von dem Ter­rain hob nach Augen­zeu­gen­be­rich­ten wäh­rend der Kämp­fe ein Hub­schrau­ber ab. Die­se Beob­ach­tung unter­mau­ert die The­se des Vor­sit­zen­den der para­gu­ay­ischen Anti-Dro­gen-Behör­de, Fran­sis­co de Var­gas, nach der die Dro­gen­ma­fia für das Mas­sa­ker ver­ant­wort­lich ist, weil sie durch die Akti­on der land­lo­sen Bau­ern einen Stütz­punkt gefähr­det sah.

Dem­nach war das Mas­sa­ker von Curu­gua­ty eine mehr­fa­che Pro­vo­ka­ti­on: gegen die Land­lo­sen und gegen Prä­si­dent Lugo.

Für Mar­tin Graf und die FPÖ ist das alles kein Pro­blem, ihre Par­tei­nah­me klar. Schon weni­ge Tage nach dem Mas­sa­ker im Juni wuss­te „unzen­su­riert“: „Land­be­set­zer schos­sen hin­ter­rücks auf Poli­zei.“ Der Bericht stütz­te sich auf Hören-Sagen-Quel­len. Dabei bräuch­ten sie nur ein Pos­ting auf „unzen­su­riert“ lesen, um zu wis­sen, was wirk­lich gespielt wird:

Wäh­rend der Dik­ta­tur wur­de die­ses Grund­stück, so wie vie­le ande­ren rie­si­gen Land­flä­chen, an einen der Hand­lan­ger des dama­li­gen Dik­ta­tors Stroess­ner als Dank für die „Unter­stüt­zung” geschenkt.
Die recht­mä­ßi­gen Eigen­tü­mer, Klein­bau­ern und seit Jahr­hun­der­ten ange­sie­del­te India­ner­stäm­me, wur­den zwangs­ent­eig­net und mit Hil­fe von Mili­tärs und Poli­zei ver­trie­ben oder ermordet.
Die loka­len Medi­en berich­ten immer nur von „Land­be­set­zern” und „Kri­mi­nel­len” oder sogar „Ter­ro­ris­ten.”
Was aber stark auf­fal­len soll­te, ist dass die wich­tigs­ten Medi­en Anhän­gern oder Unter­stüt­zern der Colo­ra­do-Par­tei gehö­ren, zu der auch der ehe­ma­li­ge Dik­ta­tor gehör­te und des­sen gesam­ter Regie­rungs­ap­pa­rat in der „neu­en” Demo­kra­tie fort­be­stand
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➡️ Sie­he auch: Pres­se­aus­sendung der SJ.