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Graz: Stocker Verlag führt erneut Prozesse gegen die Geschichte

Der Gra­zer Sto­cker Ver­lag hat ein Sor­ti­ment, das von Jagd- und Koch­bü­chern über Aus­tria­ca bis hin zu Mili­ta­ria und ziem­lich rechts­las­ti­gen Büchern geht. Um das mit einem Bei­spiel zu illus­trie­ren: Einer der Stamm­au­toren von Sto­cker ist Karl Sprin­gen­schmid (1897–1981). Der war ille­ga­ler Nazi und in Salz­burg Haupt­ver­ant­wort­li­cher für die Bücher­ver­bren­nung am 30.4.1938. Nach der Niederlage […]

12. Nov 2010

Nach der Nie­der­la­ge der Nazis stand Sprin­gen­schmid auf der Lis­te von mut­maß­li­chen Kriegs­ver­bre­chern. Der Ver­haf­tung ent­zog er sich durch Flucht und Namens­än­de­rung, bis er 1951 nach Ein­stel­lung der gericht­li­chen Ermitt­lun­gen gegen ihn wie­der in sei­ne „bür­ger­li­che“ Exis­tenz als Schrift­stel­ler zurück­keh­ren konn­te. Sprin­gen­schmid war bis zu sei­nem Tode in ein­schlä­gi­gen Krei­sen wie dem Deut­schen Kul­tur­werk Euro­päi­schen Geis­tes oder dem Dich­ter­stein Offen­hau­sen aktiv. Im Sto­cker-Ver­lag wur­den auch Bar­ba­ra Rosen­kranz und Mar­tin Graf publiziert.

Seit 2005 hat der Leo­pold Sto­cker Ver­lag bereits drei Pro­zes­se mit ins­ge­samt vier Kla­gen gegen die Grup­pe May­day Graz wegen kri­ti­scher Ver­öf­fent­li­chun­gen geführt. Alle Kla­gen wur­den nach­ein­an­der abge­wie­sen: Die Gerich­te urteil­ten z.B., dass es ein zuläs­si­ges Wert­ur­teil sei, das „Fami­li­en­un­ter­neh­men Sto­cker” als „im Dienst des Rechts­extre­mis­mus” zu bezeichnen.


Medi­en­in­ha­ber, Ver­le­ger und Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift „Neue Ord­nung” ist der ARES-Ver­lag, der wie­der­um Teil des „Leo­pold Sto­cker Ver­lag” ist. Über die Zeit­schrift „Neue Ord­nung” schrieb der Jour­na­list Karl Pfei­fer auf der Inter­net­platt­form haGa­lil onLine: „Die vier­tel­jähr­lich erschei­nen­de Gra­zer Zeit­schrift ‚Neue Ord­nung’ (NO), die sich als Brü­cken­bau­er vom Rechts­kon­ser­va­tis­mus zum Rechts­extre­mis­mus betä­tig­te, ver­stärkt in letz­ter Zeit durch die Mit­ar­beit von rechts­extre­men Autoren ihre rechts­extre­me und anti­se­mi­ti­sche Ten­denz.” 2004 brach­ten die Stei­ri­schen Grü­nen einen Antrag gegen den ARES-Ver­lag ein, da die­ser „in gehäuf­ter Zahl anti­se­mi­ti­schen, ras­sis­ti­schen und rechts­extre­men Autoren sowie Geschichts­re­vi­sio­nis­ten eine Platt­form bie­tet.” (Quel­le: initiative.minderheiten.at) Bild­quel­le: DÖW — Aktu­el­le rechts­extre­me Ver­ei­ne, Par­tei­en, Zeit­schrif­ten in Öster­reich — Neue Ordnung

Jetzt hat Geschäfts­füh­rer Wolf­gang Dvo­rak-Sto­cker erneut zwei Kla­gen mit einem Streit­wert von je 36.000 Euro gegen eine Akti­vis­tin von May­day ein­ge­bracht. Ursa­che für die neu­en Kla­gen ist die Bro­schü­re „Das Herz am rech­ten Fleck. Der Leo­pold Sto­cker Ver­lag und die rechts­extre­me Sze­ne”, die May­day zusam­men mit ande­ren Anti­fa­schis­tIn­nen her­aus­ge­ge­ben und im Juli bei Info­stän­den in Graz auf­ge­legt hatte.

Ein Absatz der Bro­schü­re wid­met sich dem Buch „Das Ende der Tabus” von Rudolf Czern­in, einer Samm­lung geschichts­re­vi­sio­nis­ti­scher Absur­di­tä­ten und Rela­ti­vie­run­gen. So mein­te der Autor, der deut­sche Ein­marsch 1938 sei nur erfolgt, weil Hit­ler im Gegen­satz zu Schu­sch­nigg eine wirk­li­che „freie und gehei­me Volks­ab­stim­mung” über den Anschluss ver­langt habe. Zur Zahl der jüdi­schen Opfer unter dem NS-Regime schrieb Czern­in: „… lässt die Ver­mu­tung zu, dass es sich bei den 6 Mil­lio­nen (…) um eine Zahl der Sowjet­pro­pa­gan­da gehan­delt hat.” Skru­pel­los ver­fälsch­te Czern­in Zita­te und Quel­len, um die Exis­tenz eines Ver­nich­tungs­plans gegen­über der jüdi­schen Bevöl­ke­rung zu leug­nen, „jüdi­schen Welt­ban­ken” Mit­schuld am Tod von Juden und Jüdin­nen zu unter­stel­len und die Exis­tenz von Gas­kam­mern auf Reichs­ge­biet zu bezweifeln.

May­day Graz hat­te in Zusam­men­hang mit die­sem Buch den Begriff „Geschichts­lü­ge” ver­wen­det. Nun klagt Geschäfts­füh­rer Wolf­gang Dvo­rak-Sto­cker auf Unter­las­sung und Wider­ruf. Die zwei­te Kla­ge des Ver­lags rich­tet sich gegen die Kri­tik am Buch „Rei­ten für Russ­land” des Rechts­extre­mis­ten Hein­rich Jor­dis Lohau­sen. Die­ses Buch ver­fälscht nicht nur den deut­schen Krieg gegen die Sowjet­uni­on zum Befrei­ungs­un­ter­neh­men, son­dern schreibt auch noch die Schuld am zwei­ten Welt­krieg Polen und den Ali­ier­ten zu. Schließ­lich iden­ti­fi­ziert „Rei­ten für Russ­land” ver­bor­gen agie­ren­de „Geld­mäch­te” als die eigent­lich trei­ben­den Kräf­te hin­ter dem Welt­ge­sche­hen, die sowohl für die Okto­ber­re­vo­lu­ti­on 1917 als auch für die bei­den Welt­krie­ge ver­ant­wort­lich sei­en. Und für alle, die es noch immer nicht kapiert haben, nann­te Lohau­sen stell­ver­tre­tend für die­se „Mäch­te” „Mr Baruch” und „New Yor­ker Bankhäuser”.
Die Bro­schü­re „Das Herz am rech­ten Fleck” hat­te die­se Pas­sa­gen als „anti­se­mi­ti­sche Codie­rung” bezeich­net. Auch gegen die­se Kri­tik klag­te der Verlag.

Infos zum Sto­cker-Ver­lag und des­sen Pro­gramm gibt es u.a. auf Wiki­pe­dia. Die Grü­nen im stei­ri­schen Land­tag haben 2004 einen Antrag ein­ge­bracht, dem Sto­cker-Ver­lag die öffent­li­che Aner­ken­nung zu ent­zie­hen. Die Begrün­dung des (abge­lehn­ten) Antrags ist lesens­wert (pdf).

(Quel­le: May­day Graz)

Sie­he auch: DÖW — Stel­lung­nah­me des DÖW zum Leo­pold Sto­cker Verlag