Toulouse (F): Anschwellende Hassorgien

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Vie­les, sehr vie­les deu­tet bei den erbärm­li­chen und fei­gen Mor­den von Tou­lou­se auf ein rechts­extre­mes bzw. ras­sis­ti­sches Tat­mo­tiv hin. Der der­zei­ti­ge Ermitt­lungs­stand ist aller­dings noch sehr dürf­tig . Umso mehr über­ra­schen nicht nur Fest­le­gun­gen wie die des fran­zö­si­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters Longuet, der einen „Ver­rück­ten“ als Täter für wahr­schein­lich hielt, son­dern die anschwel­len­den Hass­or­gi­en, die aus rech­ten Blogs triefen.


Het­ze auf dem ras­sis­ti­schen Blog Kybeline
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Woher man­che Kom­men­ta­to­ren ihre „Ahnung“ neh­men, bei den Mor­den von Tou­lou­se sei ein Anschlag von isla­mi­schen Atten­tä­tern mög­lich, bleibt schlei­er­haft. Ermor­det wur­den jüdi­sche Kin­der, ein Leh­rer und Sol­da­ten mit dunk­ler Haut­far­be. Die Mord­op­fer wur­den gezielt aus­ge­wählt und mit einer Faust­feu­er­waf­fe getö­tet. Noch gibt es viel Unklar­heit, aber ziem­lich deut­lich sind anti­se­mi­ti­sche und ras­sis­ti­sche Motive.

Eigent­lich kann man daher dem Vor­sit­zen­den der Euro­päi­schen Rab­bi-Kon­fe­renz Pin­chas Gold­schmidt – unab­hän­gig von der Klä­rung des Tat­mo­tivs – nur unein­ge­schränkt zustim­men: „Die­se grau­sa­me Tat deu­tet auf eine Gesell­schaft hin, in der Into­le­ranz gären kann”.

Doch in rechts­extre­men Blogs wie bei SOS­Hei­mat sieht man das völ­lig anders: “Das ist falsch. Die­se Tat ist auf Grund von Tole­ranz gesche­hen“. Man ahnt, wie es wei­ter­geht: “Hät­te es Urein­hei­mi­sche getrof­fen, gäbe es die­sen Arti­kel gar nicht“, will „Susa“ wissen.

Pro­blem­los ver­mi­schen sich anti­se­mi­ti­sche und ras­sis­ti­sche Hal­tun­gen mit anti­is­la­mi­schen, obwohl die Opfer jüdi­sche Kin­der und auch mus­li­mi­sche Sol­da­ten sind: „Zulan­ge hat man das Trei­ben der Mus­li­me gedul­det und lau­fend ent­schul­digt“, hetzt „Stor­chen­ei“, um schluss­zu­fol­gern: „Sie schre­cken vor nichts zurück und es ist höchs­te Zeit, dass die­sen Ver­bre­chern die Rote Kar­te in Form von Aus­wei­sun­gen zukom­men lässt (sic!)“.

Es kur­sie­ren auch die übli­chen Ver­schwö­rungs­theo­rien: es könn­te sich um eine Akti­on des Geheim­diens­tes han­deln, so wie bei Brei­vik und dem NSU. Bei kei­nem Pos­ting fin­det man so etwas wie Betrof­fen­heit wegen der bru­ta­len Mor­de oder gar Trau­er. Im Gegen­teil! „Waf­fen­stu­dent“ , ein Zyni­ker der beson­de­ren Sor­te, weiß: „Wet­ten, da kommt bei so man­chem, auch ehe­ma­li­gem Schü­ler, eine klamm­heim­li­che Freu­de auf!“. Und „Hans“ ist sich sowie­so sicher: „Das war sicher ein Ange­hö­ri­ger der Reli­gi­on des Frie­dens. Egal was die Drecks­jour­nail­le schreibt, ich glau­be nicht, daß es jemand aus der rech­ten Ecke war“.

Bei Kybe­li­ne, einem auf den Islam spe­zia­li­sier­ten Hass­blog, kur­sie­ren eben­falls die Ver­schwö­rungs­theo­rien. In man­chen Pos­tings wird aber auch sicht­bar, wie hoch der Aggres­si­ons­pe­gel und die Gewalt­be­reit­schaft in die­ser Sze­ne bereits ist. „Eso-Ver­gel­ter“ schreibt ganz offen: „Ein Angriff auf Sol­da­ten kann u. U. befür­wor­tet wer­den. Aber ein Angriff auf Juden nicht. Eher soll­te man Zio­nis­ten atta­kie­ren (sic!). Wahr­schein­lich war es ein Isla­mist. Hof­fent­lich führt die­se Tat dazu, dass Le Pen bei der Wahl im April vie­le Stim­men bekommt. Und dass die Par­tei FN im Juni ein gutes Ergeb­nis erzielt“.

„Kybe­li­ne“, die Blog­be­trei­be­rin, ant­wor­tet ihm dar­auf völ­lig unge­rührt: „Ein Angriff aus Sol­da­ten ist nicht mehr zu befür­wor­ten als z. B. ein Angriff auf Hetz-Jour­na­lis­ten, Ima­me u. ä.“

Es ist unfass­bar: weni­ge Stun­den nach den bru­ta­len Mor­den vor der jüdi­schen Schu­le dis­ku­tie­ren die selbst­er­nann­ten Ret­ter des Abend­lan­des und der „euro­päi­schen Wer­te“ völ­lig unge­rührt, ob Sol­da­tIn­nen, Zio­nis­tIn­nen, Jour­na­lis­tIn­nen oder Ima­me die rich­ti­gen Mord­an­schlags­zie­le sind!

Auf Thiazi.net, dem größ­ten deutsch­spra­chi­gen Por­tal für Neo­na­zis, haben Öster­rei­cher das The­ma über­nom­men. „Brand­stif­ter“, der die Debat­te eröff­net, hält sich bei den Ver­schwö­rungs­theo­rien an, kann sich aber noch kei­nen Reim dar­auf machen: „Hier ist doch was im Busch?“.

„Max­Wuen­sche­Le­gend“, der sich als „Ost­mär­ker“ aus­weist, spöt­telt dar­über, dass „bestimmt“ die NSU-Sek­ti­on Frank­reich als Täter aus­ge­macht wer­de. Auch „Maro­bo­du­us“ , ein wei­te­rer Öster­rei­cher- hängt der „Fal­se Flag“-Theorie an. Der Rest ist Rat­lo­sig­keit, ein biss­chen Vor­ah­nung, dass der oder die Täter doch aus der rechts­extre­men Ecke kom­men könn­ten und die übli­che anti­se­mi­ti­sche und ras­sis­ti­sche Grundstimmung.