Der Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL) und seine Geschichte

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Seit gerau­mer Zeit gibt es in der ober­ös­ter­rei­chi­schen Anti-Atom-Bewe­gung eine Aus­ein­an­der­set­zung, in der eine NGO den schwer­wie­gen­den Vor­wurf erhebt , dass Tei­le der Anti-Atom-Bewe­gung Rechts­extre­me sei­en und der für Umwelt­schutz zustän­di­ge Grü­ne Lan­des­rat Rudi Anscho­ber mit den Rechts­extre­men zusam­men­ar­bei­tet, sie för­dert und eine Distan­zie­rung von den Rechts­extre­men ver­wei­gert. Schwer wie­gen­de Vor­wür­fe – doch stim­men sie?

In einer Online-Peti­ti­on, die den Rück­tritt von Anscho­ber als Lan­des­rat for­dert, führt die Initia­ti­ve „Anti­atom-Sze­ne“ zur Begrün­dung aus:

„Lan­des­rat Anscho­ber ver­wei­gert eine Distan­zie­rung vom rechts­extre­men „Welt­bund zum Schut­ze des Lebens (WSL)”, sowie von des­sen Grün­der, dem NSDAP — und SA Mit­glied Gün­ter Schwab und dif­fa­miert Kri­ti­ker die­ser Zustän­de. In Deutsch­land wur­de der WSL, der auch die Holo­caust-Leug­ner­stät­te „Col­le­gi­um Huma­n­um” unter­hielt, wegen Rechts­extre­mis­mus auf­ge­löst. Die öster­rei­chi­sche Sek­ti­on des WSL übt hin­ge­gen — über den eng mit ihm ver­floch­te­nen Ver­ein „atom­stopp” — mas­siv Ein­fluss auf die in Anscho­bers Ver­ant­wor­tungs­be­reich lie­gen­de Anti­atom-Offen­si­ve des Lan­des Ober­ös­ter­reich aus.“

Es geht also um den Vor­wurf, dass der Prä­si­dent des öster­rei­chi­schen Welt­bun­des zum Schutz des Lebens (WSL), der in der ober­ös­ter­rei­chi­schen Anti­atom-Bewe­gung mit­ar­bei­tet, rechts­extrem sei und sich Anscho­ber vom WSL und des­sen Grün­der Gün­ther Schwab distan­zie­ren soll.

Gün­ther Schwab ist seit 2006 tot. Der im Alter von 101 Jah­ren gestor­be­ne Schrift­stel­ler und Grün­der des WSL hat eine poli­ti­sche Bio­gra­phie, die eng mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­bun­den war. Schwab war Mit­glied der NSDAP und der SA, publi­zier­te auch wäh­rend der Nazi-Zeit völ­ki­sche Lite­ra­tur und grün­de­te im Jahr 1958 den öster­rei­chi­schen und 1960 den deut­schen Welt­bund zum Schutz des Lebens. In wei­te­rer Fol­ge gab es Sek­tio­nen in zahl­rei­chen Län­dern der Erde, von Aus­tra­li­en bis Bul­ga­ri­en, von Nor­we­gen, Polen, Rumä­ni­en, Phil­lip­pi­nen, den USA, Jugo­sla­wi­en, der Schweiz und ande­ren. Zu den Unter­stüt­zern zähl­te eine illus­tre Run­de: Otto Habs­burg, Alt­bun­des­kanz­ler Josef Klaus, der ehe­ma­li­ge Natio­nal­bank­prä­si­dent Dr. Ste­phan Koren, Prof. Ernst Fuchs, Her­mann Gmei­ner, der ehe­ma­li­ge Minis­ter Her­bert Sal­cher und im wis­sen­schaft­li­chen Rat Robert Jungk. 

Die Grün­dungs­do­ku­men­te ent­hal­ten eine schwüls­ti­ge „fei­er­li­che Erklä­rung“ , die unter Beru­fung auf den gött­li­chen Schöp­fungs­plan ver­sucht, der „müde und ziel­los gewor­de­nen Mensch­heit“ den Glau­ben an „einen ewi­gen Sinn des Lebens zu geben“. Das klingt stark nach der Sinn­su­che von Men­schen, die nach einer Pha­se der Dis­kre­di­tie­rung und des Zusam­men­bruchs einer mör­de­ri­schen Ideo­lo­gie aus den Res­ten und Trüm­mern etwas Neu­es, „Ewi­ges“ bau­en wol­len. Fast schon hilf­los der Appell an Gott und die Beru­fung auf Mozart:

„Wir bit­ten Gott um die Gna­de und um das Glück, segens­reich für die Gemein­schaft der Völ­ker wir­ken zu dür­fen. Die Stadt Salz­burg ver­kör­pert durch Wolf­gang Ama­de­us Mozart ein mäch­ti­ges Sym­bol der Hoff­nung, denn die Spra­che der Musik ver­ste­hen alle Völ­ker“.

Es gibt aber nicht nur die „fei­er­li­che Erklä­rung“, son­dern auch das Grund­satz­pro­gramm des WSL, in dem es heißt:

„Der Ver­ein wirkt für Erneue­rung und Ver­tie­fung des Lebens im Sin­ne der ewi­gen sitt­li­chen Wer­te und der natür­li­chen Lebens­ord­nung, gegen Über­heb­lich­keit, Pro­fit­gier, und Macht­wahn, gegen die Mäch­te der Unord­nung, Ent­ar­tung, Aus­beu­tung und des Unter­gangs“.

Sät­ze wie die­ser wei­sen über die ver­wen­de­ten Begriff­lich­kei­ten der „natür­li­chen Lebens­ord­nung“, der „Ent­ar­tung“, der „Mäch­te der Unord­nung“ und des „Unter­gangs“ eine Nähe zu „orga­ni­zis­ti­schem und bio­lo­gis­ti­schem Den­ken“ auf, das typisch ist für rechts­extre­me Ideo­lo­gien, wie das DÖW in einer Ana­ly­se des WSL feststellte.

Die in den Grün­dungs­do­ku­men­ten des WSL ver­pack­ten For­mu­lie­run­gen bzw Res­te rechts­extre­mer Ideo­lo­gie wei­sen auf das größ­te Dilem­ma des spä­te­ren WSL (Öster­reich) bezüg­lich sei­nes „Vor­den­kers“ Schwab hin: es gab nie eine Auf­ar­bei­tung der poli­ti­schen Ver­gan­gen­heit des Grün­ders und der ideo­lo­gi­schen Bezugs­punk­te die­ser Programmatik.

Auch per­so­nell waren die ers­ten Jahr­zehn­te von Kon­ti­nui­tät mit dem NS-Regime geprägt. Ers­ter Prä­si­dent der deut­schen Sek­ti­on des WSL wur­de der frü­he­re NS-Arzt Wal­ter Gme­lin, ihm folg­te von 1974 bis 1982 der alte und neue Nazi Wer­ner Georg Haver­beck nach.

Schwab selbst war Zeit sei­nes Lebens von rechts­extre­men Hal­tun­gen geprägt, was auch in einem Inter­view mit dem „Eck­art­bo­ten“ 1994 zum Aus­druck kam, wo er über die „far­bi­gen Moham­me­da­ner“ und „ihre Zeu­gungs­kraft“ fabu­lier­te, der der „len­den­lah­me euro­päi­sche Mann“ nichts ent­ge­gen­zu­set­zen habe. So wer­de die auch von Rechts­extre­men und Neo­na­zis behaup­te­te „Pro­phe­zei­ung von der afro­asia­ti­schen Bevöl­ke­rung Euro­pas(….) Wirk­lich­keit“ (Eck­art­bo­te Nr.8/1994)

Aus der Lei­tung des WSL hat sich Schwab aller­dings schon in den 70er Jah­ren zurück­ge­zo­gen, nach hef­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die poli­ti­schen Zustän­dig­kei­ten auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne, poli­ti­schen Ver­däch­ti­gun­gen wegen der Ver­bin­dun­gen in Ost­block­staa­ten, aber auch um die poli­ti­sche Ori­en­tie­rung des WSL, die schließ­lich zur Spal­tung und zum fak­ti­schen Zer­fall des inter­na­tio­nal täti­gen Ver­ban­des führte.

Wäh­rend sich der WSL in Öster­reich über die prak­ti­sche poli­ti­sche Arbeit in den Bünd­nis­sen gegen das Atom­kraft­werk Zwen­ten­dorf und spä­ter gegen das Kraft­werk Hain­burg weit­ge­hend auf Sach­ar­beit beschränk­te und seit Anfang der 90er Jah­re kaum mehr öffent­lich und publi­zis­tisch in Erschei­nung tritt, hat sich der deut­sche WSL in den 70er Jah­ren stark radi­ka­li­siert und im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sinn rei­deo­lo­gi­siert. In die­ser Pha­se tra­ten Mit­glie­der aus der deut­schen Sek­ti­on wegen deren neo­na­zis­ti­schen Ten­den­zen aus und zur öster­rei­chi­schen Sek­ti­on über.

Teil II folgt: Spal­tung und fak­ti­sches Ende des WSL